Diese Einwanderung schadet dem Normalbürger
Die Schweiz brauche die Einwanderung, sagt der zuständige Bundesrat Beat Jans. Als Sozialdemokrat und Bundesrat muss er das sagen. Das sagt man so. Aber immerhin weist Jans ebenso darauf hin, dass es auch Verlierer gibt und die will er unterstützen, etwa mit mehr Geld für den preisgünstigen Wohnungsbau, finanziert durch eine Einwanderungs-Gebühr für Fachkräfte aus Drittstaaten. Jans’ Vorschläge sind schon auf der Stufe Bundesrat versenkt worden. Doch die Debatte ist eröffnet.
Vorab noch einmal die wichtigsten Argumente der Einwanderungs-Befürworter: Die Wirtschaft brauche die Fachkräfte. Ohne eingewanderte Fachkräfte verliere die Schweiz ihre Wettbewerbsfähigkeit. Wenn wir die demographische Lücke nicht füllen, gerate unsere Altersvorsorge in Schieflage. Dass uns die Einwanderung nicht schadet, beweise die Tatsache, dass das Bruttoinlandprodukt (BIP) pro Kopf weiterhin jährlich um annähernd ein Prozent steige.
Doch der Begriff «Bruttoinlandprodukt» ist eine blosse Worthülse. Wir müssen schon genauer hinsehen, was da gewachsen ist. Tun wir das, fällt auf, dass wir einen immer grösseren Teil des BIP dafür verwenden müssen, die Folgen der Einwanderung zu bewältigen. Rechnen wir: Jährlich wandern 80’000 bis 100’000 Personen in die Schweiz ein. Wenn jede(r) von den 100’000 auch nur 30 Quadratmeter Wohnraum (der nationale Durchschnitt liegt bei 48) zu je 5000 Franken Baukosten beansprucht, sind das schon mal 15 Milliarden oder fast zwei BIP-Prozent.
Doch diese Leute müssen ihre Wohnungen auch ausrüsten, einen Umzug finanzieren, ihre Arbeitsplätze müssen erst gebaut werden. Die Infrastruktur muss ausgebaut werden. Alles in allem dürften die Installationskosten Jahr für Jahr drei bis vier Prozent des BIPs absorbieren. Je grösser dieser Anteil, desto mehr schrumpft das für die einheimische Bevölkerung verfügbare BIP pro Kopf.
15 Prozent vom verfügbaren Einkommen weg
Doch noch weit schlimmer ist – aus der Sicht der Normalverdiener – der Umstand, dass das BIP auch zunehmend ungleich verteilt wird. So sind etwa die Arbeitseinkommen, die Löhne, seit 2000 mit 0,45 Prozent nur etwa halb so stark gestiegen wie das BIP. Wenn der Anteil der Löhne sinkt, steigt per Definition der Anteil der Kapitaleinkommen, wovon der Löwenanteil an das reichste Fünftel geht.
Noch viel wichtiger ist dies: Nicht zuletzt wegen der zunehmenden Einwanderung (vor allem von Reichen) ist das Bauland massiv teurer geworden. Allein in den zehn Jahren bis 2022 ist der Preis pro Quadratmeter Bauland in der Stadt Zürich von 2500 auf 7600 Franken gestiegen. Das hat Folgen: In Ballungsgebieten beansprucht eine Wohnung von 100 Quadratmetern Wohnfläche in etwa ebenso viel Bauland. Die Einwanderung hat somit eine durchschnittliche neue Wohnung in der Stadt Zürich um rund 500’000 Franken verteuert.
Umgerechnet auf die Miete (mit 1,75 Prozent Hypothekarzins auf 200’000 Franken und den erlaubten 3,75 Prozent Eigenkapital-Rendite auf den restlichen 100’000 Franken) ergibt das monatliche, einwanderungsbedinge Mehrkosten von rund 1000 Franken. Das sind fast 15 Prozent des verfügbaren Eikommens eines durchschnittlichen Haushaltes.
