Die Arbeiterklasse ist Geschichte – und besser wird’s nicht
Die deutsche Reporterin und Autorin Julia Friedrichs ist mit dem Buch «Working Class» derzeit in vielen Medien und Panels und gibt zahlreiche Interviews. Was an guten Netzwerken liegen könnte. Oder damit, dass sie mit ihrem Thema einen Nerv getroffen hat.
«Working Class» beschäftigt sich wie schon Friedrichs bisherige Bücher mit der Verteilungsgerechtigkeit in Deutschland. Was dafür spricht, dass Friedrichs einen Punkt hat. Wenn man das gesellschaftliche Klima derzeit wie Wetter beschreiben müsste, klänge es nach «ungemütlich mit kaltem Regen». Und wie immer gibt es diejenigen, die dabei im Trockenen sitzen, und die, bei denen es durch die Decke tropft.
Personen, die oberflächlich nichts gemein haben
Da ist beispielsweise Sait, der die Berliner U-Bahnhöfe reinigt. Seine Arbeit ist oft nicht angenehm, er muss Erbrochenes aufwischen, Urinlachen wegputzen, Zigarettenkippen aufsammeln und Schlafende aufwecken, damit er reinigen kann. Das ist ihm oft unangenehm, aber es geht nicht anders. Für die Arbeit, die er seit Jahrzehnten macht, bekommt er 10,65 Euro pro Stunde. Zusammen mit dem Verdienst seiner Frau kommt die Familie gerade so durch.
Oder Alexandra und Richard: Die beiden Musiker haben ihr Studium sehr gut abgeschlossen, Alexandra hat promoviert. Das Haus, in dem das Paar mit zwei Kindern lebt, gehört ihnen, dafür wohnen sie sehr abgeschieden. Das heisst, derzeit gehört es noch der Bank und sie müssen die Raten aufbringen. Mit Sait haben sie auf dem ersten Blick nichts gemein.
«Unser Leben bestimmt ein grosses Gefühl der Unsicherheit»
Alexandra und Richard sind Honorarkräfte. Mehr als 14,67 Stunden in der Woche dürfen sie nicht für eine Musikschule arbeiten, da sie sonst ihre Stelle einklagen könnten. Ihr Pensum verteilt sich auf sechs verschiedene Musikschulen, 110 Schüler und sechs Tage. Für eine Dreiviertelstunde Klavier- oder Klarinettenunterricht bekommen sie zwischen 21 und 27 Euro. Während der Ferien oder wenn sie krank sind, verdienen sie nichts. Rücklagen haben sie keine. «Unser Leben bestimmt ein grosses Gefühl der Unsicherheit» sagt Alexandra.
Friedrichs hat mit ihnen und einigen anderen über Jahre hinweg gesprochen. «Working Class» beschäftigt sich, wie der Titel vermuten lässt, mit der Arbeiterklasse. Oder eben nicht. Der Begriff ist nicht nur abgenutzt. Den klassischen männlichen Malocher, der abends schmutzig und zufrieden aus der Fabrik kommt und am Monatsende einen Lohn nach Hause bringt, gibt es kaum mehr.
Dafür Menschen wie Sait, auf den die Arbeiter-Beschreibung noch halbwegs passt, Alexandra und Richard. Sie gehören zur neuen «Working Class», schlägt Friedrichs als Bezeichnung vor. Was etwas unglücklich gewählt ist, weil es auf Deutsch eben «Arbeiterklasse» heisst. Im angelsächsischen Gebrauch macht der Begriff eher Sinn. Gemeint ist die Hälfte aller Deutschen, die ohne nennenswerte Rücklagen von dem lebt, was reinkommt, auch wenn ihr Leben sehr unterschiedlich ist.
Panische Angst vor Krankheit
Eine Viertelstunde, nachdem Sait um 6:30 Uhr mit der Reinigung des ersten Bahnhofs begonnen hat, steht Alexandras und Richards Tochter auf, kurz darauf musss die Zweitklässlerin zur Schule. Said ist da schon wieder unterwegs. Er hat 40 Minuten Zeit pro Bahnhof. Die Penner lässt er, wenn möglich, in Ruhe, damit sie ihn in Ruhe lassen. Manchmal hat er Angst. Zwei Personen pro Schicht wären sicherer, sind aber zu teuer.
Richard und Alexandra verlassen erst mittags das Haus, um ihre verschiedenen Arbeitsorte abzufahren. Die Tochter ist dann schon wieder zuhause, der Sohn kommt eine Stunde später. Ihre Arbeit dauert teilweise bis acht, neun Uhr abends. Der Alltag ist streng durchgetaktet, auch der der beiden Kinder.
