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«Testosteron hilft beim Aufbau der Muskelmasse und stärkt das Selbstvertrauen»: So wirbt das «Migros-Magazin» für die Doping-Substanz. © magazine.migros.ch

Die Migros macht Reklame für Doping

Esther Diener-Morscher /  «Testosteron hilft beim Muskelaufbau», schrieb das «Migros-Magazin». Nun gibt die Migros zu: Das war eine Fehlleistung.

Der ganze Beitrag im aktuellen «Migros-Magazin» (Seiten 56 und 57) kommt daher wie zwei Werbeseiten für Testosteron: Im Bild zeigt ein Bodybuilder seine Riesen-Muskeln. Darunter steht: «Bärenstark: Testosteron hilft beim Aufbau der Muskelmasse und stärkt das Selbstvertrauen.»

«Kann die Erektionsfunktion verbessern»

Dann folgen acht Gründe, warum Männer Testosteron einnehmen sollten. Unter anderem stärke es die Durchsetzungskraft. Und: «Es ermöglicht sportliche Höchstleistungen und hilft beim Muskelaufbau.» Es könne die Erektionsfunktion verbessern. Der Artikel gipfelt in der Feststellung: «Fakt ist, es ist das zentrale Hormon des Mannes – ein natürliches Anabolikum und ein wichtiger Stimmungsaufheller.»

Klicken die Leser auf die angegebene Website «testo.plus», erscheint dort als Erstes ein Werbefenster, das einen auffordert: «Teste dein Testosteron – CHF 43.55, die Dein Leben verändern können …»

Lebertumore und Unfruchtbarkeit

Was mit keinem Wort erwähnt wird: Testosteron hat viele unerwünschte Nebenwirkungen, verheerende Langzeitfolgen, und es macht süchtig. Das Hormon steht deshalb auch auf der Dopingliste der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada).

Hier nur eine kleine Auswahl der Nebenwirkungen: Lebertumore, Unfruchtbarkeit, Erektionsstörungen, Verkleinerung der Hoden, Brustwachstum, Haarausfall.

Trotz dieser massiven Gefahren ist Testosteron zum Lifestyle-Hormon geworden. Suchtberatungsstellen stellen fest: Testosteron wird nicht nur im Spitzensport als illegales Dopingmittel eingesetzt, sondern ist auch in der Fitnessstudio-Szene verbreitet.

Seltsam, dass die Migros ausgerechnet auf ihrer Gesundheits-Seite darüber berichtet, dass all die genannten Gefahren nur «Mythen» und «Missverständnisse» seien, und zum Fazit kommt: «Männer müssen keine Angst vor einer Testosteronersatztherapie haben.»

Arzt betreibt eigenes Hormon-Testzentrum

Für die «Aufklärung der vielen Missverständnisse» zitiert die Journalistin Nina Merli den Berner Arzt Bruno Müller. Er ist Spezialarzt für Hormone und Diabetes. Während mehrerer Jahre arbeitete er auch als Antidopingexperte von Swiss Olympic.

Heute betreibt er ein eigenes Testosteron- und Hormon-Testzentrum. Dort bietet er Testosteron-Therapien an. Diese Therapien seien risikolos, da er ein erfahrener Hormon-Spezialist sei, schreibt er auf seiner Website.

Auf die Frage eines Lesers des «Migros-Magazins», warum er so unkritisch über Testosteron Auskunft gebe, antwortete Bruno Müller nur: «Ich beschäftige mich seit über 30 Jahren mit der klinischen Anwendung von Testosteron – und erfahre, wie schwer sich Patienten mit dem Thema tun wegen der falschen Mythen um Testosteron, die notabene seit Jahren falsifiziert sind.»

Migros: «Journalistische Fehlleistung»

Einiges selbstkritischer ist die Migros. Migros-Sprecher Tristan Cerf räumt ohne Umschweife ein: «Es war eine journalistische Fehlleistung.» Das Bild und die «ungünstige Legende» gäben dem Text eine falsche Richtung.

