Das Medium beeinflusst die Meinung – schon nach kurzer Zeit
Welches Medium jemand konsumiert, beeinflusst die Meinung dieser Person – und das schon nach erstaunlich kurzer Zeit. Das ist das Ergebnis einer Studie, die zwei Politikwissenschaftler aus Kalifornien durchgeführt haben.
David Broockman und Joshua Kalla wählten einen ungewöhnlichen Ansatz, um zu untersuchen, wie sehr Medien die persönliche Meinung beeinflussen. Sie setzten 304 Konsumentinnen und Konsumenten des Senders «Fox News» einen Monat lang auf CNN-Diät.
Schon diese kurze Zeit beeinflusste ihre Perspektive auf aktuelle Geschehnisse, zeigt der Feldversuch, dessen Ergebnisse als Preprint vorliegen.
Fake-News-Schleuder vs. Demokraten-Kanal
Die Teilnehmenden bekamen 15 Dollar die Stunde dafür, dass sie jede Woche bis zu sieben Stunden CNN schauten, und zwar vorzugsweise während der Zeiten, in denen sie sonst «Fox News» konsumierten. Dass sie das auch tatsächlich taten, kontrollierten die Wissenschaftler durch Quizfragen.
«Fox News» ist der meistgesehene Nachrichtenkanal der USA und gerät immer wieder wegen falscher Berichterstattung in die Kritik. «Fox» gilt als rechtskonservativ und polarisierend. In der Regierungszeit des Ex-Präsidenten galt der Sender als Trump-Kanal. CNN vertritt dagegen eher die Linie der Demokratischen Partei, muss sich aber auch häufig anhören, in seiner Berichterstattung über das Ziel hinauszuschiessen.
September 2020: Rassenunruhen, Corona, Trump
Während des Versuchszeitraums im September 2020 berichtete CNN ausführlich über die Corona-Pandemie und Trumps Reaktion darauf. «Fox News» konzentrierte sich mehr auf Rassenunruhen, die das Nachrichtengeschehen im September 2020 ebenfalls bestimmten.
Ein weisser Polizist hatte am 23. August in Kenosha, Wisconsin, dem Schwarzen Jacob Blake in den Rücken geschossen. Es folgten Boykotte und Protestmärsche, bei denen der weisse Teenager Kyle Rittenhouse wiederum zwei Männer erschoss.
«CNN-Wechsler» dachten weniger extrem
Beim Teilnehmerkreis der Studie, der politisch grösstenteils mit den Republikanern sympathisierte und Donald Trump unterstützte, zeigte der veränderte Medienkonsum schon nach kurzer Zeit Effekte. Das ergaben Umfragen während und kurz nach dem Feldversuch.
Die Probanden änderten ihre Haltung im Vergleich zu einer Kontrollgruppe, die weiter «Fox News» schaute, merklich. Politische Extreme schwächten sich ab, der politisch anderen Gruppierung wurde seltener Boshaftigkeit unterstellt und die Meinung der Teilnehmenden zum Umgang der US-Regierung mit Corona änderte sich.
So stuften weniger Wechsler und Wechslerinnen die umfangreichen Proteste nach den Schüssen auf Blake als «Überreaktion» ein. Es gab auch weniger CNN-Konsumenten, die dachten, dass unter einer Biden-Regierung «mehr Polizisten von Black-Lives-Matter-Aktivisten erschossen» würden. Sie glaubten weniger häufig als die Kontrollgruppe, dass sich «Biden-Unterstützer freuen, wenn Polizisten erschossen werden». Der Anteil derer, die die US-Präsidentenwahl 2020 als «gestohlene Wahl» ansahen, sank.
Ein grösserer Anteil wusste von Long Covid
Die Wechsler zeigten dazu einige offensichtliche Auswirkungen. Sie wussten besser über Inhalte Bescheid, über die auf CNN ausführlicher berichtet wurde, wie die Haltung von Politikern der Demokratischen Partei. Die Reaktion anderer Länder auf die Covid-19-Pandemie war ihnen eher bekannt und ein grösserer Anteil wusste um Long Covid als Folge der Krankheit.
