Totgeprügelte Flüchtlinge an EU-Aussengrenze
Gegen 40000 Flüchtlinge vegetieren in Sichtweite der zwölf Kilometer langen, sechs Meter hohen und dreifach geführten EU-Grenzzäune, welche die spanische Enklave Melilla in Marokko gegen Migranten abschirmt, in einem Zedernwald unter freiem Himmel und ohne jede Infrastruktur vor sich hin. Über das Ausmass der humanitären Katastrophe berichtete das Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» kürzlich in einer ausführlichen Reportage mit dem Titel «Europas tödliche Grenzen»: «Fast jede Woche suchen Sicherheitskräfte das Lager heim, brennen Zelte der Flüchtlinge nieder und verprügeln alle, die nicht schnell genug fliehen können.»
Die Menschenrechtsorganisation «Human Rights Watch» spricht von «exzessiver Gewalt» durch spanische und marokkanische Grenzsoldaten: «Selbst Schwangere und Kinder werden misshandelt.» Die Hilfsorganisation «Ärzte ohne Grenzen» beendete 2013 ihr Engagement im Grenzgebiet aus Protest gegen die «institutionalisierte Gewalt» gegen Migranten, wie auch die Zeitung «Schweiz am Sonntag» unter Berufung auf die Hilfsorganisation berichtet: «Wir fanden Männer mit gebrochenen Armen, gebrochenen Nasen. Ein Mann war derart verprügelt worden, dass er eine dreifache Schädelfraktur und eine Hirnblutung hatte.»
Augenzeugenvideo zeigt tödliche Gewalt
Seit diesem August hat die Gewalt der spanischen Guardia Civil und der marokkanischen Paramilitärs gegen Flüchtlinge, welche die EU-Grenzzäune zu überwinden versuchen, offenbar ein neues Ausmass erreicht. Augenzeugen berichten von Flüchtlingen, die von Grenzwächtern mit Holzknüppeln totgeprügelt wurden.
Die spanische Hilfsorganisation Prodein veröffentlicht Videos ihrer Mitarbeiter sowie von Anwohnern des Grenzzauns in Melilla, die den Abtransport von Leichen zeigen sollen. Die Aufnahmen werden gestützt durch Zeugenaussagen von Migranten zum Verschwinden des mutmasslich erschlagenen malischen Flüchtlings Toumani Samake. Zu sehen sind die Aussagen und der Abtransport der Leiche in diesem Video.
Journalisten unerwünscht
«Die Leichen werden, noch während andere Flüchtlinge protestierend oben auf den 6 Meter hohen Zäunen sitzenbleiben, von der spanischen auf die marokkanische Seite des Zauns durch eine Tür geschleift und von den Marokkanern abtransportiert», berichtet die «Forschungsgesellschaft Flucht und Migration FFM» unter Berufung auf die Videoaufnahmen.
Seit Sommer 2014 fordern zaunkletternde und auf dem Zaun demonstrierende Flüchtlinge von Melilla und Ceuta die Welt auf, gegen die barbarischen Menschenrechtsverletzungen an der EU-Aussengrenze aktiv einzuschreiten. Journalisten, die die Praxis der Guardia Civil und der marokkanischen Paramilitärs am EU-Zaun dokumentieren wollten, wurden verhaftet, wie FFM berichtet.
Festung Europa
Der Grenzzaun zwischen Spanien und Marokko ist Teil der Abwehrmassnahmen der europäischen Grenzschutzagentur Frontex gegen illegale Migration. Seit 2005 hat sich das Jahresbudget von Frontex von 6 auf 90 Millionen Euro mehr als verzehnfacht. Die Schweiz ist mit Schengen/Dublin direkt an der Abwehrpolitik beteiligt: Im laufenden Jahr mit 4 Millionen Franken und 1500 Mannstunden von Schweizer Grenzwächtern an der EU-Aussengrenze.
Eine sehenswerte Arte-Dokumentation mit dem Titel «Festung Europa», die aus Anlass der vor zwei Wochen im Mittelmeer ertrunkenen 700 Flüchtlinge derzeit wieder zu sehen ist, zeigt die Aufgabe und Arbeit von Frontex und die Folgen der EU-Abwehrpolitik, die von der Schweiz mitgetragen wird.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
Die Sprachregelung «Flüchtling» ist in der Regel nicht korrekt. Die Verhältnisse sind vergleichbar mit denen zwischen Mexiko und den USA, ausser dass man dort nicht bereit ist, sich für diese Einwanderer in Unkosten zu stürzen und sie millionenfach ohne Rekursmöglichkeit wieder ausschafft. Dafür wird man mit dem Friedensnobelpreis belohnt.
Herr Meier, mitObamabashing erreichen Sie hier nichts; zudem sind diese Grenzzäune gegen den ausdrücklichen Willen Obamas durch die an Mexico grezenden Bundesstaaten Arizona und Texas erstellt worden und werden von Einheiten der vom Bundesstaat unabhängigen, der dem jeweiligen Gliedstaat unterstellten Nationalgarde bewacht; des weitern sind auch private Milizen an der Flüchtlingsjagd beteiligt
Danke für diesen Hinweis, zeigt offenbar nur, dass die Politik ohnehin geschieht, siehe vermutlich auch die Politik betr. Russland, Israel und den Nahen Osten. Auf die Personen kommt es nicht an, «Politik ist was geschieht», formulierte u.a. Thomas Hürlimann in seinem Roman «Der grosse Kater» mit Bezugnahme auf Robert Musil.
