Königliche Garde

Vor der Weihnachtsansprache des britischen Königs spielte die königliche Garde die Nationalhymne. © The Royal Family Channel / Youtube

Nicht vom Volk gewählte Staatsoberhäupter rufen zum Dialog auf

Joachim Grzega /  Frieden durch Dialog – eine sprachliche Beobachtung zu europäischen Weihnachtsansprachen. Schwedens König betont den Nato-Beitritt.

Red. – Dies ist ein Gastbeitrag von Joachim Grzega. Sein Artikel erschien zuerst bei Pressenza.com. Grzega ist ist promovierter Sprachwissenschaftler und ausserplanmässiger Professor an der Universität Eichstätt-Ingolstadt. Zu sei­nen Forschungs­schwer­punkten gehört die Suche nach den Gemeinsamkeiten euro­päischer Spra­chen (Euro­linguistik).

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Seit vielen Jahren gibt es in verschiedenen europäischen Ländern die Tradition, dass das überparteiliche Staatsoberhaupt eine Weihnachtsansprache hält: in Belgien, Deutschland, Luxemburg, den Niederlanden, Spanien, Schweden und dem Vereinigten Königreich. Angesichts dessen, dass es sich um ein christliches Fest handelt, ist erstaunlich, dass lediglich der britische und der niederländische König die Bibel zitieren und konkret auf sie verweisen. In jedem Fall können diese Ansprachen aber als wichtige Verweistexte in der europa-öffentlichen Debatte um inneren und äusseren Frieden dienen. Was wir in ihnen mehrheitlich mit Blick auf Sprache finden, sei hier kurz beleuchtet.

Dieses Jahr verweisen – mit Ausnahme der Rede des schwedischen Königs – die Ansprachen auf die Wichtigkeit des Dialogs. Dabei wird zwar nicht von allen ausdrücklich gesagt, ob dies nur national oder in Europa oder im Westen oder global gelten soll – es klingt jedoch stets wie ein allgemeines Prinzip. Teilweise wird dabei auf Beispiele bereits existierender Dialog-Kultur hingewiesen.

Der belgische König nennt Akteure der Zivilgesellschaft. Dass Dialog auch dann funktioniert oder funktionieren soll, wenn der Ton mal etwas rauer und lauter wird, wird vor allem vom spanischen König mehrfach betont, aber auch vom belgischen König und vom deutschen Bundespräsidenten erwähnt. Letzterer sagt ausdrücklich, dass man offen aussprechen müsse, was schlecht im Lande laufe.

König Charles Weihnachtsansprache 2024
Durch Zuhören, so der englische König in seiner Weihnachtsansprache, entstehe Verständnis und dadurch die Möglichkeit zu Entscheidungen zum Wohl aller.

Dass Dialog nicht einfach bedeutet, den anderen sprechen zu lassen, sondern ihm auch zuzuhören, wird teilweise ebenfalls hervorgehoben, so vom König der Niederlande, insbesondere aber vom spanischen König und vom englischen König. Der englische König sieht dies als Basis für den Zusammenhalt im Commonwealth und illustriert ausserdem, dass dies ein wiederkehrendes Motiv in der Weihnachtsgeschichte sei: Maria höre auf den Engel, die Hirten hörten auf die Friedensbotschaft des Engels. Ferner gehe es im Dialog um das Ermöglichen von und Streben nach Verständnis: Es entstehe Verständnis, so der niederländische König, wenn wir die Schmerzen und Wünsche anderer hörten. Durch Zuhören, so der englische König, entstehe Verständnis und dadurch die Möglichkeit zu Entscheidungen, die zum Wohl aller wären. Es entstünden, so der spanische König, Lösungen für einen leichteren Zugang zu annehmbaren Lebensbedingungen für alle.

Weihnachtsansprache 2024 König Willem-Alexander
Es entstehe Verständnis, wenn wir die Schmerzen und Wünsche anderer hörten, sagte der niederländische König Willem-Alexander in seiner Weihnachtsansprache.

Der luxemburgische Grossherzog nennt sein Land aufgrund der vielen Kulturen in seinem Land einen Ort des Dialogs und des Austausches, der ein Modell sein könne, aber eines, das tägliche Bemühungen erfordere.

Auch wenn jedes Staatsoberhaupt nationale Ereignisse erwähnt, so unterscheidet sich die Ansprache des schwedischen Königs doch deutlich von den anderen. Einen weiten Teil nimmt in dieser Rede die Thematik der Sicherheit beziehungsweise die Angst um die Sicherheit ein. Diese taucht auch in einigen anderen Reden auf, aber in deutlich abgeschwächter Form. Warum die Schweden Angst um die Sicherheit haben sollen, wird vom König nicht direkt begründet. Es wird zwar auf den Krieg in der «Nachbarschaft» (Ukraine) verwiesen, aber es wird nicht beschrieben, warum damit eine Bedrohung für ein Land ausgehe, das mit 200 Jahren Blockfreiheit offenbar gute Erfahrungen gemacht hat. Im Text wird vielmehr die Wichtigkeit des Nato-Beitritts erwähnt. Dieser scheint jedoch das Sicherheitsgefühl nicht wesentlich verstärkt zu haben, da der König zusätzlich empfiehlt, die an alle Haushalte verteilte Broschüre «Om krisen eller kriget kommer» («Wenn die Krise oder der Krieg kommt») zu lesen, falls man es noch nicht getan habe. Denn Vorbereitung, so der König, baue Ängste ab und gebe ein Gefühl der Sicherheit. Interessanterweise sieht der spanische König ausdrücklich Dialog als Basis für Sicherheit.

Allen Reden gemein ist der Ruf nach Respekt (das entsprechende Wort taucht in allen Texten bis auf den deutschen auf); manchmal in konkreterer Form, und zwar, dass dies positive kulturelle Effekte (im britischen Text) oder zumindest auch positive Effekte (im spanischen Text) habe oder dass es keine Diskriminierung beziehungsweise keinen Hass geben dürfe (so im niederländischen und im deutschen Text). Wie gesagt: Respekt und Dialog erscheinen für die internationalen Beziehungen als ebenso gültig wie innerhalb des eigenen Landes. Dafür können die genannten Ansprachen als Verweisquellen dienen.

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Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Dieser Artikel erschien bei Pressenza.com, einer Nachrichtenagentur von ehrenamtlich tätigen Freiwilligen, die sich den Themen Humanismus, Gewaltfreiheit, Menschenrechte, Abrüstung und Nicht-Diskriminierung widmet. 
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Eine Meinung zu

  • am 2.01.2025 um 13:50 Uhr
    Permalink

    Eine interessante Zusammenfassung.
    zit.(«… die Thematik der Sicherheit beziehungsweise die Angst um die Sicherheit ein. Diese taucht auch in einigen anderen Reden auf, aber in deutlich abgeschwächter Form. Warum die SCHWEDEN Angst um die Sicherheit haben sollen, wird vom König nicht direkt begründet…..») – Das wundert nicht, denn für Schweden besteht ganz sicher keine Gefahr und seine 200jährige Neutralität wäre nach wie vor der beste Schutz – mal von einem ganz allegemeinen Gefahrenlevel abgesehen. Tatsächlich war die Aufgabe der Neutralität sehr merkwürdig und man muß annehmen, daß da ein Einfluß von außen gewirkt hat. Nach Lage der Dinge kommt da wirtschaftlicher Druck durch die USA am ehesten infrage. Davon unabhängig : die Zivilschutzmaßnahmen in Schweden halte ich für richtig – Deutschland sollte sich daran orientiern; auch allgemeine Wehrpflicht.

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