Einwanderungsgebühr? – Private kassieren sie längst
Auf der anderen Seite ist die Einwanderung für die Bodenbesitzer ein nie versiegendes Füllhorn. Kauft ein gut bezahlter Expat eine standesgemässe Wohnung, geht schnell einmal eine Million Franken an den Bodenbesitzer. Mietet er die Wohnung, zahlt er eine monatliche Bodenbenutzungsgebühr von rund 2000 Franken. Die von Beat Jans geforderte Einwanderungsgebühr wird also bereits erhoben. Aber nicht vom Staat, sondern von den privaten Bodenbesitzern – und erst noch in einem viel grösseren Ausmass, als Jans je vorzuschlagen gewagt hätte.
Zugegeben: Wir wissen nicht, wie sich die Wirtschaft ohne Einwanderung oder mit einer strikten Beschränkung entwickelt hätte. Mag sein, dass unsere Wettbewerbsfähigkeit tatsächlich stark gelitten hätte. Das ändert aber nichts daran, dass die Einwanderung für den durchschnittlichen Einwohner – entgegen der offiziellen Meinung – mit sehr hohem Kosten verbunden ist. Daraus folgt, dass es sich lohnt, ernsthaft über Alternativen nachzudenken und das Problem erst einmal gründlich neu zu überdenken.
Demografische Lücke – Länder sind keine Firmen
Das Grundübel ist die demografische Lücke. Weil zu wenige Kinder geboren werden, nimmt die Zahl der 20 bis 65 Jahre alten Erwerbstätigen – nach den Berechnungen der Economiesuisse – bis 2035 um 297’000 Vollbeschäftigte ab. Damit das Einkommen pro Kopf weiterhin um die gewohnten rund ein Prozent steigt, brauchen wir – laut Economiesuisse 163’000 Vollzeitstellen mehr. Das ergibt einen zusätzlichen Bedarf von 460’000 Leuten, wovon – immer laut Economiesuisse – maximal 148’000 dank der besseren Ausschöpfung des einheimischen Potentials genützt werden können (etwa durch mehr Kitas). Bleibt ein Einwanderungsbedarf von 312’000 Vollzeitstellen. Weil auf jede Vollzeitstelle etwa zwei Einwanderer entfallen, entspricht dies einer Arbeits-Immigration von gut 600’000 Menschen – eine Zahl, die in der Studie nicht erwähnt wird.
Die Studie ist typisch für die Art, wie wir über dieses Problem denken – nämlich rein betriebswirtschaftlich. Die Fragestellung ist: Wie viele müssen rein, damit alles weitergeht wie bisher? Würde man hingegen die Frage stellen, warum denn so wenige Kinder geboren werden, käme man nicht um die Erkenntnis herum, dass die Einwanderung und der dadurch verursachte Anstieg der Bodenpreise zumindest eine wichtige Ursache ist.
Doch darüber wird kaum diskutiert. Warum? Die Linke will nicht in den Verdacht der Fremdenfeindlichkeit geraten. In bürgerlichen Kreisen gilt die Kritik an den hohen Bodenpreisen also sozialistisches Gedankengut. Tatsche ist aber, dass Kinder angesichts der heutigen Mieten für Normalverdiener ein Armutsrisiko sind. Und wenn sich Doppelverdiener dennoch ein Kind oder zwei leisten, zahlen sie für einen Krippenplatz rund 130 Franken pro Tag.
Jeder Einwanderer zieht sechs andere nach
Doch was heisst überhaupt «demografische Lücke» oder «ungedeckter Arbeitskräftebedarf»? Dahinter steckt die Idee, dass wir – aktuell rund neun Millionen – Einwohner zu wenig Arbeit leisten, um die Bedürfnisse dieser neun Millionen Einwohner zu decken. Ergo müssen wir – siehe oben – rund 300’000 Arbeitskräfte mit ihren 300’000 Angehörigen «importieren». Doch danach müssen 9,6 Millionen die Bedürfnisse von 9,6 Millionen decken. Sind wir damit besser dran?