So deutliche Ergebnisse hatten die Wissenschaftler nicht erwartet. In einem E-Mail-Interview mit dem «Guardian» zeigte sich Co-Autor Joshua Kalla überrascht, dass ein Monat CNN-Konsum überhaupt einen messbaren Einfluss auf die Meinung der Zuschauer hatte.
Forschende sind selbst überrascht
«Der überraschendste Effekt ist, dass ein Wechsel von Fox News zu CNN für einen Monat überhaupt einen Effekt hatte», sagte er. Leute, die Cable News konsumierten, seien in der Regel sehr meinungsstark und vertrauten Quellen, die nicht mit ihrer Partei verbunden seien, eher nicht.
Eine andere Arbeit aus Deutschland, die die Auswirkungen russischer Propaganda auf die Meinung von 2300 Deutschen untersuchte, kam zu dem Schluss, dass der Inhalt mehr Einfluss hat als das Medium – selbst, wenn es sich um fragwürdige Kanäle wie «RT Deutschland» handelt, von denen die meisten Konsumentinnen wissen, dass sie nicht neutral berichten. Ein Ergebnis, das wiederum die deutschen Forscher überraschte.
Ohne Bezahlung schauten die Probanden wieder «Fox»
Medienkonsum lässt sich aber nur schwer dauerhaft beeinflussen, zeigt das Experiment in Kalifornien. Die meisten Teilnehmer kehrten zu «Fox News» zurück, als sie fürs CNN-Schauen kein Geld mehr bekamen. Von Dauer war ihr Meinungsumschwung deshalb nicht. Zwei Monate später hatte sich der Effekt grösstenteils wieder verloren, zeigte die Abschlussumfrage.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Interessant ist, dass der TV-Kanal der «Welt» während einiger Wochen als Selensky-Plattform auf Kriegshetze blies, in jüngster Zeit aber wieder vermehrt Kriegsdokumentarfilme ausstrahlt. Vielleicht hat man eingesehen, dass das emotionelle Umfeld nicht allzustark überspannt werden sollte.
Von Deeskalation oder aktiver Lösungssuch ist wohl nicht die Rede. Dafür ist der Leidensdruck offenbar noch zu klein. Auf den übrigen deutschen Sendern ist die Kriegsbegeisterung etwas weniger gross, während BFM-TV in Frankreich auf beiden Seite Punkte zu machen versucht. Hier hat die Präsidentenwahl natürlich die Themen mitbestimmt. Die englische Sky-TV sind eher kriegsfreudig. Herr Selensky ist auch auf all diesen Sendern die Ankerperson der letzten Wochen.
CNN ist, wie im Artikel erwähnt, im wesentlichen Sprachrohr der Demokraten. Aber selbst BBC und Aljazeera tun sich manchmal schwer, nicht ins allgemeine Kriegsgeschwätz einzustimmen.
Was CH-TV betrifft, war die Sendung der RTS aus Bucha bemerkenswert.
Mist. Ist das jetzt ein Argument für die Zensur von RT & Co.? Hat die EU doch das Richtige getan?
Herr Hunkeler schreibt von Kriegshetze, Kriegsbegeisterung, Kriegsgeschwätz – Wen meint er damit? Etwa Timofei Sergeitsev von der Agentur Ria Novosti, einen Mann mit guten Beziehungen zu Putin?
Sergeitsev hat in einem Text vom 10. April 2022 zur völligen Vernichtung des Staates Ukraine, seiner Strukturen sowie all jener Menschen, die sich den russischen Plänen widersetzen, aufgerufen. Ein paar Auszüge daraus:
«Die Nazis, die zu den Waffen griffen, sollten auf dem Schlachtfeld so weit wie möglich vernichtet werden. (…) Auch ein erheblicher Teil der Massen, die passive Nazis, Komplizen des Nazismus sind, ist schuldig. Sie haben die Nazi-Regierung unterstützt und geduldet.»
