Sperberauge

Gedenkvorhang für Schoa-Opfer: Jetzt mit Symbolen

Daniel Goldstein © Grietje Mesman

Daniel Goldstein /  Die Davidsterne, die in Unterseen nicht genehm waren, hängen jetzt in Bern, neben Rädern zum Gedenken an ermordete Sinti und Roma.

1’500’000 Glasperlen – eine für jedes von den Nazis während des Zweiten Weltkriegs ermordete jüdische Kind – hängen derzeit, aufgereiht an 1200 Schnüren, als raumhoher Vorhang im Berner Haus der Religionen. Die Installation «Jiskor», benannt nach einem Erinnerungsgebet, war zuvor an einer Kunstausstellung in Unterseen zu sehen – ohne die sechs handtellergrossen, goldglänzenden Davidsterne, die an die insgesamt sechs Millionen in der Schoa (Holocaust) ermordeten Jüdinnen und Juden erinnern sollen. Die Sterne wurden von den Kuratorinnen im Oberland als «politisch» abgelehnt – Infosperber berichtete über die Kontroverse.

Hinter dem Vorhang steckt ein ganzes Jahr Arbeit von 25 Freiwilligen «mit einem nahen Bezug zu Judentum und Schoa», wie im Begleitheft die Initiantin schreibt, die Berner Psychiaterin und Kunstmalerin Eve Stockhammer. Eigentlich müssten die Vorhangteile so aufgehängt werden, dass ihr Grundriss wiederum einen Davidstern bildet. In der Eingangshalle des Hauses der Religionen ist das nicht möglich, aber das Werk ist auch dann eindrücklich, wenn man der Zickzacklinie entlanggeht. Man begegnet dabei auf Schautafeln einzelnen Kinderschicksalen, über die etwas mehr bekannt ist als über die grosse Mehrheit der Opfer.

Schoa-Vorhang
Kunst gewordenes Gebet: Jiskor – Für jedes Kind eine Perle

Vielfältiges Erinnerungswerk

15 dieser Schicksale werden in einem Buch beschrieben, das ebenfalls «Jiskor – Für jedes Kind eine Perle» heisst und im Herbst im Verlag Hier und Jetzt erscheinen wird. Es steht in einer Reihe mit dem Band «Kaddisch zum Gedenken», ebenfalls nach einem Trauergebet benannt und von Eve Stockhammer herausgegeben sowie mit eigenen Gemälden versehen (Infosperber-Besprechung, nachdem Anfang November 2023 in Steffisburg BE eine Lesung wegen Sicherheitsbedenken abgesagt worden war).

An der aktuellen Berner Ausstellung wird auch der zu Zehntausenden ermordeten Kinder von «Sinti:zze und Rom:nja» gedacht, wie auf der Einführungstafel steht. Fünf Räder, die neben den Davidsternen angebracht sind, erinnern an die insgesamt etwa 500’000 Angehörigen dieser Volksgruppen, die der Verfolgung durch die Nazis zum Opfer fielen.

Die Ausstellung am Europaplatz ist noch bis 27. Juni zu sehen (Di.–Sa. 9–17 Uhr). Am 27. Mai wird ab 19 Uhr ein Film über die Entstehung des Werks gezeigt und das im Herbst erscheinende Buch «Jiskor – Für jedes Kind eine Perle» vorgestellt.

Ab 9. September wird die Ausstellung im Rahmen der Achava-Festspiele Thüringen in Eisenach gezeigt, erstmals in sternförmiger Hängung.

Weiterführende Informationen

  • Ausstellung und Veranstaltung im Haus der Religionen, Bern
  • Eve Stockhammer, künstlerisches Werk
  • Eingesperrt. Archäologische Zeugnisse des Lageralltags. Noch bis 27. April 2025 zeigt das Latenium in Hauterive (Kt. Neuenburg) 650 Fundstücke aus Ausgrabungen in Deutschland, Frankreich und Polen. Es schreibt dazu: «Während manche Vernichtungsstätten bezeichnend für den NS-Terror wurden, entschwanden viele andere Orte der Inhaftierung und Ausgrenzung – Konzentrationslager, Zwangsarbeiterlager, Kriegsgefangenenlager – nach und nach aus dem kollektiven Gedächtnis. Seit mehr als dreissig Jahren dokumentiert die Archäologie die unscheinbaren Spuren, die diese prekären Einrichtungen in der Landschaft hinterlassen haben.»

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Der Autor trägt zum Buch «Jiskor» ein Kapitel bei.
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