Sprachlupe: Der Weg zur Hölle ist mit Erlebnissen gepflastert
Die Hölle hat den Teufel eingeholt. Geschieht ihm recht, könnte man meinen. Aber der deutschen Sprache geschieht es nicht recht, und um die geht es hier, genauer: um den fragenden Ausruf «was zum Teufel …?». Auf Englisch lautet diese Redewendung «what the hell …?». Die Entsprechung «was zur Hölle» hat nun eben mit «was zum Teufel» gleichgezogen, wenn man auf die Verwendung in den Medien abstellt – jedenfalls in jenen, die in der Schweizer Mediendatenbank (SMD) erfasst sind. Allerdings sind auch einige «was zur Hölle» dabei, die nicht dem fragenden, sondern dem wegwerfenden «what the hell» entsprechen: «Ist doch wurscht!»
Was zum Teufel geht hier vor? In einer der ersten «Sprachlupen» habe ich diese Erscheinung «Englisch im Deutschpelz» genannt. Oder, um Schopenhauers Empfehlung über «gewöhnliche Worte und (…) ungewöhnliche Dinge» abzuwandeln: Man braucht deutsche Wörter und sagt englische Dinge. 2010 waren es Dinge wie «sicherer Hafen» (statt Hort), «Risiko nehmen» (statt eingehen) oder «privates» (statt vertrauliches) Gespräch. «Was zur Hölle» aber war damals noch eine Rarität.
Sie personalisieren uns
Massenhaft bescheren uns heute Anbieter im Internet «Erfahrungen» aller Art und zeigen sich bestrebt, diese sogar zu verbessern, etwa indem sie Angaben über unsere bisherigen Besuche in Form von Cookies auf unserem Computer hinterlegen; wenigstens machen sie uns diese nicht als «Kekse» schmackhaft. Besonders fürsorglich gibt sich Microsoft und bietet Informationen darüber an, wie seine «Produkte und Dienste diese Daten verwenden, um Ihre Erfahrung zu personalisieren». Das tönt schon fast nach Gehirnwäsche, schliesslich ist die Persönlichkeit wesentlich durch Erfahrung geprägt. Greift die Firma dabei ein? Nicht so direkt: Hier wurde das englische «experience» übersetzt, das neben «Erfahrung» auch «Erlebnis» bedeuten kann.
Manche Anbieter haben das gemerkt und bieten uns «Erlebnisse» an, sei es im Internet oder in der realen Welt. Doch auch mit diesem Wort streichen sie uns Marketing-Brei um den Mund. Wird das Einkaufen als Erlebnis versüsst, so läuft man Gefahr, mehr auszugeben, als man wollte. Und wenn man auf einer Website etwas sucht, dann eher eine Information als ein Erlebnis im Labyrinth mit bunt-bewegten Ablenkungen. Wo Firmen uns fesseln wollen, gilt: «Macht ist der Name des Spiels.» Die Redensart «the name of the game is» bedeutet «es geht hier um»; sie ist aber eingedeutscht (noch) selten.
«Alte Schule» ist alte Schule
Auch das Umgekehrte kommt vor: Deutsch im Englischpelz, also Redensarten, die es (auch) auf Deutsch gibt, in englische Wörter gekleidet – aber nicht etwa in englischen Publikationen, sondern in eigentlich deutschsprachigen. So geschehen mit «old school», das anstelle von «alte Schule» aufkommt, auch wenn die deutsche Version immer noch etwa doppelt so häufig in der SMD auftritt. Es scheint auch eine Bedeutungsnuance zu geben: «old school» wird zuweilen missbilligend für etwas Veraltetes verwendet, während mit «alte Schule» in der Regel Anerkennung verbunden ist, für Gediegenes, wie man es kaum noch findet.
Die erste Sprachlupe zum «Deutschpelz» endete so: «‹Hier zum Bleiben› – sagt man denn das? Wart und sieh!». Inzwischen ist «here to stay» in abgewandelter Form recht geläufig geworden: «gekommen, um zu bleiben». «Wait and see» ist mir eingedeutscht noch nicht begegnet. Neulich jedoch: «Man kann den Kuchen nicht essen und gleichzeitig behalten.» Da es für unsere Redensart mit Fünfer und Weggli keine gute hochdeutsche Entsprechung gibt, bietet sich die englische Vorlage mit dem Cake durchaus an. Es gibt aber in unseren Landessprachen Französisch und Italienisch süffigere Versionen von zweierlei, das man nicht zugleich haben kann: die Butter und den Butterbatzen (und das Lächeln der Krämerin dazu) bzw. das volle Fass und die trunkene Ehegattin. Alles viel besser als Cake oder gar Cookie.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Der Autor war Redaktor beim «Sprachspiegel» und zuvor beim Berner «Bund». Dort schreibt er die Kolumne «Sprachlupe», die auch auf Infosperber zu lesen ist. Er betreibt die Website Sprachlust.ch.