Das Gegenteil trifft zu. Die zusätzlichen Arbeitskräfte müssen ja erst einmal in der Schweiz installiert werden, im Klartext: Sie beanspruchen die Arbeit von anderen, bevor sie anfangen, selbst produktiv zu sein. Im Schnitt braucht jede Vollzeitstelle einen Kapitalstock (Bauten, Maschinen, Fahrzeuge, Elektrogeräte) im Wert von rund 500’000 Franken. Das sind rund sechs Mannjahre Arbeit. Die Netto-Einwanderung schafft sich ihren Bedarf selbst. Das ist auch einer der Gründe, warum es uns nicht gelingt, die Einwanderung so zu steuern, dass die Gesamtbevölkerung konstant bleibt. Dann müsste auch der Kapitalstock nicht ausgebaut werden. Die Einwanderung schafft ihren Einwanderungsbedarf selbst.
Richtig ist allerdings, dass die Einwanderung den Anteil der aktiven Bevölkerung erhöht und damit die Alterslast senkt: 1970 entfielen auf 100 Aktive noch 20 Rentner. Inzwischen liegt diese Zahl bei 33 und bis 2050 soll sie gar auf 48 steigen. Diese Entwicklung wird durch die Einwanderung gebremst. Doch volkswirtschaftlich gesehen ist die «Alterslast» kein grosses Problem: Erstens haben wir trotz der aktuell hohen Alterslast und den damit verbundenen Ausgaben einen deutlichen Leistungsbilanzüberschuss. Im Klartext: Wir brauchen den Konsum der Alten, damit die Jungen genug Arbeit haben.
Die «Alterslast» wog einst noch viel schwerer
Zweitens: In den 1960er Jahren war es noch durchaus üblich, mit einer Vollzeitstelle eine 5-köpfige Familie plus (volkswirtschaftlich gesehen) 0,2 Rentner über die Runden zu bringen. Auf eine Arbeitskraft entfielen somit 5,2 Kostgänger. Inzwischen hat sich aber die Produktivität pro Arbeitsstunde verdoppelt. Aus einer Arbeitskraft sind deren zwei geworden. Die Zahl der Kinder pro Familie ist auf 1,5 gesunken.
Selbst wenn pro Arbeitskraft noch ein halber Rentner dazukommt und wenn wir diesen doppelt so stark gewichten wie ein Kind, entfallen auf eine Arbeitskraft nur 3,5 Kostgänger – deutlich weniger als damals. Zudem könnten wir das Problem – falls es denn eines wird – locker durch ein höheres Rentenalter lösen, statt dadurch, dass wir unseren Nachbarländern die Arbeitskräfte abspenstig machen – und damit das Problem der Überalterung auf andere abschieben.
Und da gibt es noch ein gröberes Problem: Mit jeder gut bezahlten Fachkraft, die die Personalabteilungen unserer Exportindustrien im Ausland abwerben, kommen auch noch ein paar schlecht bezahlte Dienstleister wie Bodenleger, Maurer oder Nannys in die Schweiz. Sie sind sich ein karges Leben gewohnt und geben sich mit wenig Lohn zufrieden.
Doch damit machen sie diese Berufe für die Einheimischen, die versuchen, das gewohnte, für schweizerische Verhältnisse normale Konsumniveau zu halten, unattraktiv. Darüber hinaus verdrängen sie die Eingesessenen aus ihren Quartieren. Die Konkurrenz um die Stellen wird durch eine harte Konkurrenz um die verbleibenden, noch erschwinglichen Wohnungen verschärft.
So viel zur These, dass die Einwanderung letztlich allen nützt. Doch wie setzen wir diese Erkenntnisse, Einwände und Fragezeichen in konkrete Politik um? Mehr dazu nächste Woche.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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