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Was wollte ich schon wieder sagen? © MuhammadAlimaki/Depositphotos

US-Wahl: Wieso zwei schwache Kandidaten den Drahtziehern nützen

Christof Leisinger /  Wiederholt sich Trump gegen Biden, weil es die Hintermänner so wollen? Ein «demokratisches Kandidaten-Wunder» könnte es verhindern.

So opportunistisch ist die klickträchtige Medienlandschaft: Erst gehen fast alle wie selbstverständlich davon aus, dass sich Joe Biden und Donald Trump um die nächste Präsidentschaft in den USA duellieren werden. Dann blamiert sich der Amtsinhaber beim Fernsehduell. Und wie in Hans Christian Andersens Märchen von «des Kaisers neue Kleider» wollen plötzlich die meisten gewusst haben, dass Joe Biden «senil ist» und fordern ihn lauthals dazu auf, sofort auf seine Kandidatur zu verzichten.

Der Herausforderer Donald Trump sei egomanisch und unberechenbar, Joe Biden dagegen sei vergreist. Auf der nach unten offenen Skala mangelnder Eignung für das mächtigste Amt der Welt wiege die Altersschwäche schwerer, lästern die einen und Joe Biden müsse sich jetzt zurückziehen, kommentieren andere besserwisserisch. Das sei die einzige Chance für die Demokraten, um im Wahlkampf überhaupt noch eine Chance zu haben. Selbst Regionalpostillen lassen ihre Leser online darüber abstimmen – und ernten breite Zustimmung.

Die Hintermänner haben das Sagen

Als ob das so einfach wäre und als ob Joe Biden so etwas alleine entscheiden könnte. Faktisch scheint es so etwas wie eine Systematik zu geben, die dazu führt, dass selbst in einer der erfolgreichsten Wirtschaftsnationen der Welt unter bestimmten Umständen keine vernünftigen Präsidentschaftskandidaten aufgestellt werden. Immerhin gelangen die Protagonisten nicht in einem luftleeren Raum nach oben, sondern sie müssen sich davor in parteiinternen Auswahlverfahren durchsetzen.

wer liegt vorn in Umfragen
Seit der Fernsehdebatte liegt Trump in Umfragen vor Biden, und natürlich vor Kennedy. Hier gibt es eine grössere Auflösung der Grafik.

In diesem Rahmen gibt es Leute, welche gezielt die Fäden ziehen und welche schliesslich davon profitieren, wenn ihr Kandidat Präsident wird. Professor Christian Rieck von der Frankfurter Goethe-Universität nennt sie «die Hintermänner» und hat anhand spieltheoretischer Überlegungen versucht, ihre Entscheidungssituationen zu analysieren. In seinen Augen gibt es in diesem «Spiel» zwei entscheidende Grössen: Einmal die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kandidat gewählt wird. Zum anderen der Einfluss, den die Hintermänner im Erfolgsfall auf den künftigen Präsidenten ausüben können.

Die Wahrscheinlichkeit für einen Wahlsieg ist umso grösser, je besser ein Kandidat dafür geeignet und je selbstbewusster er ist – das ist der Normalfall. Auf der anderen Seite ist der Einfluss der Hintermänner um so geringer, je stärker der Kandidat und damit auch der mögliche Präsident ist. Falls also zwei starke Kandidaten gegeneinander antreten, bleibt der Einfluss auf den künftigen Präsidenten und der damit verbundene Nutzen begrenzt.

Diese Rechnung ändert sich jedoch, sobald eine Partei einen schwachen Kandidaten ins Spiel bringt. Es mag zwar unwahrscheinlich sein, dass dieser gewählt wird – aber wenn, dann wäre der Einfluss seiner Hintermänner enorm. So gesehen scheint es für die ominösen Hintermänner der Opposition nur logisch zu sein, dem schwachen Kandidaten einen ungeeigneten gegenüberzustellen. Denn dann blieben die Wahlchancen etwa gleich gut oder schlecht, während die Aussicht auf eine starke Einflussnahme überproportional zunähme.

«Schwach gegen schwach» ist für die Drahtzieher eine «Win-Win-Situation»

So mag sich erklären lassen, wieso die Republikaner wahrscheinlich Donald Trump zum Kandidaten küren werden und wieso sich Joe Biden möglicherweise trotz aller Medienschelte doch nicht zurückzieht. Wenn die einen einen Clown aufstellen und die anderen einen Mann, den die Medienlandschaft in diesen Tagen offen als «dement» bezeichnet, dann kann eines als gesichert gelten: Die Wahlchancen sind ausgeglichen, und die Hintermänner des siegreichen Kandidaten gewinnen oder wahren überproportionalen Einfluss.

«Schwach gegen schwach» ist also für die politischen Drahtzieher im Hintergrund eine «Win-Win-Situation». Diese Konstellation ist für alle «an diesem Spiel» Beteiligten besser als jede andere. «Das ist der Grund dafür, dass in der Politik immer wieder so merkwürdige Kandidaten aufgestellt werden», argumentiert Professor Rieck.

Dazu kommt in seinen Augen das Phänomen der Wählermobilisierung. Donald Trump sei eigentlich als Präsident ungeeignet und nur bei einer Minderheit der amerikanischen Bürger beliebt. Falls die Republikaner ihn tatsächlich zum Kandidaten kürten, würden sich relativ viele Wähler aufmachen, um für den Gegner zu stimmen. Um so wahrscheinlicher sei es dann, dass selbst ein angeschlagener Kandidat wie Joe Biden gegen ihn gewinnen kann. Er zweifelt daran, dass die Demokraten in der Kürze der Zeit einen starken Präsidentschaftskandidaten aufs Tableau hieven können.

amerikaner meinung zu trump
Donald Trump ist nur bei einer Minderheit wirklich beliebt. Hier gibt es eine grössere Auflösung der Grafik.

