Sprachlupe: Weltläufigkeit in the hinterland
Ein Trip ins Ausland wird schwierig – aber wenn Sie internationale Sprachluft schnuppern wollen, geht das easy: Halten Sie Augen und Ohren offen, und Sie vernehmen asap mit Englisch gespicktes Deutsch. Ich meine nun nicht die – zuweilen nützlichen – Fremdwörter, die allmählich heimisch werden, sondern original englische Fetzen, die in den Sprachfluss geworfen werden. Dies nicht nur mündlich, sondern auch geschrieben, wie in folgenden Beispielen, die alle aus hiesigen Medien stammen. Da soll ein Politiker über den «‹krassesten Abstimmungskampf› ever» geredet haben. Da im Bericht «ever» nicht in Anführungszeichen stand, dürfen wir vermuten, er habe «je» oder «bisher» gesagt und der englische Splitter sei ihm nur unterschoben worden. Also wird der Mann von uns auch nicht «geshitstormt». Aber vielleicht von andern, denn schon droht der nächste krasse Abstimmungskampf, weil das Covid-Gesetz erneut geändert wird: «Here we go again», schloss der Bericht über den «krassesten». Ein ganzer englischer Satz musste her, denn «schon geht’s wieder los» wäre nicht originell genug. Weil: «In der Schweiz herrscht Beef», und das muss etwas anderes sein als «dicke Luft». Nämlich die internationale Ausgabe davon, aber mit einem «Swiss finish», der den englischen Sprachgebrauch verkennt: Dort kann dieses «beef» nicht «herrschen», sondern man hat es mit dem Kontrahenten, mit dem man im Zoff liegt.
Kitsch und Klatsch auf Wanderschaft
Als gelehriger Leser könnte man sagen, so mit Englischbrocken um sich zu schmeissen, sei «outright Kitsch» – wie es in einer Filmbesprechung über gewisse Szenen hiess. Vielleicht wurde sogar «Kitsch» aus dem Englischen geholt, wo es ein gängiges Fremdwort ist. Ähnlich könnte es schon «Pasta» ergangen sein, nämlich dass wir die heute geläufige Bezeichnung für Teigwaren dem Italienischen nicht direkt verdanken, sondern mit dem Umweg über Amerika. Auch «Klatsch» kommt dort vor, vor allem als «coffee klatch». Man könnte dieses Wort ebenfalls zurückholen, statt (bei einem anderen Film) von einem «gossipigen Newsletter» zu schwadronieren. Das Fremdwort für «regelmässig zu beziehende elektronische Post» (Duden) hat sich praktischerweise etabliert, aber das ist noch kein Grund dafür, dass jemand «auf eine News zu sprechen kommt». Gemeint war eine ganz alltägliche Nachricht. Von zweifelhaftem Geschmack zeugt es ebenso, wenn jemand «gepickelte Kohlrabi» auftischt. Da es in der Zeitung geschah und nicht bei Tisch, wissen wir nicht, ob das harte Gemüse durch Einlegen oder mit einem Pickel geniessbar gemacht wurde. An eine weitere Bedeutung von «Pickel» wollen wir gar nicht denken, kulinarisches Stichwort: Mitesser.
Rückwirkend Weltsprache geworden
Nicht nur beim Essen kann so ein Einsprengsel den Genuss trüben; auch beim Theaterbesuch ist man nicht davor gefeit. Da war im Programmheft mitten in einem deutschen Satz vom «Spanish Empire» als Auftakt des europäischen Kolonialismus die Rede – was sogar dann blöd wäre, wenn sich Englisch gleich nach den Entdeckungsreisen des Kolumbus globalisiert hätte. Heute indessen ist es gang und gäbe, dass uns von einer «People’s Party» oder einer «Liberation Front» aus irgendeinem Weltwinkel berichtet wird, wo Englisch keine Landessprache ist. Die Volkspartei oder Befreiungsfront mag eine englische Website haben oder eine angelsächsische Presseagentur hat ihre Mitteilungen weiterverbreitet, da spart man sich gern die Mühe der Übersetzung. Als im Reich Karls V. «die Sonne nie unterging», wäre man aber mit Englisch nicht weit gekommen: Wer damals bei Gebildeten weitherum verstanden werden oder selber mit Bildung protzen wollte, griff zum Latein: «Imperium Hispanicum» – auch wenn es offiziell nicht so hiess.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Allein der Begriff ‹boostern› ist Grund, das, was damit gemeint ist, zu verweigern. Am schlimmsten aber sind Worte, die buchstabengetreu aus dem Latein stammen, aber englisch benutzt werden, z.B. ’sex› oder ‹digital›. Digitale Medien gibt es, seit die Phönizier das Buchstabenalphabet erfunden haben, denn selbstverständlich sind Buchstabenalphabete digitale Codierungen. ‹Digitalisierung› ist eines der dämlichsten eingedeutschten Worte ‹ever›.
An jene, die meinen, der Gebrauch von Englisch hierzulande sei Ausdruck von Weltläufigkeit: Ich glaube, es war Max Frisch, der einmal sagte, dieser Englisch-Gebrauch sei vielmehr ein Zeichen der Provinzialität. Recht hatte er. Man könnte auch sagen: Wir sind leider zunehmend kolonialisiert durch den angelsächsischen Sprachraum. Neu ist das zwar nicht. Ich erinnere mich an eine Reklame für ein Shampoo im Deutschland der Siebzigerjahre: Sie versprach, es wirke gut gegen «die Fetties».
«gepickelte Kohlrabi» tops it, definitely! Viellicht kommt diese Speise aus dem Bergwerk? I mean, the mine? Irritierend finde ich auch, dass Filme nun alle einen englischen Titel haben müssen, wenn sie in der Schweiz gezeigt werden. «The Doll» ist beispielsweise ein Film aus Korea.
Great, Herr Goldstein, oder zu deutsch: grossartig,
England ist, today, eine einsame Insel im Atlantik, kein Mitglied der EU mehr. Warum wollen alle die sich «weltläufig» geben wollen, mit schlecht gelerntem English zieren, muss wohl historische Gründe haben. Aus der Zeit, wo GB und das Commonwealth noch eine fast Weltmacht waren.
Danke Her Goldstein für ihre interessanten und auch lehrrreichen Artikel. Als sprachlich eher ungebildeter Mensch schätze ich ihre Artikel hier im Infosperber immer wieder, besonders seit sie in der Zeitung Bund wegrationalisiert wurden.
Noch schlimmer ist, dass Medien wie 20Minuten ihre Artikel ins Englische übersetzen und kürzlich verraten haben wie: automatisiert mit einer Software. Zitat: «Diese Übersetzung ist nicht perfekt.»
Ist es das, was Botschafter:innen wie Eamon Hickey, Martin Naville, Ifat Reshef und Jane Owen im Sinn hatten, als sie die englische Version der 20Minuten kürzlich in einem eigens dafür aufgemachten Artikel emphatisch begrüsst haben?