@Pirmin Meier
Politik geschieht immer und es kommt immer auch auf Personen an. So wäre die aktuell von Fermdenangst vergiftete Schweizer Innen- und Aussenpolitik ohne die misstönenden Schalmeien des Christoph Blocher gar nicht vorstellbar
Schweizergeschichte der letzten 300 Jahre kann heute kaum mehr vorausgesetzt werden, darum hört man wenig über die sog. Asyltradition. Es ist unglaublich, wie intensiv Abneigung der Westschweizer nach 1686 gegen Hugenotten war, und wie negativ sich Ochsenbein und Steiger, zwei der drei erzliberalen Erstunterzeichner der Bundesverfassung, über Asylanten aus Nachbarländern ausgelassen haben, oder wie das Thema «Überfremdung» nach 1900 Leitmotiv wurde, ein Leitwort der Zehnerjahre. Wahr ist, dass Schwarzenbach, den ich seit 1964 gekannt habe, persönlich zwar frei von Fremdenhass (nicht Antisemitismus) war, schrieb, ein Mädchen aus Jugoslawien könne bessere Schweizerin sein als ein Ausverkäufer der Heimat, aber der damalige Fremdenhass war eine Realität. Trotzdem bleibt die Schweiz diesbezüglich eines der grosszügigeren Länder der Welt, zumal mit Rücksicht auf die tatsächliche Menge der Einwanderer. Die von Ihnen angesprochenen Probleme haben nichts mit dem Politiker B. zu tun, werden sich nach ihm fast garantiert verschlimmern.
Der 1848-er Liberale Steiger, der die Verfassung als Dritter unterschrieb, einst zu Tode verurteilt worden war, berief sich beim Misstrauen gegenüber den Fremden sogar auf ein Bibelzitat von Jesus Sirach, wie gefährlich es sei, Fremde unbesehen bei sich aufzunehmen. Die gesamte frühere Asylpolitik der Schweiz, die vielgerühmte Asyltradition, beruhte kostenneutral auf Eigeninitiative und selbst zahlenden Flüchtlingen. Hugenotten zahlten Kredite zurück.
PS. Ein kaltes Texas war, wie Sie wohl wissen, Kollege Joris, in Ihrem Wallis 1688 der Theodulpass. Hier kamen die protestantischen Flüchtlinge, die dann keineswegs im Land bleiben durften, in Einerkolonne durch, mussten, wenn sie schon zur Weiterreise ins bernische Waadtland durchgelassen wurden, ein Durchgangsgeld zahlen, gemäss dem Bruder-Klaus-Motto aus der Zaun-Vision: Hier kommt keiner rein, er zahle denn den Pfennig. Wir haben derzeit die grosszügigste Flüchtlings- und Asylpolitik und Migrationspolitik aller Zeiten, sicher nicht mit den USA zu vergleichen, wo, wie Sie bestätigen, der Präsident über keinerlei Verantwortung für die Politik verfügt und deswegen das Lob eines guten Menschen verdient. Die 320 Auswanderer aus Rothrist in meinem Heimatkanton Aargau wurden von der Gemeinde 1855 mit dem Erlös eines verkauften Waldes auf amerikanische Schiffe in le Havre ausgeschafft und dann im Grossraum Louisiana in die freie Wildbahn ausgesetzt. Von gut 50 dieser Auswanderer hat man später wieder was gehört, wie ich vor 9 Jahren in der Rothrister Gedenkansprache ausführte.
Mag der Politiker Christoph Blocher auch nicht der erste gewesen sein; er war es allerdings, der in der jüngsten Geschichte der Pandora Büchse Deckel nicht nur öffnete, sondern gleich auch noch wegschmiss. Mit ihm wurde «Schweiz» zur Ideologie, Xenophopie salonfähig.
Interessant das vom Theodulpass. Kannte ich nicht. Waren wohl Waldenser aus den Westalpen. Haben Sie mir einen Link?
Zu den bekannteren Auswanderern hier gehörte der Urgrossvater des argentinischen Fussballnationalmannschaftsmitglieds Nestor Clausen. Seine einstige Bleibe im Talgrund unterhalb Grengiols kann man noch an der Kantonsstrasse wenig oberhalb Bettmeralp Talstation «bewundern"
PS – hier liest es sich aber andersrum, @Pirmin Meier
http://www.zermatt.ch/content/download/5124/98901/version/16/file/Geschichte+Zermatt_DE.pdf
Haben Sie noch andere Quellen? Wäre wirklich dran interessiert
Ja, lieber Kollege: Jean-Pierre Sandoz, Die Bastion am Theodulpass.
Pirmin Meier: Magisch Reisen Schweiz, Kap. Wallis
Wichtig ist die Beschäftigung mit den Passheiligen, besonders St. Theodul u. St. Gotthard, beachten Sie, dass eigentlich der Simplon mit dem viel älteren Gotthardheiligtum, es gibt deren 5 im Wallis, der «wahre» St. Gotthardpass wäre.