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Symbolbild © nixki/Depositphotos

Nicht nur Katholiken, auch orthodoxe Juden darf man nennen

Red. /  Wenn ein Mann wegen Missbrauchs eines Buben angeklagt ist, dürfen Medien über deren Religion informieren – der NZZ sei Dank.

upg. Priester der katholischen Kirche werden als solche immer wieder genannt, wenn ihnen vorgeworfen wird oder sie verurteilt wurden, Kinder oder Jugendliche sexuell missbraucht zu haben. Doch im August 2023 stand ein orthodoxer Jude vor Gericht, der beschuldigt wurde, mehrere Jahre zuvor einen Nachbarsbuben sexuell missbraucht zu haben. Es handle sich um einen Fall der Instrumentalisierung von struktureller Gewalt, sagte die Staatsanwältin des Bezirksgericht Zürich. Entscheidend sei das Umfeld gewesen, aus dem beide stammten.

Doch die Staatsanwältin verbot den Medien, dieses Umfeld beim Namen zu nennen. Insbesondere durften die Journalisten keine Angaben zur Religion des Mannes und des Kindes und zum angeblichen Zeitpunkt der Tat machen. Wegen dieser Auflage des Gerichts hatten die Medien damals lediglich von einem «speziellen Milieu» geschrieben, in dem die Taten stattgefunden haben sollen.

Doch die Redaktion der NZZ legte «aus grundsätzlichen medienrechtlichen Überlegungen» beim Obergericht Beschwerde ein. Am 9. Januar 2024 gab das Obergericht in einem inzwischen rechtskräftig gewordenen Urteil der NZZ recht. Die Zeitung informierte am 2. April darüber.

Deshalb dürfen die Medien jetzt darüber informieren, dass sich der Fall laut Anklage in der orthodoxen jüdischen Gemeinde in Zürich abspielte und die Taten am Sabbat geschehen sein sollen. Unterdessen hat das Bezirksgericht den Beschuldigten «im Zweifel für den Angeklagten» freigesprochen. Doch die Staatsanwaltschaft legte Berufung ein, weshalb das Zürcher Obergericht im September über den Fall entscheiden muss.

Bei diesen Einschränkungen der Information handelt es sich um eine Grundsatzfrage

Für das Zürcher Obergericht handelte es sich bei dieser Einschränkung der Informationsfreiheit um eine Grundsatzfrage. Denn andere Staatsanwälte könnten solche Einschränkungen «jederzeit und unter gleichen oder ähnlichen Umständen wieder» verfügen.

Bei den juristischen Erwägungen ging es um die Frage, ob der Betroffene wegen der Angabe der Umstände von der Öffentlichkeit identifiziert werden könnte. Das Gericht folgte der Argumentation, dass die Nennung der orthodox-jüdischen Gemeinde in Zürich, die zwischen 2000 und 2500 Mitglieder zählt, keine Identifikation des Beschuldigten möglich mache. Auch die Angabe des Alters des Mannes und des Kindes würde noch keine Identifikation erlauben, weil die Gemeinde «bekanntlich eher kinderreiche Familien» umfasse.

Abnehmende Medienfreiheit

Die NZZ sieht ihre Beschwerde und das Urteil «im Kontext der abnehmenden Medienfreiheit». Auch in der Schweiz seien Medien unter Druck. Aufsehen habe ein Entscheid des Ständerats kurz vor Weihnachten erregt. Der Rat folgte einem Antrag des FDP-Parteipräsidenten Thierry Burkart, wonach nur schon das Konsultieren von illegal erworbenen Informationen unter Strafe gestellt werden soll. Das «gefährdet die Medienfreiheit», schreibt die NZZ und fährt fort: «Wird die Regel umgesetzt, dürften Journalisten in der Schweiz nur noch Informationen konsultieren, die der Staat, die Wirtschaft oder andere Akteure ihnen offiziell zur Verfügung stellen oder andere Akteure ihnen offiziell zur Verfügung gestellt haben. Interne Berichte oder Papiere, welche auf Missstände hinweisen, dürften nicht mehr straflos verwendet werden.»

Bereits heute sei die Nutzung vertraulicher Daten aus einer Schweizer Bank strafbar. Deshalb durften Schweizer Medien bei Datenlecks aus Banken höchstens das abschreiben, was ausländische Medien zu den gleichen Unterlagen zuvor berichtet hatten.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Zum Infosperber-Dossier:

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Medien unter Druck

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