Sollte ihnen das jedoch gelingen, müssten sich wohl die Republikaner von Trump verabschieden. Denn gegen eine für fast alle wählbare «demokratische Lichtgestalt» hätte er wohl keine Chance. Viele amerikanische Wähler mögen weder Biden noch Trump. So könnte vielleicht sogar der unabhängige Kandidat Robert F. Kennedy für eine Überraschung sorgen. Sollte es diesem gelingen, in den wichtigsten US-Bundesstaaten auf den Wahlzettel zu kommen, könnte er viele Stimmen auf sich ziehen, glauben manche Beobachter.

Wer hat den grössten Einfluss auf Präsident Joe Biden, wer also mag zu den ominösen Hintermännern gehören? Dazu zählen neben bekannten Wahlkampfspendern wie Netflix’ Reed Hastings oder OpenAI’s Sam Altman bekannte Persönlichkeiten wie Nancy Pelosi, die ehemalige Sprecherin des Repräsentantenhauses, die New Yorker Demokraten Hakeem Jeffries und Chuck Schumer, die früheren Präsidenten Bill Clinton und Barak Obama sowie der Kongressabgeordnete Jim Clyburn aus South Carolina. Sie sind ohnehin bestens vernetzt mit dem aktuellen Regierungsapparat. Immerhin wurden die Spitzenposten in der Biden-Regierung zu drei Vierteln an Personen vergeben, die schon unter Obama dienten.

Nur ein starker Kandidat verändert das Spiel

Wer hat merklichen Einfluss auf Donald Trump, wer also mag im Hintergrund die Fäden ziehen? Dazu zählen neben der eigenen Familie bekannte Persönlichkeiten wie etwa Elon Musk, die Kasino-Milliardärin Miriam Adelson, die Investoren David Sacks, Nelson Peltz und Peter Thiel, der Unternehmer Chamath Palihapitiya, der Hedge-Fund-Manager Bill Ackman oder auch der milliardenschwere Blackstone-Chef Steve Schwarzman. Sollte Trump trotz aller aktuellen Unwägbarkeiten gewählt werden, würde auch die Besetzung der Schlüsselpositionen in der neuen Administration spannend. Die Erfahrung zeigt, dass dabei fachliche Kompetenzen nicht an erster Stelle stehen und dass die Fluktuation beachtlich sein würde.

Alles in allem haben die amerikanischen Wähler deutlich bessere Kandidaten für das mächtigste und wichtigste Amt der Welt verdient. Momentan sind sie noch frustriert, möglicherweise zwischen einem Kandidaten wählen zu müssen, dem eine Gefängnisstrafe droht und einem, der sich eigentlich aufs Altenteil zurückziehen sollte. Ändern dürfte sich diese prekäre Aussicht nur, wenn Joe Biden seinen Rückzug ankündigen sollte und wenn die Demokraten stattdessen einen überzeugend starken Kandidaten präsentieren könnten. Es scheint nicht wahrscheinlich zu sein, aber auch nicht ausgeschlossen.

Nach dem Anschlag auf Trump

Das Attentat am 13. Juli 2024 könnte Trumps Wahlkampf und seine Chancen bei der bevorstehenden Präsidentschaftswahl 2024 beeinflussen. Es bietet ihm die Möglichkeit, Sympathie und Unterstützung zu gewinnen. Es wird als «Jackpot für die Verschwörungsszene» bezeichnet. Diese dürfte den politischen Diskurs in den kommenden Monaten beeinflussen. Das ändert nichts daran, das Trumps erste Amtszeit von häufigen Personalwechseln, unkonventionellen Entscheidungsprozessen und Konflikten mit etablierten Institutionen geprägt war. Seine Fähigkeit, komplexe nationale und internationale Herausforderungen zu bewältigen, wird höchst unterschiedlich bewertet.

nach den schüssen auf Trump
Nach den Schüssen auf Trump setzen die Zocker voll auf ihn. Hier gibt es eine grössere Auflösung der Grafik.

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

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Wahlen in den USA

Wahlkreise werden willkürlich festgelegt. Lobbys greifen ein. Viel Lärm um Einfluss aus dem Ausland.

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2 Meinungen

  • am 15.07.2024 um 15:51 Uhr
    Permalink

    SRF berichtete am 08.03.2024, 09:24 Uhr: «Von Rockefeller über den New Deal bis hin zum Silicon Valley: In den letzten 120 Jahren haben sich die USA zu einem Paradies für Reiche entwickelt…»
    Verständlich und nachvollziehbar, dass die Reichen in den USA das geschaffene Paradies erhalten und vergrössern möchten, um noch mehr Macht und Kohle haben zu können, um sich vor den Steuern schützen zu können. Und so braucht es wohl die politische Hampelmänner, die an den Schaltstellen der Macht sitzen und dafür sorgen, dass die Masse der Bevölkerung ruhig, brav und gehorsam der Obrigkeit gehorchen und so sich keine revolutionären Ideen entwickeln können, weil den Menschen der Glaube geschenkt wird auch in einem Paradies zu leben, in dem alles möglich ist, wenn man es geschafft hat in die Milliardärs-Elite aufsteigen zu können. Möglich, dass die Herren Trump und Biden davon Träumen könnten von politischen Gehilfen ins Kohle-Paradies aufsteigen zu können.
    Gunther Kropp, Basel

  • am 15.07.2024 um 18:59 Uhr
    Permalink

    Danke für diesen Artikel. Leider erfährt der Leser dabei nicht, inwiefern die genannten Personen Dratzieher der US Politik sein sollen und welche Mechanismen zur Steuerung der US Politik angewandt werden.

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