Sprachlupe: Wenn Wörter auf Abwege geraten
Hinfort richtige Verwendung der Wörter! Die angestammte Bedeutung zu meinen, ist völlig lässlich. Anfangs Jahrhundert machte man es noch, aber seither wird immer öfters schwadroniert. Fast scheint es, das Epizentrum dieser Erscheinung liege in den Gazetten, aber wir wollen die ja nicht diskriminieren. Ruchbaren Sprachgebrauch erlauben sich schliesslich auch andere Prinzen der Dunkelheit. Gern sitzen sie im Fonds hinter getönten Scheiben, wenn sie sich etwa zum Währungsfond chauffieren lassen. Genau so hielt es auch Ex-Präsident Bush, als er den unbotmässigen Befehl zum Angriff auf Irak gab. Er bedachte kaum, dass die Heimatfront die Sollbruchstelle jedes Kriegs ist. Höchste Zeit also, den Wortgebrauch nicht mehr zu regulieren, sondern zu regulieren.
Spätestens beim letzten Satz, hoffentlich aber schon viel früher haben Sie bemerkt, dass bei dieser krausen Geschichte allerhand klemmt; inhaltlich sowieso, aber auch sprachlich, und das in jedem einzelnen Satz. Für jede der zumindest eigenwilligen Wortverwendungen finden sich Beispiele aus Zeitungen, oft zuhauf. Da die Dudenredaktion nicht (mehr) die Aufgabe hat, die deutsche Sprache zu regulieren, nimmt sie mit der Zeit auf, was sich im öffentlichen Sprachgebrauch verändert hat – sie regularisiert es also gewissermassen. Wenn aber die Fremdenpolizei einem Sans-Papiers Papiere ausstellt, also seinen zuvor irregulären Aufenthalt regularisiert, nennt sie das auch regulieren – vorerst noch ohne Dudens Segen.
Anfangs Jahr und immer öfters
«Anfangs» mit einer Zeitangabe ist im Duden erst online verzeichnet, mit dem Zusatz «nicht standardsprachlich»; nach Rechtschreibung müsste «Anfang Jahrhundert» stehen. Die Steigerungsform von «oft» lautet «öfter» ohne s; «öfters» ist nur in der Bedeutung «recht oft» und nur regional gebräuchlich, so in der Schweiz. Bei einem Erdbeben weiss man, dass sein Herd in der Tiefe liegt, und genau darüber ist das am meisten betroffene Epizentrum. Dieses Wort wird im übertragenen Sinn so gedankenlos und häufig gebraucht, dass niemand mehr nach einem tief darunter liegenden, eigentlichen Zentrum sucht. Wer braucht das schon, «Epi-» tönt doch viel wichtiger, und wer es so oberflächlich braucht, kann sich sogar auf den Online-Duden berufen.
Ebenso, wer für «verunglimpfen» nicht das präzise «diskreditieren» verwendet, sondern das ominöse «diskriminieren». Letzteres tönt so schlimm, wie es wirklich ist, wenn es schlechtere Behandlung bezeichnet, etwa wegen des Geschlechts oder der Herkunft. Das ist keine lässliche Sünde, also keine verzeihliche. In letzter Zeit ist mir «lässlich» aber im unzutreffenden Sinn von «entbehrlich» begegnet.
Regierender Ex-Präsident
Weitere solche Beispiele, ebenfalls noch ohne Duden-Absolution: «hinfort» nicht als Zeitangabe «von jetzt an», sondern als Aufforderung «hinweg»; «ruchbar» nicht als «bekannt (geworden)», sondern als «anrüchig»; «unbotmässig» nicht als «ungehorsam», sondern als «ungebührlich»; «Sollbruchstelle» nicht als absichtlich eingebauter Schwachpunkt, damit nichts Schlimmeres bricht, sondern als unbeabsichtigter. Hinterher haben die Propheten den Bruch natürlich kommen sehen.
Viele «Prinzen» sind keine Königskinder und auch keine «nicht regierenden Mitglieder von regierenden Fürstenhäusern» (duden.de), sondern sie tragen auf Französisch oder Englisch den Adelstitel «prince» – zu Deutsch «Fürst». Wird ein Teufel oder Vampir «prince of darkness» genannt, so ist’s der Fürst der Finsternis. Im Satz mit «Fonds» und «Fond» müssen die beiden Wörter vertauscht werden. Als Bush zum Angriff blies, war er nicht «Ex-», sondern einfach Präsident oder «der damalige», wenn man Wert auf die Feststellung legt, dass er es nicht mehr ist. Selbst wenn der eine oder andere der genannten Fehlgriffe auch noch den Weg ins Wörterbuch findet: Es bleibt ein Merkmal treffenden Stils, Wörter möglichst präzis zu verwenden, statt in schier beliebig abgewandelter Bedeutung.
— Zum Infosperber-Dossier «Sprachlupe»
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Der Autor war Redaktor beim «Sprachspiegel» und zuvor beim Berner «Bund» . Dort schreibt er die Kolumne «Sprachlupe», die auch auf Infosperber zu lesen ist. Er betreibt die Website Sprachlust.ch.
Wenn Wörter nur durch fahrlässigen Gebrauch auf Abwege gerieten, ist es schlimm genug.
So richtig übel wird es, wenn Wörter und Sprache vorsätzlich missbraucht werden und subtil mit neuen arglistig täuschenden Bedeutungsrahmen für das unbedarfte Publikum versehen werden.
Eben wurde mir in den SRF 2 Kultur- Nachrichten mitgeteilt, der neue griechische Staatschef bemühe sich um die Digitalisierung dieses Staates.