«Der Ukronazismus stellt nicht weniger, sondern eine grössere Bedrohung für die Welt und Russland dar als der deutsche Nationalsozialismus in der Hitler-Version.»
Wer betreibt Kriegshetze, Herr Hunkeler? Die Überfallenen, die um Hilfe rufen?
Ich kenne den Herrn Sergeitsev nicht, stelle aber fest, dass in der ersten Kriegswoche verschiedentlich noch Lösungsansätze gesucht wurden. Die meisten von mir erwähnten Sender sind von der Deeskalation weggekommen und haben die Aussage des US-Kriegsministers Austin übernommen, wonach das Kriegsziel nicht etwa die Erhaltung der Ukraine sondern die absolute Schwächung Putins, bzw. Russlands sein soll.
Gleichzeitig wird auf vielen dieser Sender der Stop der Öl- und Gasimporte als unabdingbar gefordert, obwohl die Rolle dieser Gelder zur Finanzierung des Krieges kaum belegt ist. Die Soldaten erhalten ihren Sold in Rubel, nicht in Dollars, usw.
Dass dabei die westliche Wirtschaft massiv geschädigt wird, wird geflissentlich ausgeblendet. Die enormen Kriegsprofite in den US und GB sind Kollateral-Effekte, welche die Medien nicht zur Kenntnis nehmen wollen.
Dieser Artikel ist kein Argument für eine Zensur – im Gegenteil.
Für mich bedeutet er – OBACHT, noch mehr aufpassen, bevor ich mir eine feste Meinung bilde.
Alles muss noch mehr und öfter hinterfragt werden, woher die Infos kommen und was wer damit bezweckt. Dieses Denken spüre ich auch in Herrn Hunkelers Text oben.
Ich denke, es ist eine echte und spannende Herausforderung …
Neugierde und viele kritische Stimmen, wie sie bei Infosperber und anderen Orten (manchmal sogar in Beizen) zu hören sind, helfen dabei. Es lohnt sich, Vieles kritisch zu hinterfragen und wieder neu zu (über)denken.
Leider werden die grossen Medienhäuser immer grösser und viele wichtige, feine und leise Stimmen verschwinden. Das erschwert die Meinungsbildung zusehends oder vergrössert die Herausforderung …
Vielleicht wäre es gut, wenn die jungen Journalistinnen, Politiker sowie Fachleute vermehrt sich an den Erfahrungen kritischer Alter (Senat) orientieren ( z.B. E. Gysling, K. v. Dohnany, O. Schily etc.).
Josef Hunkeler, Fribourg
am 12.05.2022 um 09:33 Uhr
Ich kenne den Herrn Sergeitsev nicht, stelle aber fest, dass in der ersten Kriegswoche verschiedentlich noch Lösungsansätze gesucht wurden. Die meisten von mir erwähnten Sender sind von der Deeskalation weggekommen und haben die Aussage des US-Kriegsministers Austin übernommen, wonach das Kriegsziel nicht etwa die Erhaltung der Ukraine sondern die absolute Schwächung Putins, bzw. Russlands sein soll.
Gleichzeitig wird auf vielen dieser Sender der Stop der Öl- und Gasimporte als unabdingbar gefordert, obwohl die Rolle dieser Gelder zur Finanzierung des Krieges kaum belegt ist. Die Soldaten erhalten ihren Sold in Rubel, nicht in Dollars, usw.
Dass dabei die westliche Wirtschaft massiv geschädigt wird, wird geflissentlich ausgeblendet. Die enormen Kriegsprofite in den US und GB sind Kollateral-Effekte, welche die Medien nicht zur Kenntnis nehmen wollen.
Schon was von Shireen Abu Akleh gehört. Westliche Medien sind auf Selensky fokussiert.
Probleme entwickeln sich auch ohne westliche Wertekommentare.