AHV: Die NZZ unterschiebt «Ja»-Stimmenden unmoralische Motive
Was wurden doch im Vorfeld zur Abstimmung für eine 13. AHV-Rente die Befürworter und Befürworterinnen beschimpft. Lauter Egoisten, seien das, hiess es unter anderem.
Nun haben fast 1,9 Millionen Schweizer und Schweizerinnen für die 13. Rente gestimmt. Darunter auch viele Junge, wie die Abstimmungs-Nachbefragung des Tamedia-Verlags zeigt. 40 Prozent aller 18- bis 34-Jährigen, die sich an der Abstimmung beteiligten, stimmten laut Tamedia für die 13. Rente.
Damit sollte die Debatte über die angeblichen Egoisten eigentlich erledigt sein. Doch die NZZ verunglimpft die «Ja»-Stimmenden weiter. Sie hätten gegen einen grundlegenden «Generationenvertrag» verstossen. Dabei ist es die NZZ, die das solidarische System der AHV jetzt in Frage stellt. Und dies gleich in zwei Kommentaren vom 5. März. Der eine stammt von Inland-Chefin Christina Neuhaus, der andere von Wirtschafts-Chef Peter A. Fischer.
Christina Neuhaus schrieb:
«Über eindreiviertel Jahrhunderte konnte sich die liberale Revolution von 1848 in der Schweiz halten. Viel länger als in allen anderen Ländern. Dies auch, weil sich die Revolutionäre von damals an der alten helvetischen Allmend- und Korporationskultur orientierten: Jeder nimmt nur so viel, wie er braucht. Doch an diesem Sonntag scheint dieses Zeitalter zu Ende gegangen zu sein.»
Infosperber wendet ein:
Die NZZ meint damit das Giesskannen-Prinzip – dass also auch jene Pensionierten eine 13. Rente erhalten, die sie gar nicht nötig haben. Nur: Ist das neu? Nimmt wirklich jeder «nur so viel, wie er braucht»? Richtet der Bund etwa Subventionen nur an bedürftige Landwirte aus? Verzichten reiche Bauern auf Subventionen?
Christina Neuhaus schrieb:
«Am Sonntag sind gleich zwei Gesellschaftsverträge gebrochen worden. Nicht nur der stumme Pakt mit der Wirtschaft, der besagt, dass sich die Bevölkerung mit Forderungen an den Staat zurückhält, solange die Unternehmen ihre soziale Verantwortung übernehmen, wurde aufgelöst.»
Infosperber stellt richtig:
Wie Unternehmen diese angebliche «soziale Verantwortung» wahrnehmen, zeigt etwa das Beispiel der Novartis. Der frühere Chef Daniel Vasella kam zwischendurch auf einen Lohn von 44 Millionen Franken pro Jahr. Später war eine Abgangsentschädigung von 72 Millionen vereinbart. Der jetzige Novartis-Chef Vas Narashimhan bekam letztes Jahr einen Lohn von 16 Millionen Franken. 2022 hatte er den Abbau von 1400 Stellen allein in der Schweiz angekündigt. Schon davor hatte Novartis mehr als 2000 Stellen hierzulande abgebaut. Wer also hat diesen «stummen Pakt» aufgelöst?
Christina Neuhaus schrieb:
«Auch der Generationenvertrag, der die Solidarität der arbeitenden Bevölkerung mit den Rentnern sicherstellen soll, wurde verletzt.»
Infosperber fragt:
Wer hat diesen «Generationenvertrag» wie verletzt? Die NZZ-Inland-Chefin bleibt die Erklärung schuldig.
Christina Neuhaus schrieb:
«Offensichtlich wollte die Mittelklasse, der Ende des Monats immer weniger Geld bleibt, auch dem Staat und seinen politischen Repräsentanten einen Denkzettel verpassen.»
Infosperber korrigiert:
Kaum jemand wollte «dem Staat und seinen politischen Repräsentanten einen Denkzettel verpassen». Den meisten ging es darum, Kaufkraftverluste zu kompensieren. Diese sind wegen gestiegener Preise und Krankenkassenprämien entstanden sowie wegen der ständig sinkenden Umwandlungssätze der Pensionskassen.
Christina Neuhaus schrieb:
«Mit vollen Händen ausgegeben werden die öffentlichen Mittel in diesem Land vor allem von Rot-Grün.»
Infosperber berichtigt:
Es sind «vor allem» die Bürgerlichen, die der Landwirtschaft und anderen Wirtschaftszweigen zu immer grösseren Subventionen verholfen haben. Oder wenn wir bei der Aktualität bleiben wollen: Wer will gerade zusätzliche Milliarden in die Armee pumpen? Etwa Rot-Grün?
Peter A. Fischer schrieb:
«Möglichst vermieden werden sollten zusätzliche grosse Umverteilungen: Der Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung geht sonst verloren. Das gilt gerade auch bei der Altersvorsorge, bei der ja eigentlich das individuelle Sparen fürs Alter im Zentrum stehen sollte.»
