Sprachlupe: Gutes Hochdeutsch nach Schweizerart
Die «Wortklauberei» um den Pausenplatz hat in der letzten «Sprachlupe» einen Kommentator gestört. Er braucht nicht weiterzulesen; an dieser Stelle nimmt man es nun einmal mit dem Wortgebrauch genau, besonders wenn es um schweizerische Gepflogenheiten geht. Ausgerechnet jetzt meldet mir die Google-Suche in der Monatsstatistik ein Spitzenresultat für einen alten Eintrag, in dem es ebenfalls um die Schule ging: «Ist uns Eckliges vergönnt?» Das war ein «Sprachhäppchen», 2008 für den Hausgebrauch beim «Bund» geschrieben und später im Kapitel «Wort dir, Helvetia!» auf meiner Website aufgeschaltet. Für den Gebrauch ausser Haus leicht angepasst, folgt nun der damalige Text.
Ist uns Eckliges vergönnt?
Es sei zwar «ecklig», aber nicht tragisch, wenn ein Kind zu Beginn Mühe habe. In diesem Satz aus einem Bericht zum Schuljahresbeginn verteidigte das Korrektorat das «ck» mit dem Argument, das berndeutsche ecklig bedeute etwas anderes als das hochdeutsche eklig, nämlich «sehr unangenehm» statt «widerlich». Stimmt – und wenn man «gruusig» auf Berndeutsch mit einem ekelerregenden Wort sagen will, bietet sich «eckuhaft» an. Im genannten Satz aber kann ecklig als Zitat in falsch geschriebenem Hochdeutsch missverstanden werden, zumal vor- und nachher rein hochdeutsche indirekte Rede steht.
Mundart müsste in einem Mischtext durch eigene Anführungszeichen kenntlich gemacht werden. Allerdings sähe «‹ecklig›» – als Zitat in doppelten Anführungszeichen und als Dialektwort obendrein in einfachen – blöd aus, geradezu eklig. Besser wäre es, das Zitierte durch weitere Wörter als schweizerdeutsch kenntlich zu machen. Steht das ganze Zitat im Dialekt, dann braucht das besondere Wort keine zusätzlichen Anführungszeichen. Beispiel: Die SVP dürfe nun ‹scho nes Schützli ecklig sy›.
Ecklig und eklig sind, da sie in der Bedeutung voneinander abweichen, sogenannte falsche Freunde. Ein anderer, besonders krasser Fall: Die Beziehung zu ihrem leiblichen Vater blieb ihr vergönnt. Da ist die schweizerdeutsche Bedeutung gemeint, hochdeutsch «missgönnt», fast genau das Gegenteil von «vergönnt». Ein falscher Freund könnte auch lavieren sein, hier in einem Interview: Wir hofften auf Unterstützung aus dem EDA, stiessen indessen nur auf Lavieren.
Der Duden kennt das Wort nur als Mal- und als Segeltechnik sowie für «sich mit Geschick durch Schwierigkeiten hindurchwinden». Bei uns muss man, wenn Geschick im Spiel ist, dies eigens erwähnen – sonst bedeutet lavieren eher: «sich ungeschickt oder unwillig vor Schwierigkeiten winden». Ich halte das aber nicht für einen falschen Freund im Schweizerdeutschen, der als Duden-widrig in einem Zeitungstext zu meiden oder zumindest in Anführungszeichen zu setzen wäre. Vielmehr ist es Schweizer Hochdeutsch, das vom Duden nur noch nicht bemerkt worden ist. Deshalb habe ich beim schweizerischen Dudenausschuss beantragt, der Dudenredaktion die «ungeschickte» Bedeutung vorzuschlagen, zur Aufnahme als Helvetismus.
Wie laviert der Duden?
So weit das auf 2008 zurückgehende «Sprachhäppchen». Im Duden hat meine damalige Eingabe nichts bewirkt. Dank neuen Recherchemitteln ist nun leicht festzustellen, dass auch in Deutschland «lavieren» oft für ungeschicktes, unentschlossenes, ja erfolgloses Verhalten verwendet wird. Das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache (DWDS) qualifiziert lavieren als «umgangssprachlich, abwertend». Belege dafür findet man in der rechten Spalte unter «Belege in Korpora». Dem Dudenausschuss schreibe ich nochmals. Es geht nun nicht mehr bloss darum, die abschätzige Verwendung als Helvetismus einzutragen, sondern sie ohne regionale Einschränkung aufzunehmen. Zwar wird lavieren gemäss der Verbreitungskarte im DWDS in der Schweiz besonders häufig verwendet, aber Einzelbelege zeigen, dass die negative Färbung keine helvetische Spezialität (mehr) ist.
Weiterführende Informationen
- Indexeintrag «Helvetismen/Hochdeutsch» in den «Sprachlupen»-Sammlungen: tiny.cc/lupen1 bzw. /lupen2, /lupen3.
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