Proteste Iran

Schlägertrupps der Basij-Milizen treten teilweise auf wie kriminelle Motorradgangs und verbreiten Angst und Schrecken. © Iranwire.com

Schläger Gottes gegen Protestierende im Iran

Gudrun Harrer /  Die freiwilligen Paramilitärs der Basijis agieren als eiserne Faust des Regimes. Ihr Auftrag: die Opposition niederknüppeln.

Angesichts der Bilder und Berichte aus dem Iran fragen sich viele, wie lange sich ein Regime unter solcher Bedrängnis halten kann. Die von den Frauen angeführten Proteste werden vielleicht an einer Stelle weniger, tauchen aber wieder woanders neu auf. Es ist kein Nachgeben. Bei Telefonaten mit Teheran hört man im Hintergrund die Rufe der Demonstrantinnen und Demonstranten.

Und dann sieht man Videos mit Schlägertrupps, teilweise auftretend wie kriminelle Motorradgangs, die Angst und Schrecken verbreiten. Für die Zukunft des Aufstands stellt sich nicht nur die Frage, wie lange die Protestierenden aushalten, sondern auch, ob diese freiwilligen Paramilitärs weiter ungebrochen ihren Job für die Islamische Republik machen.

Sie waren nicht nur von Anfang an gegen die Proteste im Einsatz, sondern stellen teilweise auch die Sittenpolizei, die unter der neuen Regierung von Ebrahim Raisi den Auftrag bekam, wieder stärker auf den Strassen für das zu sorgen, was für Zucht und Ordnung steht: unter anderem die Kopfbedeckung der Frauen. In den Medien ist oft vereinfacht von den «Basijis» die Rede, ihr Name lautet «Sazman-e Basij-e Mostazafan», die «Organisation für die Mobilisierung der Unterdrückten».

Die «Unterdrückten» ist ein Schlüsselwort in der Islamischen Republik. Nach der Revolution 1979 – die von vielen Teilen der Gesellschaft getragen, aber von den Islamisten gekidnappt wurde – entstand eine Jugendbewegung, die tief in sozial schwachen Schichten verwurzelt war: die Hezbollahis (Parteigänger Gottes). Der Iranist Walter Posch schreibt in einem älteren Artikel des Nahostmagazins «Zenith» von «einer am Rande des politischen Spektrums angesiedelten Bewegung, die eine permanente Islamische Revolution fordert».

«Menschliche Wellen» im Krieg

Die Basijis gehören ideell dazu, sind aber als Freiwilligenmiliz paramilitärisch aufgestellt. Die Organisation ist so alt wie die Revolution selbst. Während des Iran-Irak-Kriegs (1980–1988) wurden die fanatisierten Jugendlichen berühmt für ihre «menschlichen Wellen» gegen die Truppen des irakischen Diktators Saddam Hussein. Als er den Krieg gegen Khomeini zu verlieren drohte, den er selbst vom Zaun gebrochen hatte, unterstützten ihn die USA und andere westliche Staaten.

Die Basijis wurden 1981 in die Revolutionsgarden (IRGC) eingegliedert, die heute im Staat so stark sind wie nie zuvor, nicht zuletzt wirtschaftlich. Längst handelt es sich auch bei den nicht mehr so jungen Mitgliedern um eine Generation, die ausser der Islamischen Republik nichts kennengelernt hat. Sie sind die eiserne Faust des Regimes, besonders präsent, wo auch andere junge Leute sind, etwa in den Universitäten. Der Kulturkampf, der zwischen der «normalen» Zivilgesellschaft und dem Zwangsregime ausgebrochen ist, liegt in ihren Händen. Das Regime könnte sich auch nicht leisten, sie zurückzupfeifen, es braucht ihre Loyalität.

Zu den Zahlen gibt es ungewisse Angaben: Da sind die ständig Bewaffneten von etwa 90’000, aber viel mehr können im Bedarfsfall mobilisiert werden. Man kann von Hunderttausenden ausgehen, manche sprechen von Millionen. Es ist die Reserve des Regimes. Allerdings hat der Iran eine Bevölkerung von geschätzt 86 Millionen.

