Kommentar
kontertext: Ausländer machen!
In Erwägung, dass unsere Bitten um Humanität für Flüchtlinge folgenlos bleiben
In Erwägung, dass unsere Analysen über die Ungerechtigkeit der Weltwirtschaft ignoriert werden
In Erwägung, dass unsere Appelle zur Priorisierung des Flüchtlingsproblems in der Politik auf taube Ohren stossen
In Erwägung, dass die Flüchtlinge im Mittelmeer ersaufen und an den europäischen Grenzen verrecken
In Erwägung, dass die Schweiz gegenüber afghanischen Flüchtlingen und Verfolgten von unbeirrbarer Hartherzigkeit ist
In Erwägung, dass es noch immer kein einheitliches Einbürgerungsverfahren in der Schweiz gibt
schlage ich eine Verfassungsänderung vor:
1. Die Schweizerische Staatsbürgerschaft wird auf fünf Jahre befristet.
2. Jede Schweizerin, jeder Schweizer und jede non-binäre Staatsperson muss sich alle 5 Jahre einer Prüfung zwecks Bestätigung oder Aberkennung ihrer Staatsbürgerschaft unterziehen.
3. Geprüft werden Kenntnisse über Migration, Flucht, Asylwesen und nicht helvetisch-stämmige Populationen in der Schweiz.
3.1. Die Prüfung wird durchgeführt von der Dachorganisation sämtlicher Ausländervereinigungen der Schweiz.
3.2. Sie umfasst einen Katalog jährlich zu erneuernder Fragen und Prüfungsaufgaben wie
- Welches sind die wichtigsten Sprachen und Ausländerpopulationen der Schweiz? Mit ungefähren Zahlenangaben.
- Umreissen Sie kurz die Geschichte des schweizerischen Asylwesens.
- Wieviele sans-papiers gibt es schätzungsweise in der Schweiz?
- Welche legalen Aufenthaltsmöglichkeiten für Flüchtlinge gibt es in der Schweiz?
- Wieviele Flüchtlinge gibt es weltweit?
- Welches sind die wichtigsten Aufnahmeländer für Flüchtlinge?
- Was ist der Unterschied zwischen dem Ius soli und dem Ius sanguinis?
- Nennen Sie Beispiele von erfolgreichen und erfolglosen Einbürgerungsgesuchen in der Schweiz.
Um von der Schwarm- und Charme-Intelligenz zu profitieren, ist die geneigte Leserschaft von Infosperber aufgefordert, diesen Fragenkatalog zu erweitern.
4. Wer die Prüfung nicht besteht, erhält den Status einer Person mit suspendierter Schweizer Staatsbürgerschaft (PSSS).
5. PSSS werden in PSSS-Zentren (PSSSZ) untergebracht.
5.1. PSSSZ werden von einer noch zu gründenden, privaten, profitorientierten, börsenkotierten Organisation namens Schweizer Halbmond AG betrieben.
5.2. Zum Verlassen der PSSSZ bedarf es einer Erlaubnis der Ausländerbehörde.
5.3. Die PSSSZ «Lager» zu nennen, ist strafbar.
5.4. In den PSSSZ gibt es ein breites, kostenloses, aber obligatorisches Kursprogramm zur Vermittlung profunder Kenntnisse im Bereich Ausländer, Asyl, Migration, Flucht, Rassismus und der Sprachen der Herkunftsländer.
5.5. Jede PSSS wird wöchentlich mit einem Flüchtling oder einer Migrantin konfrontiert und muss sich persönlich dessen/deren Flucht- bzw. Migrationsgeschichte kommentarlos anhören.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine. Felix Schneider, geboren 1948 in Basel. Studium (Deutsch, Französisch, Geschichte). Von Beruf Lehrer im Zweiten Bildungsweg und Journalist, zuletzt Redaktor bei SRF 2 Kultur. Hat die längste Zeit in Frankfurt am Main gelebt, ist ein halber «Schwob».
