Menschenhandel nimmt wegen Ukrainekrieg stark zu
Menschenhandel habe durch den Krieg in der Ukraine wie befürchtet stark zugenommen, stellten EU-Gesetzgeber, Nichtregierungsorganisationen und Vertreter:innen der Zivilgesellschaft bei einer Anhörung im Europäischen Parlament am 29. November 2022 fest. Seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine sind hunderttausende Ukrainerinnen Opfer von Menschenhändlern geworden.
Anfang Februar waren nach Angabe der Flüchtlingsbehörde der Vereinten Nationen UNHCR etwa 18 Millionen Ukrainer auf der Flucht im Ausland. Die meisten sind Frauen und Kinder, die grösstenteils über die polnische Grenze flohen. Dazu kommen schätzungsweise fünf Millionen Binnenflüchtlinge.
«Weitgehend straffrei»
Schon zu Beginn des Krieges gab es eine starke Nachfrage nach Pornografie und sexuellen Dienstleistungen mit Ukrainerinnen. Onlinesuchen nach Sex und Missbrauchsdarstellungen mit Ukrainerinnen stiegen laut OSZE um bis zu 600 Prozent an.
Schweden, das darüber Daten erhebt, fand, dass in den ersten Kriegsmonaten 30 von 38 Männern online speziell nach ukrainischen Frauen suchten. Frauen werden im Netz geködert, in privaten Unterkünften missbraucht oder an der Grenze von Menschenhändlern abgefangen. Sie werden Opfer von sexueller Ausbeutung und Arbeitsausbeutung.
Besonders nachgefragt sei der Handel mit Schwangeren, sagte die OSZE-Generalsekretärin Helga Maria Schmid der «Welt». Oft sei die organisierte Kriminalität im Spiel. Menschenhandel sei ein lukratives Geschäft, das weitgehend straffrei bleibe.
Der Grossteil der Opfer bleibt unbekannt
Die Gewinne aus Menschenhandel haben sich in den letzten 15 Jahren auf 150 Milliarden Dollar im Jahr verfünffacht. Die Zahl der Verurteilungen geht zurück, zeigt ein Bericht des UN-Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC). 2020 gab es noch 2300 Verurteilungen.
Demgegenüber gebe es weltweit jährlich 25 bis 27 Millionen Opfer von Menschenhandel. Und nur etwa 10’000 Fälle landeten bei den Strafverfolgungsbehörden. Menschenhandel bleibt so faktisch straffrei und findet unbemerkt statt. Weniger als ein Prozent der Opfer wird überhaupt identifiziert.
«Toxische Ausgangslage»
Aus der Ukraine fliehen vor allem Frauen und Kinder in grosser Zahl. Sie haben kaum soziale Kontakte im Zielland und meist wenig Geld. Dazu sprechen sie die Sprache nicht und sind oft traumatisiert. Eine «toxische und riskante Ausgangslage», so Andrea Salvoni, stellvertretender Koordinator der OSZE für die Bekämpfung von Menschenhandel, gegenüber «Euronews».
Die OSZE versucht, Menschen schon in der Ukraine vor der Gefahr durch Menschenhändler zu warnen. Sie führt online die «Be safe» Kampagne, in der Fliehende zum Beispiel gewarnt werden, nicht alleine zu reisen und nicht jedes Unterkunftsangebot in Social Media anzunehmen. Dazu wird ihnen geraten, wichtige Dokumente zu kopieren und digitale Kopien in Cloudspeichern im Netz abzulegen.
In einigen Städten und an Grenzübergängen werden Ukrainerinnen mit Plakaten und Flyern gewarnt und über seriöse Hilfsangebote informiert. Trotz aller Bemühungen wurden dennoch viele Opfer von Ausbeutung.
Schutz im Internet tut not
Vor allem auf digitaler Ebene müsse der Schutz flüchtender Frauen noch verbessert werden, sagt Valiant Richey, der OSZE-Sonderbeauftragter und Koordinator für die Bekämpfung des Menschenhandels. Er kritisiert, dass Gesetze über Desinformation und digitale Dienste zu wenig Augenmerk auf Menschenhandel legten.
Die Technologie erleichtere Menschenhändlern das Geschäft. Viele Opfer würden im Netz geködert. In Facebook-Gruppen und Telegram-Chats, in denen sich Menschen über die Flucht aus der Ukraine austauschen, fänden sich immer häufiger dubiose Jobangebote, sagt auch OSZE-Koordinator Salvoni.
Ausbildung, Arbeit, Privatunterkünfte – was Länder tun können
Für Geflohene, die Arbeit suchen, lauern ähnliche Fallstricke. Viele landeten in ausbeuterischen Schwarzarbeitsverhältnissen, obwohl sie legal arbeiten dürften, warnte Suzanne Hoff von der Internationalen Migrantenplattform PICUM. Stattdessen würden sie beispielsweise unangemeldet als Putzfrauen beschäftigt.
Jo-Anne Bishop, stellvertretende Direktorin von UN Women Europe, fordert, Frauenschutzorganisationen vor Ort besser zu fördern, um den Menschenhandel zu bekämpfen und betroffene Frauen besser zu unterstützen. Viele OZSE-Länder, auch die Schweiz, wollen zudem die Ausbildung von Personengruppen verbessern, die mit Menschenhandel in Kontakt kommen.
Lelia Hunziker, Geschäftsführerin der Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration, forderte laut der NZZ schon im vergangenen Jahr direkte Transporte von Fliehenden in die Schweiz, damit die Gefahr auf der Reise minimiert wird – auch für Frauen aus anderen Ländern als der Ukraine. Als Lücke stelle sich auch heraus, dass die Schweiz wie viele andere Länder nur sporadisch kontrolliere, wie es privat untergebrachen Geflohenen geht.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
«hunderttausende Ukrainerinnen Opfer von Menschenhändlern geworden.»
Hat es jetzt mehr Opfer von Menschenhändlern oder vom Krieg? Diese Angabe scheint nicht gerade glaubwürdig.
Warum nicht? Die Aussage stammt von Robert Biedron, EU-Abgeordneter und Vorsitzender des Ausschusses für die Rechte der Frau (FEMM) und vom Novmember 2022. Bis dahin gab es laut Statista etwa 15 Millionen aus der Ukraine ins Ausland Geflohene, der Grossteil Frauen und Kinder.
Wohlgemerkt im ‹die Menschenrechte peinlichst genau beachtenden› demokratischen Westen, der sich in diesen Fragen als der Lehrmeister der Welt gebärdet.
Man kann daraus sehr viel über den Zustand des (kapitalistischen) Westens und seiner Ideale lernen, wenn man will.