Sprachlupe: Mit Buchstaben Schwarz oder weiss malen

Daniel Goldstein /  Nach den Gendersternen die Rassismusbuchstaben: Sie sollen sichtbar machen, wo weisse Leute Schwarze Leute diskriminieren.

«Als Schwarze Sängerin sehe ich schon noch einiges, das nicht gut ist», sagte die Mezzosopranistin Katia Ledoux über – trotz Besserung – verbleibende Diskriminierungen in der Opernwelt. Und die Tamedia-Journalistin präzisierte: «Das ‹Schwarz› formuliert sie mit grossem S, als Ausdruck einer politischen Haltung, mit der sie sich auch für die Black Opera Alliance engagiert.» Diese Allianz wolle «Gleichberechtigung von People of Color in allen Bereichen des Opernbetriebs». Nach einer Zusammenstellung im Magazin von Amnesty International sind sowohl das grossgeschriebene «Schwarz» als auch «People of Color (PoC)» Selbstbeschreibungen von «Menschen, die von Rassismus betroffen sind».

Als Gegenbegriff wird gemäss Amnesty weiss verwendet, kursiv und kleingeschrieben: «keine biologische Eigenschaft, sondern eine politische und soziale Position, die mit Privilegien und Dominanz verbunden ist». Einfacher formuliert es das Netzwerk Black She in seinem Glossar: «Als weisse Menschen bezeichnen wir jene, die nicht von Rassismus betroffen sind.» Anders als Schwarz oder PoC ist demnach weiss keine Selbstbeschreibung, sondern eine Fremdbeschreibung durch Menschen, die sich nicht so sehen. Im landläufigen Sinn weisse Hautfarbe schützt aber durchaus nicht immer vor rassistischer Diskriminierung – das wissen zum Beispiel Juden nur allzu gut.

Sind Rassisten immer weiss?

Mit Hautfarbe hat all das nur insofern zu tun, als Leute, die andere diskriminieren, dies unter anderem eben wegen der Pigmentierung tun: Sie «rassifizieren» sie, wie die Netzwerk-Aktivistin Rahel El-Maawi in einer «Sprachlupe» schon einmal zitiert wurde. Im Black-She-Glossar heisst es dazu: «Rassifizierung … bezeichnet einen Prozess und eine Struktur, in denen Menschen nach rassistischen Merkmalen (Aussehen, Lebensformen oder imaginäre Merkmale) kategorisiert, stereotypisiert und hierarchisiert werden.» Das würde auch auf jene weissen Menschen zutreffen, die andere diskriminieren; El-Maawi nennt indessen im zitierten Text nur jene rassifiziert, die «struktureller, institutioneller und individueller rassistischer Gewalt ausgesetzt» sind.

Man sieht: Es wird kompliziert – wie immer, wenn es um Identitäten geht, denn das sind «konstruierte Kategorien, die reale Effekte haben». Was im Glossar über Rassifizierung steht, gilt auch für alle andern Kategorien, denen Menschen sich selber zuteilen oder von anderen zugeteilt werden. Eine zusätzliche Komplika­tion: Nicht alle, die von Aktivisten einer bestimmten Selbst­beschreibung zugeordnet werden, sehen das selber so. Das gilt auch für Fremdzuschreibungen: Man kann z. B. weiss, weiss oder «weiss» sein, ohne das als Teil der eigenen Identität anzusehen.

«Korrekt» reden, aber nicht denken

Mit den Schreibweisen auszudrücken, wie ein bestimmter Ausdruck gemeint ist, trägt nur dann zur Klärung bei, wenn die Definition gleich mitgeliefert wird. Der Versuch, mit typografischen Besonderheiten den allgemeinen Sprachgebrauch anzureichern, übergeht Regeln und überlädt das Fuder. Sogar wenn die Sprachregelung verstanden wird, ist die beabsichtigte erzieherische Wirkung fraglich: «Man kann auch jemandem korrekt sagen, er sei eine Schwarze Person, und es im Ton doch abwertend meinen», gab die dunkelhäutige Bündner Gemeindepräsidentin Gabriella Binkert der «SonntagsZeitung» zu bedenken.

