Röntgenaufnahmen

Zu diesen Röntgenaufnahmen von zwei Kindern mit Patronen in den Köpfen sagt Ärztin Mimi Syed, die im Spital von Khan Younis arbeitete: «Ich hatte mehrere pädiatrische Patienten, meist unter 12 Jahren, denen in den Kopf oder die linke Brustseite geschossen wurde. In der Regel handelte es sich um einzelne Schüsse. Die Patienten kamen entweder tot oder in kritischem Zustand und starben kurz nach ihrer Ankunft.» © Mimi Syed

Was 65 Ärzte, Krankenschwestern und Sanitäter in Gaza sahen

Urs P. Gasche /  «Ich behandelte 13 Kinder, denen in den Kopf oder in die Brust geschossen wurde. Die meisten starben.» Das berichtete ein Chirurg.

Zuerst habe er angenommen, es müsse ein besonders sadistischer Soldat in der Nähe sein, sagte US-Chirurg Feroze Sidhwa gegenüber der «New York Times». Aber nach seiner Rückkehr habe er einen Notfallarzt getroffen, der zwei Monate vor ihm in einem anderen Spital in Gaza gearbeitet hatte. Dieser sagte ihm: «Ich konnte auch nicht glauben, wie viele Kinder ich sah, denen in den Kopf geschossen wurde – praktisch jeden Tag.» 

Zitat 18 Monate altes Kind


Der amerikanische Arzt Feroze Sidhwa operierte Ende März 2024 während zweier Wochen im Spital von Khan Younis in Gaza: «Ich hatte in der Ukraine und in Haiti als Freiwilliger gearbeitet. Ich habe in Konfliktgebieten gearbeitet. Aber von allem, was ich bei der Arbeit in Gaza erlebte, hat mich eines besonders getroffen: Fast jeden Tag sah ich ein neues Kind, dem in den Kopf oder die Brust geschossen worden war. In 14 Tagen insgesamt 13.»

Zitat mehrere Kinder


Die Ärztin Mimi Syed, die vom 8. August bis zum 5. September in Khan Younis arbeitete, erklärte: «Ich hatte mehrere pädiatrische Patienten, von denen meisten unter zwölf Jahre alt waren, denen in den Kopf oder in die linke Brust geschossen worden war. Meistens handelte es sich um einzelne Schüsse. Die Patienten kamen entweder tot oder in kritischem Zustand ins Spital und starben kurz nach ihrer Ankunft.»

Zitat 6 Kinder Gaza


Solche Informationen dringen selten an die Öffentlichkeit. Denn nur wenige Journalisten oder Vertreter von NGOs dürfen – ins israelische Militär «eingebettet» – den Gazastreifen besuchen. Wenige andere, vor allem vom katarischen TV-Sender «Al Jazeera», riskieren ihr Leben und deren Vor-Ort-Berichte werden von westlichen Medien nicht zitiert.

Doch es gibt unabhängige Beobachter, die diesen Krieg Tag für Tag vom Boden aus miterlebt haben: Ausländische Ärzte und Pflegende, die einen freiwilligen Einsatz leisten. Mit 65 von ihnen, alles Amerikanerinnen und Amerikaner, konnte die «New York Times» dank persönlicher Kontakte und Online-Recherchen reden. Alle hatten seit dem 7. Oktober 2023 in Gaza gedient. Viele haben familiäre oder religiöse Verbindungen zum Nahen Osten. 

57 der 65 Befragten waren bereit, ihre Erfahrungen öffentlich zu teilen. Die anderen äusserten sich nur anonym, weil sie entweder Familienmitglieder in Gaza oder im Westjordanland haben oder weil sie Vergeltungsmassnahmen am Arbeitsplatz befürchten.


Der Arzt Feroze Sidhwa bat die israelischen Streitkräfte IDF um eine Stellungnahme. Doch die Fragen, ob das Militär Berichte über Schüsse auf Kinder im Vorschulalter untersucht hätten und allenfalls gegen Soldaten Disziplinarverfahren eröffnet wurden, beantwortete der IDF-Sprecher nicht. Er teilte nur allgemein mit: 

«Die IDF sind verpflichtet, während operativer Aktivitäten zivile Schäden zu mindern. Die IDF tun das Möglichste, um potenzielle zivile Kollateralschäden bei ihren Angriffen abzuschätzen und zu berücksichtigen. Die IDF ist verpflichtet, das Kriegsvölkerrecht einzuhalten.»

Zitat Kind Todeswunsch Gaza


Das amerikanische Recht verbietet den Transfer von Waffen an Nationen und militärische Einheiten, die sich grober Menschenrechtsverletzungen schuldig machen. Dies müsse insbesondere gelten, wenn diese Verletzungen Kinder betreffen, sagt Chirurg Feroze Sidhwa. Man könne sich kaum schwerere Verstösse gegen diesen Standard vorstellen: Junge Kinder, denen regelmässig in den Kopf oder in die Brust geschossen wird; Neugeborene und ihre Mütter, die verhungern, weil Nahrungsmittelhilfe blockiert und die Wasserinfrastruktur zerstört wurde; die vielen Gesundheitseinrichtungen, die zerstört wurden.