Alexandra hatte schon vor Corona panische Angst vor Krankheit. «Es darf keinem was passieren», sagt sie. Dann bräche das System, das die Familie mit vielen Listen und grosser Disziplin aufrechterhält, zusammen. Sie erzählt von einer Mutter, die eine vor Fieber glühende Schülerin bei ihr ablieferte, «weil der Unterricht schon bezahlt ist».
Wie eine lange Reportage
«Working Class» liest sich in Teilen wie eine lange Reportage. Friedrichs ergänzt die Erzählung immer wieder mit Zahlen, fragt Experten, sucht in der Vergangenheit nach Erinnerungen, wie es vorher, das heisst, in den 1980er-Jahren, war. Sie versucht herauszufinden, ob der Flötenlehrer ihrer Kindheit auch eine Honorarkraft war. «Nein», erfährt sie – von einem Ruheständler, der gerade von einer Kreuzfahrt zurückgekehrt ist. Alexandra und Richard hoffen, dass sie irgendwann das Haus abbezahlt haben werden. Arbeiten werden sie voraussichtlich, so lange sie können.
Nur jedem Zweiten, der 1980 geboren wurde, gelinge es noch, mehr zu verdienen als die Eltern, führt Friedrichs auf. Die Chancengleichheit lahmt. Die Erzählung der 1970er-Jahre, dass jeder durch Arbeit zu bescheidenem Wohlstand gelangen und diesen geniessen kann, stimmt nicht mehr. Die Vermögensverteilung in Deutschland entspräche inzwischen der der USA, erfährt sie vom Vermögensforscher Markus Grabka.
Die deutsche Gesellschaft habe Risse, diagnostiziert Friedrich, wenn nicht den einen, generellen, breiten Riss. Ursache seien kleine Änderungen über lange Zeit, «kleine Risse im Gewebe», schreibt Friedrichs. Diese könnten zu einer grösseren Verletzung führen, wie bei ihrem Lieblingsfussballer, dessen Achillessehne irgendwann riss.
Zwischen «lovely jobs» und «lousy jobs» gibt es bald nichts mehr
Weder Alexandra noch Richard sind Mitglied in einer Gewerkschaft. Sie dachten daran, einzutreten, als Kollegen streikten, können sich aber doch nicht identifizieren. Als Solo-Selbständige fühlen sie sich nicht vertreten. Sait wurde 2010 Mitglied, weil er Urlaub ansparen wollte, um jedes zweite Jahr länger frei zu haben. «Die Gewerkschaften sind so klein», sagt er, und zeigt einen Abstand von wenigen Zentimetern zwischen Daumen und Zeigefinger, «weil die Menschen Angst haben».
Friedrichs belegt die Geste mit Statistiken. Seit den 1980er-Jahren hat sich die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder in Deutschland halbiert, weniger als die Hälfte der Arbeitgeber haben noch Tarifbindung. Seit den 1990er-Jahren sinken die Löhne, dafür stiegen die Mieten und es gibt mehr prekäre Arbeitsverhältnisse. Es gibt «lovely jobs» und «lousy jobs», dazwischen immer weniger.
Was als Einstiegsjob galt, ist heute ein Prekärarbeitsplatz
Menschen wie Sait und Alexandra, die praktisch nichts gemeinsam haben ausser in der Statistik, sind schwer zusammenzubringen. Das allein ist es aber nicht. Was beispielsweise früher als «Einstiegsjob» galt, ist heute meist ein unsicherer Arbeitsplatz bei einem Verleiher oder Subunternehmen.
Fremdkräfte, die in den gut bezahlten Berufen «Berater», im Management «Flex Force», woanders «Externe», «Freie» oder schlicht «Leiharbeiter» heissen, sind ein Geschäftsmodell geworden. Für Angestellte gibt es keine gemeinsamen Bedingungen und keine gemeinsame Erzählung mehr, in Folge auch keine Gemeinschaft und auch keinen Aufstieg im Unternehmen.
Seit Sait nicht mehr bei der Berliner Verkehrsgesellschaft BVG angestellt ist, sondern bei einem externen Unternehmen, bezahlt er die Fahrkarte, mit der er zur Arbeit fährt, selbst. Als er hört, dass die Deutschen pro Monat im Schnitt 600 Euro für ein Kind ausgeben, fällt er aus allen Wolken. «Wer verdient so viel? Drogenverkäufer?», fragt er. Sein Wunsch sind 12 bis 13 Euro Stundenlohn.
