Keine Ferien von der Welt oder Bündner Gendereien
28. Juli 2016
Die Selbstverständlichkeit, mit der (mutmassliche) Attentäter & Amokläufer, mit oder ohne islamistischen Hintergrund, in diesen Zeiten, mitten in Europa, erschossen werden, wenn sie sich nicht selbst ins Jenseits befördern, ist Medien höchstens eine Randnotiz wert. Kaum eine kritische Bemerkung, keine öffentliche Debatte darüber, ob die Mordenden nicht auch anders hätten gestoppt werden können. Norwegen machte Anders Breivik noch, ganz Rechtsstaat, den Prozess. Und für die nationalsozialistischen Hauptkriegsverbrecher wurde eigens ein juristisch ausgeklügeltes Verfahren entwickelt.
Jetzt wird wieder an Teufel, an das Böse rund um die Uhr geglaubt. «Einmal», so Martina Meister im heutigen Tages-Anzeiger über einen der beiden 19-jährigen Franzosen, die vor zwei Tagen in Saint-Etienne-du-Rouvray einen Priester umgebracht haben, «schrieb seine Lehrerin in sein Zeugnis: ‹Engel oder Teufel? Mal so, mal so.› Diese Frage hat er am Dienstag abschliessend beantwortet.» Wenn unsere Welten so einfach wären, schwarz oder weiss – wir lebten längst im Paradies.
Der Falter zählt die Stunden nicht
Das Schwimmen im Privatbassin Silvaplanersee – so blau, wie man ihn nur durch die Sonnenbrille sieht –, noch eindrücklicher als im Greifensee. Das Mitleid mit den Villenbesitzer*innen, die jeden Tag in ihre mickrigen Pools – fünf, sechs Züge bis zur nächsten Wende – hüpfen müssen, um die Investition in Gesundheit & Status zu amortisieren.
Im Fextal – wo sie den Solarstrom, weniger spektakulär als Piccards sonnige Weltumrundung, durch Kuhdrähte zirkulieren lassen – entdeckt S. auf ihrem blutten Knie einen schwarzen Falter. Sie würde das aviatische & gestalterische Kunstwerk gern ihrer Sammlung ästhetischer Raritäten einverleiben. «Er hat doch eh nur einen Sommer.» Schüre ich moralische Skrupel. Der Schwarze flattert weiter, und, so ergibt die nachträgliche Lektüre, in durchschnittlich zwei bis drei Wochen ist für ihn Schluss.
Er wird die Stunden nicht beziffern. Hat er trotzdem Angst vor dem Tod? Wie wir, die wir die StundenTageJahre zählen, die vergangen & die bleiben – bis zum Schluss der Olympischen Spiele in Rio, den Herbstferien, dem neuen Engagement oder der Hochzeit, bis zum 70. und, schliesslich, bis Ultimo. Der Endlichkeit von allem bewusst, versuche ich, in einem mehrere Leben zu leben, sogar in den Ferien. Nur beim familiären Segeltörn auf dem St. Moritzersee ein paar Tage später werde ich in der Position des fotografierenden Passagiers verharren. Um nicht in Versuchung zu geraten, auch Terminologie & Technik des Segelns noch lernen zu wollen, in diesem Leben. Was wäre, wenn wir nicht um die Beschränktheit unseres Daseins wüssten, wenn für uns – wie für den Schmetterling, vermutlich – jeden Morgen ein neues Leben begänne? Ohne Erinnerung an das Vergangene, ohne Vorstellung irgendeiner Zukunft?
«Wir haben nichts zu erzählen»
Ich mache nicht wirklich Ferien – von «der Welt». Lasse mich von ZeitungenFernsehenInternet, Bildern von Menschen, die, zum Beispiel in Aleppo, um ihr Leben bangen & rennen, immer wieder vom Genuss der Schönheiten der Natur und den Freuden des Lebens ablenken, die letztlich das Ziel aller Utopien sind. Die Idee, ein paar Tage auf sämtliche medialen Informationen zu verzichten, um die Welt beschreiben zu können, in der ich dann lebte, verwerfe ich (vorderhand), bevor sie richtig gedacht. Was, wenn wir nur wüssten, was wir selbst gesehen & erlebt? Wenn wir nie von den Kriegen, der Verfolgung & Unterdrückung, dem Hunger & dem Elend der anderen hörten? Die vielen nie vom möglichen Frieden & einem besseren Leben erführen? Weil auch keine & keiner um die Erde jettete. Weil die Armen in den reichen Ländern sich immer schon verschämt versteckten.
Habe ich Angst, ich wüsste, ohne alte & neue Medien, nichts mehr zu schreiben? «Wir gehören zu denen, die nichts zu erzählen haben», hiess es in unserer engeren & weiteren Familie. Und ich schrieb in jungen Jahren Anti-Kriegs-Gedichte. Obwohl ich den Krieg nicht erlebt. Wie Mutter mir vorwarf. Sind Not & Tod (der anderen) der Stoff, aus dem Texte, Geschichten und Filme gemacht werden? Hatte mein Vater nichts zu erzählen, weil er im (vorläufig) letzten grossen europäischen und Weltkrieg als HD-Soldat während Wochen gemütlich im Samedaner Schnee lag, braun wurde und Skifahren lernte, während rundherum das grosse Töten & Morden Abermillionen in Massengräber stürzte oder (wenn sie rechtzeitig erkannten, was ihnen drohte) in die Flucht trieb? Warum hatten jene, die als Opfer und Täter von den Schlachtfeldern oder aus den Vernichtungslagern zurückkehrten, mehr zu berichten als jene, die trotz Krieg in Frieden & Gemütlichkeit gelebt?
