Sprachlupe: Brauchst du einen Feind, schaffe dir ein Bild
Die Mittelchen zur Feindbildpflege reichen von primitiven in der Politpropaganda bis zu raffinierteren, die auch in redaktionellen Medienbeiträgen nicht selten sind. Als Königsdisziplin liesse sich da das vergiftete Kompliment nennen: Wird jemand mit dem Prädikat «Vorzeige-» beglückt, dann meistens, wenn das Image zumindest Kratzer bekommen hat. So geschehen beim weltoffenen «Vorzeige-Imam» in Bern, in dessen Moschee es Zwangsheiraten gegeben haben soll. Auch die Bezeichnung «Alphatier» erhält eher, wer mit seinem Ehrgeiz aneckt, als wer damit Beifall erntet. Wenn von einem «Bildungsbürger» die Rede ist, dann wird er kaum für sein gediegenes Wissen gelobt, sondern dafür angeprangert, dass er es zur Schau stellt.
Mit Etiketten pflastern
Damit sind wir unversehens beim Etikettieren angelangt. So bezeichnete eine Vertreterin des Berner Nachtlebens Kritiker als «Lärmnörgler» und konnte das Wort ohne Anführungszeichen auf einer Frontseite lesen; im Blattinnern waren es dann rundum korrekte «Lärmklagende». Die Stadtregierung, deren «Wahlklientel» angeblich eine «Wohlfühloase» will und bekommt, hat nun das Dilemma, auf welche Seite sie stärker hören soll. Hat man eine feindtaugliche Etikette gefunden, kann man sie durch Verallgemeinerung aufwerten: «Einfach einmal seinen inneren alten weissen Mann channeln und stumpf Sachen behaupten», schrieb eine Kolumnistin. Sie meinte damit «Bullshit erzählen», etwa die Klimaerwärmung oder die Existenz von Transsexuellen leugnen.
Während die als Feststellung getarnte Unterstellung eher zu den primitiven Methoden gehört, ist die offene Unterstellung etwas für Geniesser des Genres. Etwa so: «Man kann sich vorstellen, wie Wladimir Putin sarkastisch lächelnd im Kreml sitzt» – wegen der Verurteilung einer US-Sportlerin, die als Pfand für einen Gefangenenaustausch dienen sollte. Ähnlich einfallsreich steht im Bericht über einen argentinischen Populisten: «Slogans wie ‹Die Kaste hat Angst› oder ‹Alle sollen abhauen› könnte man sich auch gut bei Trump vorstellen.»
In den Eintopf hämmern
Wäre dies eine Hitparade, kämen wir nun zu den «bottom five» der Top Ten (gross- und ohne Anführungszeichen geschrieben, weil laut duden.de deutsch, wenn auch «Jargon»). Als unterste Schublade dient dabei praktischerweise der Briefkasten bzw. das Altpapier, denn da landete kürzlich eine zeitungsförmige Wahlpropaganda. Und noch praktischer: Alle fünf Methoden waren nur schon auf einer einzigen Seite vereint. Da war das Einhämmern: fünfmal «links-grün», dazu noch x-mal auf den restlichen 15 Seiten. Dann der Eintopf, in den man alles wirft: «links-grüne Verkehrspolitik und ihre Klima-Kleber».
Weiter das Übertreiben: «Links-grüne Gender-Ideologen wollen flächendeckend für viel Geld die Strassenschilder mit sog. gendergerechten Schildern ersetzen.» Die Formulierung ist vorbildlich unwiderlegbar: Es werden sich schon zwei fremdernannte Ideologen (er)finden lassen, die dem Genfer Beispiel gesamtschweizerisch folgen wollen. Da ist’s nicht mehr weit zum Pathologisieren, denn hinter dem «Gender-Unsinn» steckt «Gender-Wahn», und zuvorderst in diesem SVP-Extrablatt begegnet uns schon der «links-grüne Verbotswahnsinn». Auf der zuvor zitierten Musterseite 7 folgt doch noch etwas Raffinierteres: die Retourkutsche. So quasi nach dem Motto: Feindbilder pflegen – wer tut denn so was? Natürlich die Gegenseite, sie schröpft und schikaniert das «Feindbild Autofahrer».
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Er wird als alter weisser Mann «gelesen» (wahrgenommen).
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Feindbilder sind verführerisch. Früher waren es die Kommunisten, heute ist es Putin, oder auch Trump. Die woken, gendernden Links-Grünen, oder die böse SVP. Feindbilder sind Propaganda, aber sie sind sehr verführerisch.