Infosperber gibt dem NZZ-Wirtschafts-Chef Nachhilfe:
Die Altersvorsorge in der Schweiz basiert auf drei Säulen. Die 1. Säule, die AHV, ist solidarisch organisiert. Gespart wird eben gerade nicht individuell. Die Aktiven zahlen für die Pensionierten. Spitzenverdiener zahlen mehr ein, als sie später erhalten. Die 2. und die 3. Säule, Pensionskassen und Private Vorsorge, sind egoistisch organisiert. Hier spart jeder für sich, wobei sich Banken und Versicherungen eine goldene Nase daran verdienen.
Peter A. Fischer schrieb:
«Die Lohnabzüge haben grosse Haken. Die Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge werden auf dem ganzen Lohn erhoben, sind aber bereits ab mittleren Einkommen nicht mehr rentenbildend. So findet eine erhebliche versteckte Umverteilung von Reicheren zu Ärmeren statt.»
Infosperber korrigiert:
Von «versteckter» Umverteilung kann keine Rede sein. Dass Spitzenverdiener und deren Arbeitgeber viel mehr einzahlen als Geringverdiener und dann doch nur eine Rente von gegenwärtig 2450 Franken pro Monat erhalten, war von Anfang an gewollt und immer transparent. «Versteckt» ist da gar nichts.
Peter A. Fischer schrieb:
«Bei einer Finanzierung der 13. Rente allein über höhere Lohnbeiträge wäre aber auch die Umverteilung von Jung zu Alt extrem: Die erwerbstätigen Jüngeren müssten den Älteren die zusätzliche Rente finanzieren, zu der Letztere gar nichts beitragen würden.»
Infosperber erklärt:
Dass die Jüngeren mit ihren Beiträgen die Renten der Älteren finanzieren – das ist das Wesen der AHV. Die Älteren von heute haben schliesslich auch während Jahrzehnten die Renten der damals schon Pensionierten finanziert. Ganz ohne Murren. So funktioniert die AHV. Und sie verursacht erst noch geringere Kosten als die Pensionskassen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Danke für die erhellende Replik. Die NZZ entwickelt oder radikalisiert sich immer mehr von der «alten Tante» mit kühlem Kopf zu einem kämpferischen Meinungsblatt. Infosperber, bleibt dran!
Gut gemacht, Marco Diener!
Danke an Marco Diener! Ja, die AHV wird immer wichtiger, weil die Vermögensverteilung in der Schweiz immer ungleicher wird. Der Unterschied (CHF 517’880) zwischen dem Durchschnittsvermögen (ist CHF 685’230) und dem Vermögens-Median (50% haben mehr und 50% haben weniger ist CHF 167’350) wird von keinem Land auf dieser Welt übertroffen. Damit übertreffen wir sogar die USA, die mit CHF 443’610 den zweiten Platz in der Ungleichheit erreicht. – Die Lösung: Wer ein Vermögen von weniger wie CHF 685’000 sollte bei den nächsten Wahlen ‹Pro13.AHV›-Parlamentarier wählen! Sie würden jede Abstimmung gewinnen!
Spannend wäre, herauszufinden, warum Inland-Chefin Christina Neuhaus und Wirtschafts-Chef Peter A. Fischer ihre Beiträge so formulierten. Beide halte ich für intelligent und informiert. Die von Infosperber präsentierten Fakten dürften ihnen somit hinlänglich bekannt sein. So bleibt mir die Vermutung, dass eine faktenbasierte Message für Leserinnen und Inserenten der ehrwürdigen NZZ wohl weniger gut verdaulich wäre, als die zornige Schelte an die Adresse der Mehrheit der Stimmenden. Hmm…
Ich habe auch für eine 13. AHV Rente gestimmt, gleichzeitig aber auch für die Erhöhung des Rentenalters. Als Bismarck die Invaliditäts- und Altersversicherung eingeführt hat, musste man das 70. Lebensjahr vollendet haben um in den Genuss der Rente zu kommen. Die durchschnittliche Lebenserwartung damals lage bei 45 Jahre (Männer) und 48 Jahre (Frauen). Es zwischenzeitlich hat sich die durchschnittliche Lebenserwartung fast verdoppelt und das Rentenalter wurde gesenkt. Das passt so nicht zusammen.
Darüber hinaus hat es auch die Politik sich das ganze selbst eingebrockt. Fürs Ausland hat man Milliarden und Abermilliarden zur Verfügung. Aber die Aufgabe des Staates wäre, sich primäre um die eigenen Bevölkerung zu kümmern (nicht nur um die eigenen Staatsbürger). Und wenn die Finanzen nicht ausreichen, soll man halt man Entwicklungshilfe, Ukrainehilfe etc. zurückfahren und nur Asylbewerber, nicht Wirtschaftsflüchtlinge, sollten unterstützt werden.
Oder bei den 10 Milliarden für eine sinnlose Armee oder bei den 21 Milliarden für eine kommunistische Agrarwirtschaft..,.