Gendereien und interkulturelle Irritationen in den Bergen
Bei der Bahnstation La Punt die Erinnerung an die Szene im damals, in den Achtzigerjahren, noch betriebenen Restaurant in der Talstation Muottas Muragl. Der Gast, am Tisch der Einheimischen, welcher der Bedienung mit kurzem Röckli – wahrscheinlich auf Geheiss des Beizers, vielleicht auch einer geschäftstüchtigen Wirtin – beim Bezahlen ganz selbstverständlich zwischen die Beine greift. Als die junge Frau wieder in der Küche verschwunden ist, teilt er den anderen grinsend mit, die habe noch den Tampon drin. Allgemeines, teilweise leicht verlegenes Lachen. So meine Erinnerung. Ich schüttle den Kopf. Innerlich. Dreissig Jahre danach die Frage, ob solches heute noch denkbar, in Bündner Kulturen, und wie, nach dem (arabisierten) Kölner Silvester, darauf reagiert würde.
Auf den schmalen Bergwegen grüssen sich die Kreuzenden freundlich, wie vor fünfzig Jahren, als wären wir alte Bekannte. Würden sich Fremde (an heiklen Stellen) stumm aneinander vorbeidrücken, erkläre ich in einer Weiterbildung für Lehrpersonen zu Sprache, es hätte etwas Unheimliches. Die beruhigende Bedeutung des Grusses: «Ich mach‘dr nüt». Ein vor vielen Jahren als Deutscher in die Schweiz gekommener Lehrer – der darauf besteht, er verstehe bestens Mundart – erzählt, die Grüsserei in den eidgenössischen Alpen habe ihn anfänglich sehr verunsichert. Er sei jedes Mal zusammengezuckt und habe sich gefragt, was diese Schweizer*innen von ihm wollten. Interkulturelle Irritationen.
Die vereinzelten «Männertreu» am Wegrand – verraten sie gegenderte Sexualphantasien? Treue Männer, ist das die Botschaft der Entdecker*innen der stark duftenden Pflanze – eine Seltenheit? Und warum heissen im Restaurant Morteratsch die kleinen Portionen «Lady»?
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Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Infosperber-Redaktor Jürgmeier macht Ferien im Engadin und notiert, was er da von Welten mitbekommt.
Jürg Meier schreibt: „Die Selbstverständlichkeit, mit der (mutmassliche) Attentäter & Amokläufer, mit oder ohne islamistischen Hintergrund, in diesen Zeiten, mitten in Europa, erschossen werden, wenn sie sich nicht selbst ins Jenseits befördern, ist Medien höchstens eine Randnotiz wert.“ Das Ableben dieser Leute hat den Vorteil, dass die Terroranschläge nicht mehr genauer untersucht werden müssen. Anders Breivik wurde noch ein Prozess gemacht. Nicht erwähnt werden in den Medien all die Übungen die zufälligerweise bei Terroranschlagen gleichzeitig stattgefunden haben, auch in Oslo. Paul Schreyer hat solche zufälligen Übungen ausführlich dokumentiert: Boston 2013, London 2005, Madrid 2004, New York und Washington 2001.Paul Schreyer 19.11.2015 http://www.heise.de/tp/artikel/46/46608/1.html
In der Kontext Sendung vom 8. August 2016 von Radio SRF über die Terrorattacken vom 11. September 2001 mit Hansjörg Schultz und Andreas Zumach wurde solche Übungen nicht erwähnt und an der Al Kaida Osama Bin Laden Verschwörungstheorie der US-Regierung wurde festgehalten. Seit 2001 haben jedoch Architekten, Ingenieure, Piloten, Geheimdienstmitarbeiter und viele andere zahlreiche Ungereimtheiten bei dieser offiziellen Al Kaida 9/11 Täterschaft aufgedeckt, Weshalb wurde in dieser Kontext Sendung dies nicht erwähnt?
In der Schweiz wird 9/11 von Architekten und Ingenieuren laufend mit vielen Übersetzungen dokumentiert, Siehe unter http://www.ae911truth.ch//
"selbstverständlich» werden Attentäter erschossen, «selbstverständlich» fassen eingeborene Bündner die Serviertöchter unsittlich an…..
Was sollen solche beleidigenden Oberflächlichkeiten im Sperber?
Ich finde dies eine gar nicht «selbstverständliche» Fehlleistung.
Gut findet Frei die Verknüpfung zum Terror und zu dessen Angst-Bewirtschaftung. Wenigstens im Kommentar etwas Brauchbares. Danke Frei für die Link!
Ich hatte letzthin im SRF-Archiv nach «WTC 7» gesucht.
Das kommt nur ein einziges mal vor, offensichtlich ein Tabu in userem Radio und TV, diktiert oder «gewünscht» von????
Und wo ich fündig wurde…. ist interessant, es war in einem Gespräch mit Dr. Daniele Ganser. Dieser seriöse Historiker wird von der W-Macht offensichtlich (selbstverständlich?) nicht geliebt.