Bevor man einen anerkennenden, neutralen oder abwertenden Ton in «Schwarze Person» legt, müsste man freilich wissen, wie man das grosse S überhaupt ausspricht. Eine Anleitung habe ich noch nicht gefunden. Soll man «Sch» länger als üblich ausdehnen oder es stimmhaft summen, ähnlich wie im französischen «Jules» und «George»? Die Sängerin Ledoux verfügt sicher über eine passende Intonation, aber vermutlich hat sie einfach nachgeschoben, sie meine das S gross. Und wie sagt man «weisse Person»? Statt den Mund schrägzuziehen, liest man besser «Einblick: Rassismus in Lehrmitteln». Diese Broschüre zeigt – nebst der eigenwilligen Schreibweise – bedenkliches Schulmaterial.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Der Autor war Redaktor beim «Sprachspiegel» und zuvor beim Berner «Bund». Dort schreibt er die Kolumne «Sprachlupe», die auch auf Infosperber zu lesen ist. Er betreibt die Website Sprachlust.ch.
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

Portrait_Daniel_Goldstein_2016

Sprachlupe: Alle Beiträge

Daniel Goldstein zeigt, wie Worte provozieren, irreführen, verharmlosen – oder unbedacht verwendet werden.

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.

5 Meinungen

  • am 17.07.2021 um 12:36 Uhr
    Permalink

    Neulich habe ich einen Jugendlichen gesehen, ob jetzt schwarz oder Schwarz oder kaffeebraun kann ich nicht so genau sagen, er wirkte zumindest sympatisch.
    Auf seinem schwarzen T-Shirt stand in weiss und kursiv «black squad» (Schwarze Einheit, milit. Jargon).
    Nach den gendergerechten Sprachkundlern ist das eine Fremdzuschreibung (kursiv), die er offenbar selbst gewählt (angezogen) hat (unbewusste Unterdrückung?). Hat er jetzt einen Kollegen in der Schule (Annahme) mit einem invertierten T-Shirt mit dem Aufdruck «white squad», wer ist dann der Rassist und unterdrückt wen? Und wenn sie ihre Shirts tauschen, was dann?
    Oje oje, was für eine schwierige Welt. Wobei, sind Sternchen innen unsere grössten Probleme, dann leben wir wohl im Paradies.

    P.S. Ich lese die Sprachlupe immer wieder gern 🙂

  • am 17.07.2021 um 14:10 Uhr
    Permalink

    Ich bin Weiß, aber als diskriminierter Mann, Vater, kann ich gut Schwarz sein, eine Ansicht, die an sich sehr oft als weiß angesehen wird. Aber ich bin nicht schwarz. Aber vielleicht war mir der obige Artikel sowieso etwas zu schwerfällig, und hab ich es nur teilweise verstanden. Es gibt ein niederländisches Lied: «denk niet zwart-wit, denk in de kleur van je hart» (Denke nicht schwarz-weiß, denke in der Farbe deines Herzens).

  • Portrait_Josef_Hunkeler
    am 17.07.2021 um 15:50 Uhr
    Permalink

    Wie stehts mit roten und grünen ? Blaufahrer wird es ja wohl weiter geben.

  • am 19.07.2021 um 23:06 Uhr
    Permalink

    Wenn in der Opernwelt (aus dem 18./19. Jahrhundert) von Schwarz-Weissem Rassismus und von Diskriminierung gesprochen wird, wird es völlig ahistorisch, und alles gerät durcheinander. Hauptsache Weiss ist in dieser Logik rassistisch und männlich und Schwarz ist Opfer und weiblich!

  • am 29.08.2021 um 13:02 Uhr
    Permalink

    Herr Goldstein, Sie klammern die schlimmsten geschhichtlichen Ereignisse einfach aus, so wie weisse und Schwarze Menschen einfach immer etwas miteinander zu tun gehabt hätten, gleich auf gleich. Und dabei ist es doch eine himmeltraurige Tatsache, dass Millionen von Schwarzen aus ihrer Heimat verschleppt und das schlimmstmögliche Elendsleben unter den weissen Herren erlebt hatten. Und als dann die Sklaverei – theoretisch – beendet worden war, da eroberten die weissen Europäer – von Europa und Amerika aus – fast alle Länder, in welchen Schwarze Menschen lebten und betrachteten und behandelten sie als Untermenschen. So betrachtet, sieht doch das Problem mit dem S schon ein ganz klein wenig verschieden aus, nicht wahr mein Herr Sprachkenner!

Comments are closed.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...