Cerf sagt gegenüber Infosperber: «Für die Aussagen des Arztes fehlt eine Einbettung. Im Text geht es um Testosteron-Mangel und nicht um Bodybuilding.» Und klar ist für Tristan Cerf auch: «Man hätte erwähnen müssen, dass es einen Schwarzmarkt für Testosteron gibt, dass es als Dopingmittel missbraucht werden kann und dass die ärztlich unbeaufsichtigte Einnahme von Testosteron gefährlich ist.»

Er räumt zudem ein: Der Verweis auf Bruno Müllers Website sei falsch, da sie als Werbung missverstanden werden könne.

Mittlerweile hat Bruno Müller reagiert. Auf seiner Website erscheint nicht mehr als Erstes das Testosteron-Test-Angebot für 43.55 Franken. Dieser Preis ist übrigens ein Phantasiepreis. Denn es kommen obligatorisch noch eine Auftragstaxe, die Kosten für die Blutentnahme und den Befund sowie die Mehrwertsteuer hinzu.

Das sagt Antidoping Schweiz

Infosperber hat die Antidoping-Stiftung Swiss Sport Integrity (SSI) gefragt, was sie vom Artikel im Migros-Magazin halte. SSI-Sprecher Jonas Personeni sagt:

  • Die Reaktion der Migros deckt sich mit unserer Meinung, es ist definitiv eine journalistische Fehlleistung.
  • Die Nebenwirkungen von anabolen Steroiden zu verharmlosen ist problematisch. Für Patientinnen und Patienten, die einen klinisch nachgewiesenen Hormonmangel haben, kann eine indizierte Therapie sinnvoll sein – jedoch fehlt diese Einordnung im Artikel komplett.
  • Es wird auch nicht erwähnt, dass die Einfuhr von Dopingmitteln gesetzlich verboten ist und ohne medizinische Legitimation zur Einziehung und Vernichtung dieser Mittel gemäss einem Verwaltungsverfahren führt. Darüber hinaus wird auch nicht vor den grossen Gesundheitsrisiken bei Bestellung im Internet bei unseriösen Quellen gewarnt.
  • Anabole Steroide sind gemäss der Dopingliste der Welt-Anti-Doping-Agentur jederzeit in allen unterstellten Sportarten verboten – auch für Freizeitsportler. Dies betrifft in der Schweiz rund zwei Millionen Menschen.

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2 Meinungen

  • am 12.11.2024 um 14:33 Uhr
    Permalink

    Die Migros hat sich zu einem Konzern gemausert, der nur noch mit negativen Schlagzeilen von sich reden macht. Sie fühlt sich auch offensichtlich nicht mehr für die Unschädlichkeit ihrer Produkte und Empfehlungen verantwortlich. Beispiele dazu gibt es viele. Auch in den Qualitätstests von K-Tipp und Saldo schliesst sie oft nur noch in den hintersten Rängen ab. Ihr Gründer «Dutti» würde diesen Laden wahrscheinlich unverzüglich schliessen.

    Für mich ist seit Jahren klar: Ich meide die Migros und alle ihre angekoppelten Firmen wie der Teufel das Weihwasser. Sollte dieses Gebilde einmal zusammenkrachen, bedaure ich nur die vielen Menschen, die dort vertrauensvoll arbeiten. Und beim Management werden, wie immer, keine Handschellen klicken.

    Herbert Schweizer, Biel/Bienne

  • am 14.11.2024 um 14:34 Uhr
    Permalink

    Danke für den Bericht. Einen Untersuchungs-Ausschuss sollte von den Migros Mitgliedern gefordert werden. Es ist eine Schande. Es könnte aber auch sein, das die Migros bewusst von Marketing Organisation unterwandert wurde. Man schaue in die USA. Wirtschaftsgrössen des Kaders werden in Konzernen platziert, die an die Wand gefahren werden müssen. In Wirklichkeit arbeiten diese erfolgversprechenden «Grössen» verdeckt für monopolistische superreiche Spekulanten, welche dann einen auf diese Weise marodierten Betrieb aufkaufen wenn er am Boden liegt. Es gibt wohl nichts, was es nicht gibt im Teich des missbrauchten Kapitalismus.

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