Fussball-WM: Unsere Feiglinge (4)
Es war keine noble Geste: Granit Xhaka, Kapitän der Schweizer Fussball-Nationalmannschaft, stellte sich vor die Spielerbank der Serben und griff sich in den Schritt. Was er damit sagen wollte, wurde nicht ganz klar. In der Heimat seiner Eltern, dem Kosovo, wurde er trotzdem dafür gefeiert. Aber nicht von allen.
«Warum jubeln wir?»
Die kosovarische Feministin und Menschenrechtsaktivistin Zana Avidu beispielsweise feierte ihn nicht. Sie verurteilte den Griff in den Schritt und nannte Xhaka wegen seiner primitiven Geste einen «Strassenjungen». Sie fragte: «Was sagt das über unsere Gesellschaft aus, wenn wir so etwas seit Tagen bejubeln?»
«Symbol für sexuelle Gewalt»
Der Sonntagszeitung sagte Avidu: «Die Geste symbolisiert sexuelle Gewalt und den Stolz und die Macht, die Männer aufgrund ihres Penis empfinden. Es geht dabei nicht um Granit Xhaka. Sondern um das Phänomen, hinter dem eine Haltung steht, und diese wiederum hat Folgen, zum Beispiel Vergewaltigungen. Oder dass weibliche Föten in grosser Zahl abgetrieben werden, weil Mädchen als weniger wert gelten.» Die Reaktionen darauf waren so heftig, dass Zana Avidu unter Polizeischutz gestellt werden musste. Mehrere Männer wurden festgenommen.
«Du kennst die Xhakas nicht»
Granit Xhakas Vater rief sogar in eine Diskussionssendung des kosovarischen Fernsehsenders T7 an, zu der Zana Avidu eingeladen worden war. Er drohte ihr vor laufenden Kameras: «Du wirst dich in jeder Hinsicht verantworten müssen. Aber wenn es so weit ist, wird es schon zu spät sein, das garantiere ich dir mit meinem Leben. Denn du kennst die Familie Xhaka nicht.»
«Kein albanisches Blut»
Zana Avidu kennt die Familie Xhaka tatsächlich nicht. Aber aus aktuellem Anlass lernte sie Granit Xhakas Bruder Taulant, Profi beim FC Basel, kennen – wenn auch nur aus der Ferne. Auf Instagram schimpfte er: «Schande, du hast überhaupt kein albanisches Blut.»
Und jetzt?
Eigentlich hätte sich der Schweizerische Fussballverband (SFV) in dieser Angelegenheit längst äussern können. Nicht dass er gleicher Meinung wie Zana Avidu sein müsste. Aber er hätte mitteilen können, dass er für die Gleichstellung einstehe. Und dass er jegliche Gewalt oder Gewaltandrohung verurteile. Aber der Verband beantwortete nicht einmal die Fragen von Infosperber.
Und eigentlich hätte Granit Xhaka klarmachen können, dass er sich in der Hektik des Spiels zu einer obszönen Geste habe hinreissen lassen. Dass er damit aber nicht sexuelle Gewalt oder die Macht der Männer habe symbolisieren wollen. Und dass auch er jegliche Gewalt oder Gewaltandrohung verurteile.
Aber beide schweigen — der Verband und der Spieler. Das ist peinlich. Peinlicher noch als die 1:6-Niederlage gegen Portugal. Und auch ziemlich feige.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Weiterführende Informationen
- Infosperber: Fussball-WM: Unsere Patrioten (1)
- Infosperber: Fussball-WM: Unsere Schauspieler (2)
- Infosperber: Fussball-WM: Unser «Ausruefer» (3)
Die Schweizer Nationalmannschaft war schon seit Jahrzehnten ein Drama. Meist schied sie schon in den Qualifikationen aus und schafte es nicht bis an die WMs und EMs. Dank den Spielern mit Migrationshintergrund ist das nun anders, und das ist eigentlich schön zu sehen.
Weniger schön ist nun aber, dass sich die Schweizer Nationalmannschaft nur für den Kampf gegen Serbien wirklich motivieren kann, und ansonsten eher uninspirierte Durchschnittsleistungen abliefert. Man fragt sich mittlerweile, ob dies die Nationalmannschaft des Kosovo oder der Schweiz ist, wenn man die Diskussion in Kosovo – und in der Schweiz – mitverfolgt.
es ist schon so, das gerede um die vorbildwirkung von sportler:innen ist eine tolle sache…