Holot

Asylsuchende im israelischen Internierungslager Holot © Activestills.org

Fadenscheinige Umgehung der Flüchtlingskonvention

/  Israel entledigt sich seiner Asylsuchenden, indem es diese unter falschen Versprechungen an Drittstatten weiterreicht.

Asylsuchende, deren Gesuche abgelehnt wurden, haben in Israel keine guten Zukunftsaussichten. So der Sudanese Adam: Entweder er bleibt im Internierungslager Holot, was faktisch einer Gefangenschaft unbeschränkter Dauer in der israelischen Negev-Wüste gleichkommt, oder er geht zurück in den Sudan und damit an den Brennpunkt eines schwelenden Konflikts.
Der israelische Staat bietet Menschen wie Adam einen vermeintlichen Ausweg aus dem Dilemma: Er soll freiwillig in ein afrikanisches Drittland ausreisen. Gegen Geld und ein Flugticket soll sich Adam in ein ihm unbekanntes Land ausschaffen lassen, das ihm einen legalen Aufenthaltsstatus und damit die Chance auf ein besseres Leben gewährt. Die israelischen Behörden wenden diese Praxis der «freiwilligen Ausreise» seit rund einem Jahr an.

Odyssee durch Zentralafrika

Ein Bericht der BBC bringt Licht ins Dunkel: Israel habe Vereinbarungen mit zwei afrikanischen Staaten ausgehandelt, deren Namen die Regierung allerdings nicht preisgeben will. Gemäss Aussagen von Asylsuchenden gegenüber der BBC handelt es sich um Ruanda und Uganda. Als Anreiz werden den Asylsuchenden, die in den Handel einwilligen, 3’500 USD in bar ausbezahlt – aber erst in der Abflughalle des Flughafens.

Die BBC hat mit zwei Asylsuchenden gesprochen, die in diesen Handel eingewilligt haben: Was sie nach ihrer Ankunft in einem der beiden «sicheren Drittländer» erlebten, gibt Aufschluss über das gnadenlose System von Ausbeutung und Freiheitsberaubung, das sich im Kontext des grenzüberschreitenden, irregulären Güter- und Personenverkehrs herausgebildet hat.

So schildert die Journalistin Kathy Harcombe die Odyssee des Eritreers Tesfay, der im März 2015 nach Ruanda ausgeflogen wurde. In Israel hatte man ihm versprochen, er würde im Zielland einen regulären Aufenthaltsstatus, eine Unterkunft und die Chance auf Arbeit erhalten. Nichts dergleichen sei in Tat und Wahrheit eingetreten: In Kigali wurden ihm noch am Flughafen seine Identitätspapiere und das in Israel ausgestellte Visum zur einmaligen Einreise abgenommen.

Auf den ersten Schreck folgten zwei Tage Freiheitsberaubung in einem so genannten «guest house». Sie dürften das Gebäude nicht verlassen, da es ohne Papiere draussen zu gefährlich sei, habe man ihnen mitgeteilt. Ohne seine Einwilligung oder weiteres Zutun wurde Tesfay gegen die erzwungene Bezahlung von 300 USD über die Grenze nach Uganda geschmuggelt. Einmal in Gewahrsam der ugandischen Polizei, gab es dort vor dem Hintergrund seiner illegalen Einreise kein Nachsehen: Tesfay endete unter Androhung der Deportation nach Eritrea hinter Gittern. Also zahlte er mit seinem letzten Geld die Kaution und liess sich weiter nach Kenya schmuggeln, wo er sein Glück im dortigen Asylsystem versucht.

Trotz Flüchtlingskonvention: «Israel will die Leute einfach loswerden»

Zwar hat Israel die Genfer Flüchtlingskonvention 1954 unterzeichnet, doch scheinen die Behörden alles zu tun, um das Land für Asylsuchende möglichst unattraktiv zu machen: Seit dem Inkrafttreten der Konvention hat Israel weniger als 1 Prozent der Asylgesuche bewilligt, die es bearbeitet hat.

Laut BBC sitzen ungefähr 45’000 Sudanesen und Eritreer wie Adam oder Tesfay in Israel fest, ohne Aussicht auf regulären Aufenthalt. Da man sie aufgrund des geltenden Völkerrechts nicht deportieren kann, versucht man offensichtlich, sie zur «freiwillen Ausreise» zu bewegen.

Letzten Oktober hätten die israelischen Behörden verlauten lassen, dass 3’000 Asylsuchende Israel durch Ausreise in ein Drittland verlassen hätten. Gemäss Recherchen der BBC wurden in Ruanda und Uganda nur sieben beziehungsweise acht Asylsuchende beim Hochkommissariat für Flüchtlinge der Uno auch wirklich registriert.

Israel verteidigt seine extrem strikte Asylpolitik gegenüber der BBC mit dem Hinweis auf die Identität und die Sicherheit des jüdischen Staates: «Wir leben bereits in einer komplexen und komplizierten Realität hier in Israel. Wenn man das Element der Migranten hinzurechnet, kann das zu einer Herausforderung für unsere Identität werden. Offene Grenzen, die von Migranten überschritten werden, können gleichermassen von Terrororganisationen benutzt werden, um israelischen Boden zu infiltrieren».

Doch den Bedürfnissen des israelischen Staates stehen diejenigen der Asylsuchenden gegenüber: «Ich habe nichts von dem erhalten, was mir versprochen wurde: Keine Papiere, keinen Pass, keine Hilfe – nichts. Israel will die Leute einfach loswerden», sagt ein nach Uganda ausgeflogener sudanesischer Asylsuchender gegenüber der BBC. Er wollte anonym bleiben – aus Sicherheitsgründen.

Diesen Beitrag hat David Lier aufgrund eines Berichts des «BBC News Magazine» vom 3. Februar 2016 erstellt. Medien in der Schweiz haben über die Flüchtlingspolitik Israels kaum berichtet.


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Eine Meinung zu

  • am 2.03.2016 um 23:09 Uhr
    Permalink

    Kritik an Israel ist NOGO! (Geht gar nicht)
    An diese Regel muss sich die Schreiberzunft halten. Sonst Karriereknick.!
    Denk an Indien, da sind gewisse Tiere auch heilig und unantastbar. SCNR.

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