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Die TV-Reporterin Kate Cagle des Senders Spectrum 1 News wurde während der Echo Park-Proteste festgenommen. © Spectrum 1 News

USA: Polizei schränkte Pressefreiheit an Demos ein

Pascal Sigg /  Viele JournalistInnen wurden in den letzten zwei Jahren mit Gummischrot beschossen oder festgenommen – besonders in Los Angeles.

Fast 300 JournalistInnen wurden 2021 weltweit inhaftiert, weil sie ihre Arbeit machten. Diese Zahlen veröffentlichte das Committee to Protect Journalists Ende letzten Jahres. China, mit 50 Verhafteten, gefolgt von Myanmar, Ägypten, Vietnam und Weissrussland waren die repressivsten Länder.

In den USA gab es zum Zeitpunkt der Erhebung zwar keine Langzeitinhaftierten. Aber gemäss dem U.S. Press Freedom Tracker wurden 2021 über 50 JournalistInnen vorübergehend festgenommen. Im Jahr zuvor waren es aufgrund der Proteste gegen die Polizeigewalt rund um den Mord an George Floyd gar dreimal so viele gewesen und man nahm an, dass sich die Zahl deutlicher verringern würde. Die 56 dokumentierten Fälle sind so viele wie die Zahlen von 2017, 2018 und 2019 zusammen. Weitaus die meisten Verhaftungen fanden im Zusammenhang mit Demonstrationen statt. Besonders bei Demonstrationen gegen die Ermordung George Floyds wurden JournalistInnen durch die Polizei an ihrer Arbeit gehindert. In Los Angeles gab es besonders viele derartige Zwischenfälle.

Ein Beispiel für das zunehmend repressive Verhalten der lokalen Polizei waren Proteste gegen die Räumung eines Obdachlosencamps vor einem Jahr. Ende März 2021 wollte die Polizei in Los Angeles den Echo Park räumen. Im bekannten Naherholungsgebiet der Grossmetropole hatten sich im Zuge der Covid-19-Pandemie zahlreiche Obdachlose niedergelassen und eine kleine Zeltsiedlung errichtet. Über 100 Zelte sollten entfernt werden.

Daraufhin formierte sich eine Gruppe Protestierender, welche die Räumung verhindern wollte. Der Pressefotograf Luis Sinco von der Los Angeles Times war vor Ort und berichtete über die Demonstrationen, als er – gut erkennbar als Journalist – aus kurzer Entfernung mit Gummischrot beschossen wurde. Er sagte dem National Public Radio (NPR) vor Kurzem: «Die Polizei versucht die amerikanische Öffentlichkeit mehr als besetzte Bevölkerung zu behandeln. Ihre Präsenz ist in mancher Hinsicht militärischer.»

Auch der Freelance-Fotograf Fotograf Christian Monterrosa wurde damals mit Gummischrot beschossen. «Es war ein klassisches Beispiel dafür, dass die Polizei sich daran störte, dass die Leute nicht taten, was sie sagte. Alle verweisen heute auf die Echo Park-Proteste, um zu zeigen, wie schlimm es geworden ist.»

Nachdem sie den Protest als illegale Versammlung taxiert hatte, begann die Polizei, die Demonstration aufzulösen. Während der Proteste verhaftete die Polizei auch eine TV-Moderatorin und einen Reporter der Los Angeles Times, welchem zuerst Zutritt zu den Demonstrierenden gewährt wurde. Ein Problem ist, dass das Recht die JournalistInnen an Demonstrationen nicht eindeutig schützt. Die Polizei sagt, die Aufforderung, eine illegale Versammlung aufzulösen, gelte auch für JournalistInnen.

«Fünf Anwälte können ein Gesetz anschauen und zu fünf verschiedenen Interpretationen gelangen. Für PolizistInnen vor Ort in der entsprechenden Situation ist die Sache herausfordernder», sagte der für die Kommunikation verwantwortliche LAPD-Captain Stacey Spell NPR. Zudem sei es viel schwieriger geworden, zu erkennen, wer wirklich JournalistIn sei. Es gebe mehr Leute, die sich als unabhängig ausgäben und mit Hilfe verschiedener Technologien online irgendwo ihre Ansichten ausdrückten. Zudem könne man ganz einfach einen Presseausweis erlangen, ohne wirklich JournalistIn zu sein.

Doch nun bahnt sich etwas Entspannung an. Nach den Echo Park-Protesten wurden die JournalistInnen selbst politisch aktiv und lobbyierten über den Los Angeles Press Club für besseren Zugang bei öffentlichen Versammlungen. Im Oktober 2021 schliesslich verstärkte Gouverneur Gavin Newsom den Schutz von JournalistInnen an Demos mit einem neuen Gesetz. Ein Jahr zuvor hatte er eine entsprechende Vorlage noch abgelehnt. Doch nun darf die Polizei JournalistInnen nicht mehr wie Protestierende behandeln.


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Pascal Sigg

Pascal Sigg ist Redaktor beim Infosperber und freier Reporter.

Eine Meinung zu

  • am 6.05.2022 um 14:26 Uhr
    Permalink

    Wäre schön, wenn dieser feine und informative Artikel ohne Gendern auskäme. Jeder weiß doch, dass auch Frauen den Beruf des Journalisten ausüben. Niemand braucht also eine Großschreibung mitten im Wort, noch dazu auch im Singular, um Frauen in diesem Beruf «mitzudenken». Das substantivierte Partizip I und vermeintlich genderneutrale «Protestierende» ist auch nicht nötig, hier reicht das schlichte «Demonstranten». Auch da wird jeder Frauen «mitdenken».

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