Alexandra und Richard zögern, ihrem Sohn eine Musikerlaufbahn zu empfehlen. Der 14-jährige Jonas ist begabt und hat schon mehrere Musikpreise gewonnen. Alexandra schreibt an Stiftungen, damit sie sich ein zweites Instrument für ihn leisten können. Sie überlegt, vormittags zusätzlich putzen zu gehen.
Den Reichen geht es bestens
Friedrichs besucht auch das andere Ende der Skala, beispielsweise einen Fondsmanager, der in einem «Family Office» arbeitet. «Familiy Offices» sind die exklusive Elite der Finanzberater. Sie verwalten das Vermögen ein oder mehrerer vermögender Familien und haben keine Rechenschaftspflichten wie Banken. Dabei erwirtschaften sie hohe Renditen, die ein Durchschnitts-Sparer nicht bekommt.
Viele Arbeitende mit mittlerem und niedrigem Einkommen erwartet dagegen die Altersarmut. Das Verhältnis von Finanz- zu Realwirtschaft lag in den 1970er-Jahren noch gleichauf, zitiert Friedrichs. 2000 lag es bei 3:1, heute ist es bei 4:1 angekommen, nach anderen Schätzungen gar bei 10:1 oder 50:1. Den Reichen, wird deutlich, geht es bestens. Denen, die die jetzt im Ruhestand sind, geht es gut. Friedrichs spricht mit einer Journalistin, die 1980 in den Beruf eingestiegen ist und im Alter mehr bekommt als ihre arbeitenden Kollegen.
Spätestens an dieser Stelle wird sie in Gesprächen meist nach ihrer Meinung zum Grundeinkommen gefragt. Sie sei Reporterin, keine Politikerin, antwortet sie meistens. Weder Sait noch Alexandra und Richard würden das wollen, schätzt sie. Alle drei sehen sich nicht als Hilfsbedürftige und haben überschaubare, machbare Wünsche.
Überschaubare Wünsche und mehr Respekt
Sait etwa wünscht sich einen Materialschrank, in dem er seine Putzutensilien verstauen kann. Mit dem oft übelriechenden Putzkübel von einem Bahnhof zum anderen zu fahren, ist ihm unangenehm. Er will arbeiten, nicht vom Staat bezahlt werden und ein Vorbild für seine Kinder sein. Nur etwas mehr Anerkennung wünscht er sich für seine Arbeit und einen tragfähigen Lohn.
Alexandra möchte die Möglichkeit haben, als Musiklehrerin fest angestellt zu werden, damit eine Krankheit nicht zur Katastrophe wird und das Einkommen sicher für die Raten reicht. Vor nicht allzu vielen Jahren war das normal. Auch bei ihr gibt es Dinge, die wehtun. Wenn sie gefragt wird, was sie eigentlich beruflich macht, ist das so, wie wenn jemand in der U-Bahn mutwillig eine Flasche auf den Boden fallen lässt, den Sait gerade erst gewischt hat.
Friedrichs spricht mit Soziologen, Ökonominnen und Politikern. «Das Problem existiert», bestätigen sinngemäss alle. Einige auch, dass es absehbar war. Die Wohlstandsschere geht auseinander und es herrscht eine grosse Generationenungerechtigkeit. Der Markt, soviel ist sichtbar, hat es nicht gerichtet. Selbst US-Präsident Joe Biden gab kürzlich zu, dass «der Trickle-Down-Effekt noch nie funktioniert» habe. Wolfgang Schmidt, die rechte Hand von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) spricht von historischem Pech, Globalisierung, einer Politik der kleinen Schritte und «erst mal abwarten».
Gesellschaft mit Vorerkrankungen
Friedrichs Blick gilt vor allem langfristigen Entwicklungen, also vor allem der Zeit «vor Corona». Durch die Viruspandemie hat sich bestätigt, was sie beschreibt. Die unteren Schichten, das ist mittlerweile klar, haben für diese Pandemie am meisten bezahlt. Nicht nur finanziell, auch mit Angst, Krankheit, Lebensqualität.
«Covid ist für Menschen mit Vorerkrankungen besonders gefährlich», war im vergangenen Jahr dutzendfach zu hören und zu lesen. Für Gesellschaften mit Vorerkrankungen trifft das auch zu. Vermögende haben meist überschaubare Verluste oder Gewinne gemacht. Alexandra, Richard, Jonas und Sait geht es schlechter.
Das Thema Verteilungsgerechtigkeit ist in den Fokus gerückt. Ob es auch dort bleibt, ob ausser Klatschen und Studien Zitieren auch ein Echo in der Politik erfolgt, ist unklar. «Nein, das wird es nicht», sagte Sait im Frühjahr 2020. «Eine der traurigsten Erkenntnisse meiner Recherche war für mich, dass er recht behalten hat», sagte Friedrichs gegenüber dem «Deutschlandfunk».
