Embryos are children.Firstpost

Schlagzeilen bis nach Indien: Die dortige Plattform Firstpost berichtete im Frühjahr 2024 über das Gerichtsurteil im US-Bundesstaat Alabama. © Firstpost

Wenn tiefgefrorene Embryonen nicht im Müll landen dürfen

upg. /  Einige US-Bundesstaaten behandeln Embryonen wie Menschen. Zehntausende wurden schon in andere US-Staaten evakuiert.

Der Oberste Gerichtshof des US-Bundesstaats Alabama hat im Februar entschieden, dass Embryonen rechtlich «ungeborene Kinder» seien. Seither haben mindestens vier der sieben Fruchtbarkeitskliniken in Alabama Biotech-Unternehmen beauftragt, die Zellen in andere US-Bundesstaaten zu bringen. Eine fünfte Klinik arbeitet mit einem Arzt in New York zusammen, um Embryonen dort zu entsorgen.

Auch aus anderen erzkonservativen US-Bundesstaaten lassen Kliniken und Besitzer solcher Embryonen tiefgefrorene Embryonen in andere Bundesstaaten transportieren.

Die Besitzerin eines tiefgefrorenen Embryos in Alabama meinte gegenüber der «New York Times», dass sie und ihr Mann Schwierigkeiten hätten, die jährlichen Kosten von 1200 Dollar für die Lagerung von Embryonen zu bezahlen. 

Nach dem Urteil seien sie vor der Wahl gestanden, «entweder den Embryo weiter in Alabama aufzubewahren und für den Rest des Lebens jedes Jahr diese hohe Gebühr zu zahlen, oder zu versuchen, mit ihm schwanger zu werden – das waren unsere einzigen Möglichkeiten».

Im April schickte sie den Embryo einem Arzt in New York, damit er entsorgt werden konnte. Sie bat um Anonymität, da sie nicht wollte, dass die Menschen in ihrer Umgebung wissen, dass sie den Embryo zur Entsorgung freigegeben hatte.

Im US-Bundesstaat Louisiana, wo die absichtliche Zerstörung von Embryonen seit langem illegal ist, lagern die meisten Kliniken die Embryonen ausserhalb dieses Bundesstaates.

Jeder US-Bundesstaat kann eigene Abtreibungs- und Embryogesetze erlassen

Seit einem Entscheid des Obersten Gerichtshofs vom Jahr 2022 (Roe v. Jackson Women’s Health Organization) können die einzelnen US-Bundesstaaten eigene Gesetze für Abtreibung und künstliche Befruchtungen erlassen. Unterdessen verabschiedeten 14 Staaten ein vollständiges oder nahezu vollständiges Abtreibungsverbot. 

Aber auch Paare in anderen Bundesstaaten befürchten, dass ihre Embryonen – bestehend aus 70 bis 200 Zellen, die für das menschliche Auge kaum sichtbar sind – von Gesetzen erfasst werden könnten, die festhalten, dass menschliches Leben mit der Empfängnis beginnt.

Der grösste protestantische Konfessionsverband der USA, die Southern Baptist Convention, trägt zur Unsicherheit bei. Sie sprach sich im Juni gegen die In-Vitro-Befruchtung aus und forderte den Schutz «eingefrorener embryonaler menschlicher Wesen».

Schätzungsweise über eine Million tiefgefrorener Embryonen allein in den USA

Die «New York Times» berichtete von beunruhigten Embryonen-Besitzerinnen und -Besitzern: Diana Zucknick gab in Texas 1550 Dollar aus, um einen Tank mit flüssigem Stickstoff, in dem sich fünf ihrer Embryonen befanden, zur Aufbewahrung nach New York zu schicken. In South Dakota vernichtete Jennifer Zabel zwei Embryonen, weil sie befürchtete, dass der Staat die Kontrolle über sie übernehmen würde. Und in Mississippi sagte der Arzt Preston Parry, dass sich immer mehr seiner Patientinnen dafür entscheiden, weniger Embryonen auf einmal herzustellen. Sie nähmen eine längere Prozedur in Kauf, um möglichst wenig Embryonen übrig zu lassen.

