Sprache: Miau, gibt’s da einen Code zum Knacken?

Daniel Goldstein /  Wer ein Haustier hat, glaubt oft, dieses verstehe ihn – und umgekehrt. Eine Forscherin will mit Katzen herausfinden, wie das geht.

Wenn vom schwarzen Buchumschlag zwei gelbe Katzenaugen stechen und der Titel «Die geheime Sprache der Katzen» lautet, dann freuen sich Katzenfans. Zu ihnen zählt sich die Autorin Susanne Schötz selber, als «kattatant» in ihrer schwedischen Muttersprache. Eine Katzennärrin mag hoffen, die Geheimsprache mit diesem Buch lernen zu können. Wer die Passion nicht teilt, wird sich wohl eher skeptisch fragen, ob die Phonetik-Professorin Schötz wirklich «den Katzencode knackt», und das obendrein «zum ersten Mal», wie es der Klappentext verheisst. Der Umschlag entspricht indessen weniger dem Buch als dem Ecowin-Verlag, der zum tierisch-energischen Salzburger «Red Bull Media House» gehört.

Mit den Tieren konnte sich bekanntlich schon Franz von Assisi unterhalten, und bereits in der Antike mag Äsop die Inspiration zu seinen Fabeln auch aus animalischen Konversationen geschöpft haben. Schötz aber, an der Universität Lund mit menschlichen Lauten befasst, geht der Phonetik in ihrem vielkätzigen Haushalt ebenfalls mit wissenschaftlicher Akribie nach – und bemüht sich erfolgreich, für menschliche und tierische Laien verständlich zu bleiben. Was sie beschreibt, sind akustische, situationsbedingte Formen der Kommunikation, nebenbei auch gestische und geruchliche. Schon auf Seite 9 (von 256) enttäuscht sie die Hoffnung auf ein «‹Kätzisch›-Wörterbuch»: die Katzensprache bleibe «in diesem Sinne geheim».

Der Ton macht die Miausik

Was die Autorin auch ohne Wörterbuch aus den vielfältigen Katzenlauten herausliest, bleibt erstaunlich und steht unter Kapiteltiteln wie «Brrrrh, wie schön dich zu sehen!». Derlei «Übersetzungen» darf man eben nicht wörtlich nehmen, denn Katzen «verfügen nicht über ganze Wörter, geschweige denn Sätze, haben also auch keine Grammatik». Sie können aber ihre Verlautbarungen dem Gegenüber anpassen und auf menschliche Äusserungen reagieren – wobei es ebenfalls auf Ton und Situation ankommt, kaum auf Wörter. Die Melodik steht denn auch im Zentrum der weiteren Forschung. Diese lässt sich auf Englisch und mit kätzischen Tonbeispielen auf der Website Meowsic.info verfolgen; den Namen kann man mit «Miausik» übersetzen.

Für den Umgang mit Katzen gibt Schötz viele nützliche Tipps; das Buch ist auch mit Tabellen und Glossar gut für den praktischen Gebrauch eingerichtet. Die Schwedin hat es – mutig und mit Hilfe – auf Deutsch geschrieben, was ihr klar und flüssig gelungen ist. Die vielen Tippfehler, die der Verlag durchgelassen hat, lassen vermuten, dass dort zu viel (oder zu wenig) des Hausgetränks konsumiert wird.

Sag mir, wie du denkst

Wir wissen nicht, ob eine Katze Selbstgespräche führen kann, oder anders gesagt: ob sie oder sonst ein Tier sich Abfolgen von lautlichen (oder anderswie kommunikativen) Symbolen vorstellt, um nachzudenken. Dass höhere Tiere eine Vorstellung von ihrer Umwelt, von sich selber und von ihren Handlungsmöglichkeiten haben, steht nach zahlreichen Forschungsergebnissen ausser Zweifel. Die Zeiten sind längst vorbei, da man Menschen für die einzigen Lebewesen hielt, die nicht nur von Instinkten getrieben sind.

Auch der Gebrauch von Werkzeug hat als menschliches Alleinstellungsmerkmal ausgedient, ebenso die Kultur im Sinn der Weitergabe erlernter Fähigkeiten an Nachkommen: Das ist bei Menschenaffen ebenfalls beobachtet worden. Solche, die in Gemeinschaft mit Menschen aufwuchsen, haben auch schon ein beachtliches Repertoire an Gebärdensprache gelernt. Aber denken sie auch damit, oder ist Sprache als Werkzeug des Denkens und der Kommunikation über Dinge, Handlungen und Gedanken wirklich jenes Merkmal, das uns Menschen als Einzige auszeichnet? Mir scheint es so, aber für eine wissenschaftliche Antwort ist wohl noch viel mehr Forschung über «geheime» Tiersprachen wie auch über menschliches Denken und Sprechen nötig.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Daniel Goldstein ist Redaktor der Zeitschrift «Sprachspiegel» und schreibt für die Zeitung «Der Bund» die Kolumne «Sprachlupe», die auch auf Infosperber zu lesen ist. Er betreibt die Website Sprachlust.ch.

Zum Infosperber-Dossier:

Portrait_Daniel_Goldstein_2016

Sprachlupe: Alle Beiträge

Daniel Goldstein zeigt, wie Worte provozieren, irreführen, verharmlosen – oder unbedacht verwendet werden.

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Eine Meinung zu

  • am 16.12.2017 um 13:46 Uhr
    Permalink

    "Miau» ist für Katzen Babysprache. Sie verwenden es nur gegenüber Menschen, weil sie diese nicht für vollwertige Katzen halten. Zu Recht.

    MfG
    Werner T. Meyer

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