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine.
Begründete und berechtigte Klagen innerhalb einer Gesellschaft, in der einerseits Maschinen und «Elektronik-Gehirne» Arbeitsplätze einfacherer bis mittlerer Qualifikation ersetzten. -UND in der andererseits ein deutlich über-proportnionaler Anteil von über 50% «höhere Bildung» hat.
Mit dem -logischen- Ergebnis, dass es sowohl zu wenig Arbeit in «einfachen» Tätigkeiten –
als als in «höherer Qualifikation gibt.
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Wenn sich dann auch noch die «Höheren» -mit höchstem Risiko- ein eigenes Heim leisten «müssen», ist es «perfekt daneben».
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Fakten sammeln und wachsende Not beklagen ist schon ok.
Besser aber wären daraus abgeleitete Lösungs-Ansätze !
Beispielsweise, dass es ein existenz-bedrohendes Risiko ist, bei unbefriedigend niedrigem Einkommen, dessen Grund-Belastung an Fest-Kosten voll zu beanspruchen,
weil dann mit über 50% Wahrscheinlichkeit ein «Absturz» zu erwarten ist – mit einer darauf folgenden Absturz-Spirale, der man dann fast hilflos ausgeliefert ist ! ! !
Also wäre zu empfehlen
den Ärmsten, sich zu Gemeinschaften zusammenzuschliessen – und dadurch zu geringeren Fixkosten zu kommen. —
Denjenigen mit «höheren, aber unsicheren» Einkommen, so bescheiden zu leben, dass erst Notgroschen, anschliessend freies Vermögen, verfügbar — und erst dann Immobilien zu kaufen.
» Bis auf bessere Zeiten » ?!?
Noch lange «kritischer» darf es nicht werden !
Wolf Gerlach, Ingenieur
«Zwischen «lovely jobs» und «lousy jobs» gibt es bald nichts mehr.» – Das gehört zur Visitenkarte der langjährigen deutschen Regierung, die man ob ihrer permanenten Phobie «gegen rechts» durchaus als links, also als sozialistisch einstufen kann. – Vielleicht wäre die Alternative für Deutschland doch mal ein Versuch wert. Deren Parteiprogramm ist vielversprechend, zur Umsetzung braucht es Wähler.
Campax hat gewagt, es an die Wand zu projizieren: «Milliardäre abschaffen». Bravo Campax ! Einige denken jetzt:
Milliardäre sind nichts Schlechtes auf Erden,
ich möchte doch auch einer werden.
Die Meisten denken überhaupt nichts. Sie stöhnen, wenn es ihnen schlecht geht, sie zucken mit den Schultern, wenn es ihnen gut geht. Lange, lange, lange bevor wir das Milliardärentum abschaffen können, müssen wir wagen in diese Richtung zu denken. Und vielleicht müssen wir wagen, etwas Krasses zu denken. Wir sind heute in einer vergleichbaren Lage wie die Menschen vor der französischen Revolution. Damals ging’s krass zu und her. Sollen wir die Augen zudrücken und warten? Vielleicht sollten wir wagen krasse Veränderungen zu denken.
Das Pensum der MusiklehrerInnen «verteilt sich auf sechs verschiedene Musikschulen» …
Mehrere Arbeitgeber mit kleinem Pensum – das ist auch in der Schweiz ein Thema.
Und diese verschiedenen Musikschulen haben oftmals jeweils zu anderen Zeiten Ferien.
Praktisch haben somit MusiklehrerInnen nur ein gelegentlich reduziertes Pensum. Ferien kann man das nicht nennen.
Ein weiterer Punkt: Bei mehreren Arbeitgebern wächst der administrative Aufwand unverhältnismässig. Die MusiklehrerInnen sollen nämlich bei jedem Arbeitgeber an den Lehrersitzungen, Instrumentenvorführungen, Konzerten etc. dabei sein.