Lager gefrorene Embryos. Reproductive Science Center San Ramon, Calif.
Ein Lager mit gefrorenen Embryonen in Kalifornien

Eine Statistik über die Zahl der eingefrorenen Embryonen gibt es in den USA nicht. Experten schätzen, dass sie über eine Million beträgt. Viele Kliniken wissen kaum mehr, wo sie die vielen Embryonen aufbewahren sollen, die manchmal Jahre oder sogar Jahrzehnte alt sind.


Schwangere müssen für Abtreibung in andere Bundesstaaten reisen

In US-Bundesstaaten, welche Abtreibungen verboten haben (siehe Liste hier), müssen Frauen Abtreibungen von Ärztinnen und Ärzten in anderen Bundesstaaten vornehmen lassen. 

In Texas haben zwei Counties und zwei Städte örtliche Verordnungen erlassen, nach denen es illegal ist, jemanden durch einen dieser Landkreise oder eine dieser Städte zu transportieren, um eine Abtreibung ausserhalb von Texas zu erhalten. Wahrscheinlich aber verstossen diese Verordnungen gegen die verfassungsmässig garantierte Reisefreiheit innerhalb der USA.

Fruchtbarkeitskliniken befürchten Haftungsfolgen

Zum folgenschweren Gerichtsfall in Alabama kam es, nachdem Familien eine Klinik verklagt hatten: Jemand war in einen unverschlossenen Lagerraum eingedrungen, hatte kalte Röhrchen mit Embryonen aus einem Tank genommen und sie auf den Boden fallen lassen. Die Richter befanden, dass diese Tat unter das bundesstaatliche Gesetz über widerrechtliche Tötung fallen könnte. «Menschliches Leben kann nicht widerrechtlich zerstört werden, ohne den Zorn eines heiligen Gottes auf sich zu ziehen», begründete der oberste Richter von Alabama.

Darauf verabschiedete das Parlament von Alabama rasch ein Gesetz, das die Kliniken vor der Haftung schützt. Manche Ärzte und Rechtsexperten erwarten jedoch, dass die Gerichte des Bundesstaates das Gesetz kippen werden. «Das Gesetz ist sehr anfechtbar, weil die Verfassung des Bundesstaates das Behandeln dieser Embryonen als Kinder fordert», erklärte Susan Hamill, Professorin für Verfassungsrecht an der Universität von Alabama.


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3 Meinungen

  • am 20.08.2024 um 11:53 Uhr
    Permalink

    Millionenfach tiefgefrorenes Leben!
    Die staatliche Verfügungsgewalt über menschliches Leben kann grenzenlos sein, umso mehr als moderne Technik, sei es Krieg, Fortplanzungstechnik, Organtransplantation und Abtreibung inclusive Empfängnisverhütung die Variantenvielfalt vergrößern. Immer hat man es mit Vorgängen zu tun, die ethisch, emotional und mit der menschlichen Vernunft nicht mehr erklärbar und nur durch Teilabschaltung des Bewusstseins erträglich sind. Logischerweise wird sich der Staat auch um die Steuerung des Bewusstseins der oder des Menschen kümmern.

  • am 20.08.2024 um 22:02 Uhr
    Permalink

    Ein Embryo ist kein Fötus und eine Zelle ist kein Mensch.
    Aber ein Embryo ist ein Lebewesen in der Frühphase seiner Entwicklung.
    Embryonen enthalten auch im Frühstadium des Reifungsprozesses alles, was ein menschliches Wesen braucht, denn jeder Säugling begann als Embryon.
    Die Frage, die sich stellt: Ist ein Embryo, der noch kein Fötus ist, weil (noch) nicht befruchtet, nur ein menschliches Lebewesen oder juristisch auch schon eine Person? Da scheiden sich die Geister.
    In Europa befindet man: Nein, denn ein Embryo ist nur ein Teil von dem, was es braucht vom Fötus bis zum Menschen. Das Gesetz verlangt lediglich einen respektvollen Umgang mit Embryonen.
    Die Gesellschaft in den USA ist mehrheitlich eine bigotte Gesellschaft. Was schon kompliziert ist, macht die Sachlage in den USA noch komplizierter.

    • Favorit Daumen X
      am 21.08.2024 um 09:42 Uhr
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      Ihre Darstellung ist nicht korrekt. Embryonen sind entgegen Ihrer Aussage befruchtet und entwickeln sich zu einem Fötus.

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