Es gibt auch einen Frauenzweig, die Basij-e Khaharan (Basij-Schwestern), auch hier sind es Millionen Organisierte. Auf den Strassen mögen jetzt die männlichen Basijis dominant sein, in der Sittenpolizei arbeiten auch Frauen – und natürlich spielen sie bei der Weitergabe der Werte der Revolution in der Familie eine grosse Rolle. Was man im Iran sieht, ist kein Kampf Frauen gegen Männer oder Religiöse gegen nicht Religiöse, sondern ein ziviler Aufstand gegen ein Zwangsregime, das noch immer einigen Rückhalt hat.

Dieser Beitrag ist zuerst im «Standard» erschienen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Gudrun Harrer ist leitende Redakteurin des österreichischen «Standard» und unterrichtet Moderne Geschichte und Politik des Nahen und Mittleren Ostens an der Universität Wien.
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

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3 Meinungen

  • Portrait_Josef_Hunkeler
    am 19.10.2022 um 14:01 Uhr
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    Besten Dank für diesen Bericht.

    Kollegen aus früheren Zeiten haben über iranische Realitäten berichtet und westliche Interpretationen relativiert. Ob «Bazari» oder Bauer in der Provinz, die Perspektive ist nicht dieselbe.

    Die westliche Manie alles auf einen Nenner zu reduzieren, kann dieser Realität nicht gerecht werden.

    Nochmals, besten Dank für diesen differenzierten Bericht.

  • am 20.10.2022 um 09:31 Uhr
    Permalink

    Jede Gewalt jenseits von Notwehr ist verwerflich, destruktiv und gegen das Leben. Wir haben dasselbe erlebt, bei den Hexenverbrennungen, und erleben ähnliche Gewalt gegenwärtig durch Korruption in unserem Land. Wer es nicht mit Geld machen kann, und Menschen in den Ruin treiben kann, der nimmt den Knüppel. Dazu kommt ein Bildungsmangel, wer Gewalt und Notwehr nicht unterscheiden kann, und für seine selbst verursachte Not andere verantwortlich macht und diese mit Gewalt zu Krüppeln prügelt, Angst verbreitet, und somit die Freiheit Anderer einschränkt, dem gehört seine Freiheit entzogen, so das er oder sie niemandem mehr Schaden kann. Wo sind die Ursachen? Wer steckt im Verborgenen hinter diesen Ereignissen? Auch dies gilt es zu klären, zu oft haben wir erlebt, das professionelle Gewaltstifter, eine Religion oder Nation destabilisieren konnten um andere Ziele zu erreichen. Es ist oft komplexer als wir annehmen. Wer bezahlt die Gewalthetzer? Stellen wir die richtigen Fragen?

  • am 20.10.2022 um 18:05 Uhr
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    Die CIA putschte im Iran den demokratisch gewählten Premierminister Mossadegh 1953 (vgl. den demokratisch gewählten Präsidenten Allende in Chile, der 1973 — 9/11, es war auch ein Dienstag — vom US-Menschenrechtsexperten Pinochet geputscht wurde; vgl. auch den Putsch gegen den demokratisch gewählten Präsidenten der Ukraine 2014);
    die Luzerner Zeitung (09.1.02018) titelte: Proteste im Iran: Steckt «Ayatollah Mike» dahinter? (gemeint ist der damalige CIA-Chef und ab April 2018 US-Aussenminister, Mike Pompeo);
    der SPIEGEL (03.10.2022) titelt: Proteste im Iran: Khamenei beschuldigt USA und Israel — Diese seien im Ausland »geplant« worden, behauptet Ali Khamenei.
    Ich sehe das wie Khamenei. Für mich dieselben Muster wie die «Massenproteste» in Weissrussland, Kasachstan und an x-Orten weltweit. Regimechanges, ein Wort das. . . «Wer hats erfunden?». . . die angeblichen «Ur-Demokraten»?

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