Die Airlines werden zu Wegelagerern
Die Medien tun es und die Airlines tun es – sie legen ihren Kunden nahe, für Dienstleistungen extra zu bezahlen, die früher selbstverständlich im Abo- oder im Ticketpreis enthalten waren. Wer also «vertiefte Analysen und umfassende Einordnungen zu den geopolitischen und weltwirtschaftlichen Entwicklungen» lesen möchte oder wer im Flugzeug an einem speziellen Platz sitzen beziehungsweise besonders viel Gepäck auf die Reise mitnehmen will, muss einen Extra-Batzen berappen.
Die einen tun es aus purer Not, weil ihnen sonst die Abonnenten wegsterben. Die anderen, um in einem boomenden Markt rücksichtslos die Gewinne zu maximieren. Tatsächlich fliegen die Europäer in diesen Tagen trotz allem Gerede über den Umweltfrevel so viel, wie lange nicht mehr. An den Airports der USA verzeichnete die Transportation Security Administration in den vergangenen Tagen wegen Thanksgiving rekordverdächtige Passagierzahlen: Anfang Dezember wurden an den Sicherheitskontrollen mehr als drei Millionen Personen abgefertigt – so viele, wie nie zuvor.
Billige Tickets – enorme Sondergebühren
Und die Airlines nehmen ihre Passagiere aus, wie Weihnachtsgänse. Wer es sonst nicht glauben mag, schaut sich am besten das Ergebnis einer Analyse mit dem Titel «The Sky’s the Limit: The Rise of Junk Fees in American Travel» an, die der amerikanische Senator Richard Blumenthal in Auftrag gegeben beziehungsweise erarbeitet hat. Sie zeigt, dass die fünf grössten amerikanischen Fluglinien American, United, Delta, Spirit und Frontier von 2018 bis 2023 satte 12,5 Milliarden Dollar an Gebühren eingenommen haben, welche sie für die Reservation von spezifischen Sitzplätzen verlangten. Im vergangenen Jahr waren diese Einnahmen höher als das, was für eingechecktes Gepäck verrechnet wurde.
Blumenthal und seine Mitstreiter untersuchten die Angelegenheit ein Jahr lang und stellten fest, dass die Fluggesellschaften immer öfter Algorithmen verwenden, um die Preise und Gebühren nach Analyse von Kundeninformationen festzusetzen. Einige Airlines nutzen ihre Taktik möglicherweise dazu, Steuerzahlungen zu minimieren. Die Billigfluglinien Frontier und Spirit zahlten zwischen 2022 und 2023 «Erfolgsprämien» von insgesamt 26 Millionen Dollar an ihr Gatepersonal und an andere Personen, die Passagiere erwischten, welche angeblich die Gepäckgebühren nicht bezahlt hatten oder die übergrosse Gegenstände mit sich führten.
Dem Bericht zufolge kann das Personal von Frontier bis zu zehn Dollar für jedes Gepäckstück verdienen, das ein Passagier am Gate nachträglich aufgeben muss. Ein Mitarbeiter der Airline erklärte gegenüber Blumenthal & Co., die Durchsetzung der Gepäckrichtlinien sei nötig, weil die Fluggesellschaft nicht wolle, dass die Kunden mehr mitnehmen oder die Fluggesellschaft «bestehlen». Interne Richtlinien seien darauf ausgerichtet, die «Gebühreneinnahmen» beziehungsweise die Nebeneinkünfte zu maximieren.
Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Kosten und Gebühren
Frontier und Spirit setzten die Gebühren für das Gepäck «dynamisch» fest. Das könne bedeuten, dass jeder Kunde einen anderen Preis für sein Gepäck bezahle. Interne Marketingdokumente aus dem Jahr 2022 zeigten zudem, dass Deltas digitales Marketingteam «Propensity-Modelle» entwickelt habe, um die Kaufbereitschaft eines Kunden auf der Grundlage seines Profils und seiner einzigartigen Charakteristika zu eruieren. Spirit zwinge potenzielle Kunden, auf der Website persönliche Daten anzugeben, bevor der Preis für die Sitzplatzwahl angezeigt werde, heisst es weiter.
Faktisch gebe es keinen Zusammenhang zwischen den Kosten und den Gebühren, die für das Erbringen der Dienstleistungen verrechnet werden. Aus diesem Grund fürchten Blumenthal und seine Mitstreiter, die Fluggesellschaften würden weiter an der Preisschraube drehen, da sie an keine Grenzen gebunden seien. Sie klagen, das Buchen von Flügen sei aufgrund der Gebührenschneiderei der Fluggesellschaften komplizierter und willkürlicher geworden. Wer einen scheinbar günstigen Flug bei einer Billig-Fluggesellschaft erstanden habe, müsse mit kleinkariertem Streit über die Grösse und das Gewicht des Gepäcks rechnen.
Die etablierten Airlines hingegen versuchen sich über ihre «Premiumprodukte» zu vermarkten. So kommt es, dass die Erlöse aus Kreditkarten- oder sonstigen Treueprogrammen die Einnahmen aus dem Flugverkehr selbst übersteigen. Längst gibt es eine Inflation von «Kundenklassen», die weit über die konventionelle First- und Businessclass oder die Grossraum-Käfighaltung hinausgeht.
Rekordstrafe für europäische Billigflieger in Spanien
Natürlich beschränkt sich diese Entwicklung nicht nur auf den amerikanischen Markt, sondern sie ist auch nach Europa herübergeschwappt. Wer zum Beispiel einen Flug von Zürich nach Berlin buchen möchte, erhält zwar gelegentlich sehr günstige Angebote, kann aber unter Umständen nur sehr wenig Gepäck mitnehmen. Sollte es mehr werden, müsste es der Passagier gegen einen Aufpreis dazubuchen oder beim Einchecken teuer nachzahlen.
Zudem wurde kürzlich bekannt, dass Spanien die Fluggesellschaften Ryanair, Vueling, Easyjet, Volotea und Norwegian zu Strafgeldern in Millionenhöhe verdonnert hat. Die Verbraucherschutzorganisation Facua hatte Ende Mai Beschwerde wegen hoher Gebühren fürs Handgepäck, wegen Aufschlägen für Sitzplatzreservierungen für die Begleitperson eines Kindes oder eines Behinderten, für das Ausdrucken der Bordkarte am Flughafen und für Barzahlungen am Schalter eingereicht. Das spanische Verbraucherschutzministerium verhängte nicht nur die Geldstrafen in Höhe von 179 Millionen Euro, sondern es hat die relevanten Praktiken für die Zukunft untersagt.
Ein Blick auf die Marktanteile im europäischen Luftraum zeigt die Dominanz der Billigfluggesellschaften. Ryanair führt mit einem Marktanteil von 30 Prozent, gefolgt von Easyjet mit 15 Prozent und Vueling mit 6 Prozent. Die Swiss hat mit nur 2 Prozent Marktanteil eine untergeordnete Rolle.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Vor dem Hintergrund all dieser Tatsachen rund ums Fliegen (dazu gehören auch Lärm, Umweltverschmutzung etc.) gibt es nur eine Konsequenz nämlich NICHT FLIEGEN !