Unter «kontertext» schreibt eine externe Gruppe Autorinnen und Autoren über Medien und Politik. Sie greift Beiträge aus Medien auf und widerspricht aus politischen, journalistischen, inhaltlichen oder sprachlichen Gründen. Zur Gruppe gehören u.a. Bernhard Bonjour, Rudolf Bussmann, Silvia Henke, Mathias Knauer, Guy Krneta, Alfred Schlienger, Felix Schneider, Linda Stibler, Martina Süess, Ariane Tanner, Rudolf Walther, Christoph Wegmann, Matthias Zehnder. Die Redaktion betreuen wechselnd Mitglieder der Gruppe.
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Quatsch. Punkt.
Die Gedanken sind frei. – Da stellt sich mir zuerst die Frage: sind diese Ideen ernst gemeint oder haben wir es mit Ironie zu tun?
Vielen Dank für den Denkanstoss! Müsste die Staatsbürgerschaft immer wieder aufs Neue verhandelt werden und wären sich die Menschen bewusst, dass sie jederzeit für vogelfrei erklärt werden könnten, würde das vielleicht die Arroganz zügeln, die gewisse Leute haben, wenn sie ihre Freiheiten für selbstverständlich halten. Lustig genug, dass das oft bei Libertär-Liberal-Konservativen der Fall ist, die ausgerechnet diese Privilegien gar nicht in Frage stellen.
Vorzüglich!
… und irgendwie schon fast putzig wie viele hierbei ihr nicht-so-schönes G’sichtlein im Spiegel zu erhaschen mussten und darob derart heftig erschraken, dass sie’s rasch mit einem ‹dislike› in die Verbannung zu schicken hatten.
Satire finden zu viele nur dann treffend bzw. «sauguet», wenn sie nicht gegen sich/»die Eigenen» geht. Wehe, wenn sie gegen sich selbst gerichtet – dann ist’s rasch einmal blasphemisch. Oder?
Gute Parodie.
Lasst uns einen grossen Teil der Bevölkerung kriminalisieren und in Konzentrationslager stecken, die wir dann «Zentren» nennen. Was soll dabei schiefgehen?
Wunderbar geistreicher Beitrag. Hat offensichtlich einen wunden Punkt getroffen. Deshalb die humorlosen Reaktionen der Leser Geissmann und Mosimann.
Wenn man bedenkt, dass der Autor Geschichte studiert hat, scheint mir dieser Beitrag kein gutes Zeugnis zu diesem Fach abzulegen. Er müsste einige Gedanken zu Territorialstaaten und zur globalen Niederlassungsfreiheit enthalten und ein paar Worte über Zugehörigkeit und Abgrenzung verlieren. Man darf bei Entwürfen einer besseren Weltordnung ruhig davon ausgehen, dass jeder jedermanns Freund ist, und jede jeder Freundin und auch über Kreuz. Dann ist aber der eher gehässige, eben, abgrenzende, Ton fehl am Platz. So gewinnt man kaum neue Gesinnungsgenoss*innen.
Der Denkanstoss hat durchaus brauchbare Elemente. Als Kriterium für die Staatsbürgerschaft würde ich aber die Bundesverfassung wählen. Mit diesem Kriterium würde die Bevölkerungsdichte normalisiert und der Politbetrieb auf ein gesundes Minimum reduziert.
Sehr gute Satire, gratuliere! Das klingt nach einer «Idee zu Wiederbelebung der politischen Utopie». Dazu empfehle ich Martin Sonneborns gleichnamiges Buch, erschienen dieses Jahr bei KiWi. Die Lektüre sei insbesondere Herrn Mosimann aus Winterthur ans Herz gelegt, der fragt, ob diese Ideen ernst gemeint seien. Da frag ich mich doch meinerseits, ob er diese Frage ernst meint. «ZwinkerSmiley»