Sperberauge
«Schizophrene» oder «Menschen mit Schizophrenie»?
Wörter machen Leute – auf diesen Nenner lässt sich ein kleines Experiment mit rund 250 Personen bringen. Alle füllten den (fast) gleichen Fragebogen aus. Er unterschied sich nur in einem Detail: In einer Version war dort von «Menschen mit Schizophrenie» die Rede, in der anderen von «Schizophrenen».
Und siehe da: Diejenigen, die im Fragebogen von «Schizophrenen» gelesen hatten, waren eher für eine autoritäre Haltung diesen Menschen gegenüber und geneigter, Entscheidungen über deren Kopf hinweg zu treffen. Zum Beispiel, was Zwangsmassnahmen betrifft.
Auch das Mitgefühl und Sich-verantwortlich-Fühlen für diese Menschen waren etwas geringer, wenn von «Schizophrenen» die Rede war anstatt von «Menschen mit Schizophrenie».
Die Studie hatte Schwächen. Trotzdem wäre es interessant zu wissen, ob das Gleiche auch bei Begriffen wie «Diabetiker», «Allergiker», «Krebskranke» … passieren würde. «Menschen mit Diabetes» klingt irgendwie sympathischer.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Eine interessante Untersuchung. Aber leider wird der Begriff «Krankheit» im Zusammenhang mit Schizophrenie fixiert durch den Vergleich mit «Diabetiker» und «Krebskrank», bei denen in der Regel genetische Faktoren eine Rolle spielen, was bei der Schizophrenie nicht der Fall ist. Schizophrenie ist nicht angeboren, sondern sollte, wie die meisten psychischen Beeinträchtigungen als ein besonders starkes Abweichen vom «Gemeinschaftsgefühl» betrachtet werden, welches der Wiener Arzt und Psychologe Alfred Adler als «Gradmesser seelischer Gesundheit» bezeichnet hat.
Auf die Frage «Ist Schizophrenie heilbar? schreibt auf dem Portal «lebenmitschizophrenie.ch» ein Betroffener: «Ganz eindeutig und aus eigener Erfahrung: ja! Ich verstehe mich heute als gesunder Mensch, der den Weg der Gesundung gegangen ist, wie viele andere auch. Die These der Unheilbarkeit ist schon lange falsifiziert und nicht aufrecht zu erhalten.»
Weil «Gemeinschaftsgefühl» im Sinne Adlers in den allerersten frühen Kindertagen beim Menschen durch den Umgang der Beziehungspersonen mit dem Baby und Kleinkind entsteht, resp. entstehen sollte, häufig aber durch Unkenntnis der Eltern über die Sozialnatur des Homo sapiens sich nicht stark genug entwickelt, mit den bekannten psychischen Unzulänglichkeiten, plädiere ich für die Bereitstellung guter Erziehungsberatungsstellen (wie Alfred Adler sie vor 100 Jahren in Wien initiierte) und eine Ausstattung der Kinderkrippen mit professionel ausgebildeten Betreuerinnen.
Ist ja schön und recht, aber weder woke Sprache noch Genderstern bauen Hindernis-freie Situationen. Ich bin gehbehindert und besuchte (vor Covid) einen Anlass im Opernhaus ausser Programm. Der Flyer war sehr genderbewusst gehalten, die Anrede war selbstverständlich „Teilnehmer*Innen“ o.ä. Nur, vor Ort war ich angeschmiert, die üblichen Toiletten waren zu, ich musste den langen Weg zu den Toiletten im Anbau nehmen. Den Anlass konnte ich vergessen. Kein Einzelbeispiel (bei anderen Institutionen/Situationen). Mir kommt es vor, die sprachlichen Achtsamkeiten können schnell zu einem leicht anheftbaren Button verkommen, man gibt sich progressiv und macht erst noch Gratiswerbung. Früher nannte man dies scheinheilig.
Oh, auf diesen Beitrag werde ich gerne nochmals zurück kommen.
Ganz klar beeinflusst die Wortwahl die Haltung.
Die des lesenden -, wie auch diejenige des schreibenden Menschen. Jeder Mensch kann dies an sich selbst beobachten. Allein sich vorzunehmen, einen spezifischen, ja gar herausfordernder Beitrag ohne den Einsatz der Worte: «nicht und aber» wegzulassen, bewirkt in einem selbst einen interessanten Vorgang beim Schreiben. Als Profi fällt es Euch sicherlich einfacher, braucht weniger Zeit als ich dies bedurfte. Doch die eigenen Erkenntnisse aus diesem Vorgang, zeigten mir eine gewisse (Ge)Wichtigkeit auf.
Danke für’s Einlassen!
‹Die Studie hatte Schwächen.›
Die Studie hat nicht Schwächen, die Studie ist Nonsens. Sprache ist ein regelbasiertes System, welches weder demokratisch durch Benutzungsmehrheiten noch durch Sympathien, schon gar nicht durch suggestible Unterstellungen geregelt wird.
Ich gehe davon aus, 99.9% der Bevölkerungen wissen nicht, was Schizophrenie ist. Der Autor dieses Artikels wohl auch nicht, sonst würde er keine Querverweise zu Krankheiten wie Diabetes mellitus anstellen. Ob Schizophrenie auch nur eine Parallele zu somatischen Krankheiten hat oder etwas völlig anderes als eine Krankheit ist (etwas, was man nicht behandeln darf), das vermag derzeit niemand zu sagen. So weit ist das Selbstverständnis der Psychopathologie noch nicht. Es ist noch nicht einmal klar, ob das Fach Psychiatrie überhaupt zur Medizin gehört. Ich persönlich gehe davon aus, es gibt keine Ähnlichkeiten, keine Verwandtschaften zwischen psychiatrischen und somatischen Zuständen, insbesondere gibt es keine psychischen Krankheiten.
Auf jeden Fall ist ‹Mensch mit Schizophrenie› sprachlich und psychiatrisch falsch. Ein Mensch kann nicht schizophren werden, dazu bedarf es einer Persönlichkeit.
In Heidelberg gibt es einen Betreungsverein für psychisch Kranke. Dieser Verein, Vorstand ist ein Psychiater und ein Volkswirtschaftler, im Aufsichtsrat sitzt ein Sohn des Psychiaters, ist Eigentümer von Immobilien im Wert von mindestens 25 Millionen Euro. Ich habe zufällig einen Bewohner getroffen. Hier werden die Bewohner entpersonalisiert um Immobilien anzuschaffen. Der Psychiater hat schon sehr lange den Pilotenschein und fliegt oder flog sehr gerne selbst und wird in einer Vorstellung auf der Homepage des Vereins als ausserordentlich aktiv beschrieben, ständig und seit Gründung des Vereins im Einsatz für das » Wohl der Betreuten «…..
Fühle mich zurückversetzt in die 70er Jahre: die Psychiatrie ist böse, Schizophrenie keine Krankheit, die Genetik, die Biologie, spielt überhaupt gar nie eine Rolle, sondern nur Kleinkindtraumatas, und ein Psychiater mit Pilotenbrevet ist zum vornherein verdächtig. LOL. Bin froh, mein schizophrener, bipolarer Vater hatte (biologische) Medikamente — gut, die richtig einzustellen dauerte Jahre und war schmerzvoll für alle Beteiligten— und wurde frohgemut 92. Wir sehen jetzt wieder mit den (biologischen) Impfungen, wie Meinungen gegen jeden common sense, gegen Wissenschaft gar nicht zu reden, erzählt werden.