Nach meiner Meinung wird bei dieser interessanten, oft traurigen Beschreibung vieles etwas durcheinandergewürfelt. Grundsätzlich muss die Gesellschaft produktiv sein, damit sie ihre Mitglieder mit Essen und Schutz versorgen kann. Gibt es Überschüsse, kann man sich mehr leisten: Gesundheitsdienste, Erholung, Kultur etc. Mit der fortscheitenden Arbeitsteilung gab es immer mehr Berufe und immer mehr Bedürfnisse, welche diese abdecken. Das ist ein dynamisches Universum, das für die einen mehr, die anderen weniger abwirft. Die Berufswahl ist grundsätzlich frei, man kann nicht gezwungen werden, eine bestimmte Arbeit zu ergreifen. Andererseits tragen alle das Risiko, dass sie wenig verdienen oder nicht eine Arbeit ausüben, die ihnen gefällt. Musikerin ist einfach ein Hochrisiko-Traumberuf. Das gleiche gilt übrigens für Architektur, was ich im zweiten Bildungsweg studiert habe – ich bin also mit prekären Situationen vertraut. Wenn nun eine «ordnende Hand» von oben eingreift, mit dem Ziel, «Gerechtigkeit» zu schaffen, wird dieses dynamische Universum empfindlich gestört. Ich kann nur ein Resultat erkennen: In der Summe weniger Jobs. Dann kommt das Grundeinkommen, die Rente für alle, ins Gespräch. Ich gehe jede Wette ein, dass dieses, wenn es kommen sollte, immer zu niedrig sein wird. Immer! Das beste, was man tun kann, ist das Schaffen wirklich guter Arbeitsvermittlungen und finanzieller Unterstützung, wenn es bei allen Anstrengungen wirklich nicht reicht.
@Manuel Pestalozzi Dieses Argument greift zu kurz. Bei Architekten mag es vielleicht stimmen, auch wenn sie sich nicht als Künstler verstehen. Bei Sait stimmt es nicht. Wenn er beschliessen würde, dass er für so wenig Geld keine Bahnhöfe mehr saubermacht, würde es ein anderer tun, der genau so wenig verdient. Weil wir saubere Bahnhöfe haben wollen, genauso wie Servicekräfte in den Beizen, Pflegekräfte in den Spitälern. «Essen und Schutz» bedeutet nebenbei auch ein einigermassen abgesichertes Alter. Das ist mit einem solchen Lohn nur schwer möglich.
@Manuel Pestalozzi: kleine Zahlenspielerei aus D – je nach Zählweise zwischen 3,5 und 5 Mio Arbeitslose auf wieviel offene Stellen? 100.000? 500.000? Finde den Fehler….
Während meiner Kindheit in den 70ern konnte eine 4-köpfige Familie noch von einem Vollzeiteinkommen leben, egal ob Handwerker, Fabrikarbeiter oder Angestellter. Das geht heute nicht mehr, Lohndumping, Befristung, Zeitarbeit, Auslagerung in Sub’ler vom Sub’ler und ‹der beste Niedriglohnsektor in Europa› machen’s möglich! Die Konsequenz? Altersarmut, weiter sinkende Renten und weiter eine Politik für das 1%.
Ich empfehle das Buch ‹Der korrumpierte Mensch› von Jonathan Aldred, ein wahrer Augenöffner über die neoliberale Wirtschaftspolitik und die Eitelkeit der Möchtegerne-Wissenschaft im Hintergrund!
ES ist schlimm geworden – und Besserung nicht in Aussicht.
Mein erster, «trockener» Kommentar kam wohl schlecht an.
Aber – so leid es mir wirklich tut:
Mit ins Klagen einstimmen bringt Keinem auch nur einen Cent mehr.
Revolutionäres «Befürworten» würde zum «Rohrkrepierer».
Also gibt es wirklich nur 2 Alternativen, wenn «arm dran»,
die -in der Praxis- wechselnd interessant sind:
Passiv: Sich abfinden mit DEM, was unumgänglich, unveränderbar!
Aktiv: Wo -irgend- noch genügend Kraft und Verstand —
zum Positiven ändern, was machbar.
ABER dabei NUR Risiken eingehen, deren Scheitern
«akzeptabel verkraftet» werden kann !!!
Ich drück die Daumen !
Jedem – und von Herzen !
Wolf Gerlach, Ingenieur
@Ameli Ganz: Ich frage mich, ob diese Veränderungen alleine auf «kapitalistische Gier» einiger ganz perfider neoliberaler Instanzen zurückgeführt werden kann. Und ob Soziale Marktwirtschafts-Nostalgie ein Rezept für die Zukunft ist. Die heutige Zeit ist eine andere. Die globalen Konkurrenzverhältnisse sind andere. Nach meinen Erinnerungen waren die 1970er die Jahre der Erdölkrise und zahlreicher Konkurse. Gastarbeiter wurden wieder nach Haus geschickt. In der Schweiz lief die Uhrenindustrie auf Grund – die traditionellen Standortregionen haben sich bis heute nicht richtig davon erholt. Noch immer gibt es dort grosse Leerwohnungsstände.