Spannend, wie tief die Gräben sind. Aber genau genommen ist die ganze heutige Altersvorsorge ein einziges Fehlkonstrukt.
Unsere Art wie wir Vermögen an die Erben weitergeben, die hat Mohammed eingeführt. Damals war die Erbschaft aber noch eine Art Familien-interner Generationen-Vertrag, der Art: «Du pflegst mich im Alter, dafür bekommst mein Dattelhain», oder «meine Karawane» – wie auch immer.
Seit 1948 haben wir diesen Vertrag in der AHV vergesellschaftet, zu Recht; denn wer damals nichts hatte (das er vererben könnte), der hatte im Alter schlechte Karten. Der Logik von Mohammed folgend müsste nun aber auch die Erbschaftet vergesellschaftet werden, sprich der AHV zufliessen. Aber der AHV fliesst aus Erbschaften nichts zu, rein gar nichts. Wieso nicht? Selbstverständlich kann man dabei eine Freigrenze einziehen, aber allzu hoch sollte die nicht sein. Stattdessen belasten wir die arbeitende Bevölkerung dass sich die Balken biegen. Irgendwie macht das keinen Sinn.
Man konnte sogar schon in der NZZ kluge Kommentare zur 13. AHV-Rente lesen. Die haben es, im Gegensatz zu den hier zitierten, bemerkt: Die alte «helvetischen Allmend- und Korporationskultur» wurde nicht mit Annahme dieser Initiative beschädigt, sondern lange vorher durch die Mentalität eines NZZ-nahen Geldadels, der sich nicht nimmt, soviel er braucht, sondern soviel er kann.
Es ist auch kein Generationenkonflikt. Den kann die NZZ lange herbeischreiben, wahrer wird es trotzdem nicht. Es ist ein Gesellschaftskonflikt, nicht zwischen reich und arm, sondern zwischen sehr reich und dem Rest.
Was im Abstimmungskampf nur selten explizit erwähnt wurde, ist die Tatsache, dass
1. Erziehungsgutschriften nur bei der AHV greifen und es 2. immer noch etliche Fimen und Organisationen gibt, die eine Erhöhung des Arbeitspensums ausschliessen, damit für den Arbeitgeber ja keine PK-Pflicht entsteht.
Beides wirkt sich vor allem für Frauen aus. Deshalb war es höchste Zeit, dass die AHV erhöht wurde.
Perfekte Berichtigung, vielen Dank Herr Diener!
Danke liebe Politiker für Ihre ehrliche Meinung. Sie bestätigt nur meine Meinung vor der Abstimmung. Und mit der Aussage:
«Jeder nimmt nur so viel, wie er braucht» haben Sie den Nagel auf den Kopf getroffen. Sie finden echt, dass 65 Jährige Rentner exzessiv leben, und Politiker, Banker, PK Vorstände die Bescheidenen sind? No words.
Marco Dieners Kritik an der durch die NZZ betriebenen Anpöbelei der nach Meinung von Neuhaus und Fischer von «unmoralischen Motiven» getriebenen «Ja»-Stimmenden ist voll und ganz gerechtfertigt. Entspechende Kritik kann hingegen durchaus in entgegengesetzter Richtung angebracht werden : Mit dem mittlerweile berühmt gewordenen, durch die vom gegnerischen Komittee veranlassten unanständigen Rundbrief der fünf mit einer fürstlichen Altersversorgung gesegneten Alt-Bundesräte Ogi, Leuthard, Schneider-Ammann, Couchepin und Deiss an die Senioren unseres Landes, mit welchem sie diese auffordern, ein Nein einzulegen, haben diese Herrschaften jeglichen Sinn für Anstand und Stil vemissen lassen.
Nach deren unsäglichen Nein Kampagne können VerliererInnen einen demokratischer Entscheid nicht akzeptieren. Es liegt in deren Naturell nachzutreten. Logischerweise sind Rot / Grün Schuld, auch wie immer.
Noch keine Woche ist verstrichen seit eine satte, ungehorsame Mehrheit der Stimmenden die AHV um eine 13. Rente erhöht hat und was ist die Reaktion auf diese unverschämte Dreistigkeit des ungebildeten Pöbels, der gegen den Willen der gnädigen Damen und Herren im Bundeshaus „Ja“ dazu gesagt hat? –
Nach einigen bösen Beschimpfungen in den Kommentarspalten der gut situierten Alten, die sich mehrheitlich ihre Renten zu Lasten der armen Jungen aufgestockt haben, hat sich der bürgerlich dominierte Nationalrat bereits an die Arbeit gemacht. – Dann kürzen wir halt die AHV mit anderen Mitteln – Basta! Es gibt da ja noch unvorstellbar viele Stellschrauben an denen man drehen kann, um die Leistungen zu kürzen. Kinderrenten, Hilflosenentschädigung und Hilfsmittel, aber auch bei den Berechnungen könnte man ansetzen um ein paar hundert Milliönchen einzusparen und schon sieht die Welt wieder besser aus für eine Elite, die keine Grenzen mehr kennt.