Orell Füssli verlangt, dass «Saldo» einen Artikel löscht
«Fette Preise und magere Löhne»: So titelte die Konsumentenzeitschrift «Saldo» in ihrer jüngsten Nummer. «Saldo» hatte einen kleinen Preisvergleich mit zehn Büchern angestellt. In neun Fällen waren die Bücher bei Orell Füssli am teuersten. Das ist erstaunlich. Denn Orell Füssli kann Bücher bei der Partnerfirma Thalia in Deutschland zu günstigen Konditionen beziehen. Der Zwischenhändler in der Schweiz fällt weg.
«Wir definieren uns nicht über den günstigsten Preis, dieses Feld überlassen wir den Discountern», hatte Mediensprecher Alfredo Schilirò gegenüber «Saldo» gesagt. Ein ehemaliger St. Galler Filialleiter hingegen kritisierte: «Die Bücher sind massiv überteuert. Orell Füssli hat Bruttomargen, die im Schweizer Handel ihresgleichen suchen.» Und gleichzeitig bekämen die Angestellten bloss «Hungerlöhne».
«Die Saläre liegen beispielsweise deutlich unter den Mindestlöhnen von Aldi und Lidl», sagte er. Bei Aldi beträgt der Mindestlohn nach eigenen Angaben 4700 Franken. Orell Füssli finde deshalb nur mit Mühe genügend Personal. Deshalb würden viele Quereinsteiger nach einer Schnellbleiche eingestellt. In der Filiale Rösslitor in St. Gallen hätten nur 11 von 28 Angestellten eine Buchhändlerlehre abgeschlossen.
Orell Füssli hatte offenbar gar nicht Freude am Artikel. Die Firma macht seit dem Erscheinen des Artikels grossen Druck. Orell Füssli verlangt «die sofortige Löschung des Online-Artikels», «eine Richtigstellung in der nächsten Print-Ausgabe von ‹Saldo›» und «die Löschung des Artikels in allen Datenbanken».
Infosperber wollte von Orell-Füssli-Mediensprecher Alfredo Schilirò telefonisch wissen, was denn am Artikel falsch sei. Die Antwort: «Ziemlich alles.» Infosperber fragte nach, was denn «ziemlich alles» bedeute. Doch Schilirò mochte nicht ins Detail gehen. Per Mail teilte er später mit, Orell Füssli beschaffe 60 Prozent der Bücher bei Schweizer Lieferanten, und die Marge liege unter 50 Prozent.
«Saldo» hält an seiner Darstellung fest und hat den Artikel nicht entfernt. Ganz anders nau.ch. Das Online-Portal hatte den «Saldo»-Artikel unter dem Titel «Orell Füssli zahlt trotz höchsten Buch-Preisen Mini-Löhne» zusammengefasst. Nau.ch gab dem Druck von Orell Füssli nach und löschte den Artikel.
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Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine. Der Autor ist Kolumnist bei Saldo.
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Post vom Preisüberwacher
(30.01.2023) Sie beanstanden den Schweizer Franken Preis im Vergleich zum Europreis eines Buches, das Sie kürzlich in einer Zürcher Buchhandlung gekauft haben. Wir können uns dazu wie folgt äussern:.
In der Schweiz gibt es seit nunmehr 15 Jahren bei Büchern keine feste Preisbindung, also kein Kartell mehr. So dürfen die Verleger seit 2007 dem Buchhandel keine verbindlichen Preisvorgaben mehr machen.
Jede Buchhandlung ist frei, welchen Preis sie für ein bestimmtes Buch verlangt.
Es finden sich denn auch für ein und dasselbe Buch im stationären Detailhandel und im Onlinehandel heute in aller Regel unterschiedliche Preise. Der Schweizer Markt ist auch nicht abgeschottet und Bücher können direkt im Ausland und dort eben häufig auch günstiger beschafft werden.
Seit der Abschaffung der verbindlichen Preisbindung im Buchhandel in der Schweiz ist die gesetzliche Zuständigkeit der wettbewerbsrechtlichen Preisüberwachung deshalb nicht mehr gegeben.(..) Beste Grüsse