Acht amtierende US-Senatoren88 Mitglieder des Repräsentantenhauses185 Anwälte (darunter Dutzende, die in der Verwaltung tätig sind) und 12 Beamte, die aus Protest gegen unsere Gaza-Politik zurücktraten, haben der Regierung mitgeteilt, dass die weitere Aufrüstung Israels nach US-Recht illegal sei.

Zitat Mangelernährung Gaza


Die tödliche Kombination von dem, was Human Rights Watch als wahllose militärische Gewalt beschreibt, was Oxfam als vorsätzliche Einschränkung von Nahrungsmitteln und humanitärer Hilfe bezeichnet und die nahezu universelle Vertreibung der Bevölkerung würden die katastrophale Wirkung haben, vor der viele Wissenschaftler vor fast einem Jahr gewarnt hätten.

Sidhwa kritisiert seine Regierung: Sie hätte den Fluss der US-Militärhilfe nach Israel stoppen können.


US-Chirurg zeigt Originalaufnahmen aus einem zum Teil zerstörten Spital in Gaza

Samer Attar ist Orthopäde am Kinderspital in Chicago. Noch nie habe er bei seinen Auslandeinätzen so Schreckliches gesehen. Hier ein Ausschnitt seiner eigenen Aufnahmen:

Wer Zugang zur «New York Times» hat, kann hier das ganze Video konsultieren (nach dem Öffnen auf Pfeil klicken):

Gelähmter 15-Jähriger
Gelähmter 15-Jähriger

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Zum Originalartikel der «New York Times» ohne Paywall auf dieser Webseite

Weiterführende Informationen

  • Bilder von Gaza vor und nach den Bombardierungen hier.

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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13 Meinungen

  • am 16.12.2024 um 13:22 Uhr
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    Es ist fürchterlich was auf der Welt geschieht. Es grenzt vielerorts schon an Völkermord und ganz besonders im Gaza! Aber der Zorn dieser Menschen wird nicht lange auf sich warten lassen. Israel bringt sich selber in Gefahr.
    Bei den Schüssen auf Kinder wäre es interessant zu wissen mit was für einem Kaliber geschossen wurde. Da wären die Schuldigen sehr schnell klar aber da will sich wohl niemand die Finger verbrennen wenn der Waffenhandel so floriert.

  • am 16.12.2024 um 13:25 Uhr
    Permalink

    Diese Berichte von glaubwürdigen Augenzeugen über die unverhältnismäßigen Reaktionen Israels auf den Hamas-Überfall sind erschütternd. Wer sich einigermaßen allseitig informiert, weiß um die genozidalen Verbrechen Israels an den Palästinensern. Die Sprachlosigkeit der «Leit-» und «Qualitäts»-Medien zu diesen Verbrechen ist empörend, vor allem wenn aus viel weniger schlimmen Situationen in anderen Regionen der Welt sehr viel mehr emotionalisierend und personalisiert berichtet wird. Israel zählt ja zu den «Guten», die deutsche Staatsraison lässt keine Kritik zu. Andernfalls ist man «Antisemit».

    • am 17.12.2024 um 06:36 Uhr
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      Die „Medien“ scheinen mir leider schon lange nicht mehr neutral. Entsprechend ist auch die Berichterstattung. Daher ist dies für mich auch kein Novum und mit einer der Gründe weshalb ich seit vielen Jahren auch Medien wie Infosperber konsumiere.
      Deutlich empörter (oder enttäuschter?) bin ich über die Dreistigkeit und Kaltschnäuzigkeit vieler Politiker und leider auch Menschen in meinem Umfeld mit welcher die Doppelmoral in purer Selbstlüge gerechtfertigt wird.
      Die Aggressionen welche ich oft erlebe wenn ich darauf hinweise zeigen mir aber, dass ich meist richtig liege. Zumindest meinen moralischen Kompass kann ich damit jeweils wieder gut einnorden, auch wenn es mich fassungslos zurücklässt.

  • am 16.12.2024 um 13:46 Uhr
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    Vergleicht man die Opferzahlen in diesem neusten Kapitel eines Jahrzehnte dauernden Konfliktes, kommt man mit eiskalter Arithmetik auf ein Verhältnis von mindestens 1:50. Mit anderen Worten, 1 israelisches ist mindestens 50 palästinensische Opfer wert. Dies sagt alles zum israelischen Rachefeldzug im Gazastreifen, den damit verbundenen Gräueltaten an Zivilisten. Dass dabei auch unschuldige Kinder und Jugendliche gezielt getötet werden, ist die kaum zu überbietende abscheuliche Logik der israelischen Regierung, ein für alle Mal aufzuräumen. Die explizit von ihr ausgesprochenen rassistischen, menschenverachtenden Ziele der Vertreibung und Auslöschung der Palästinenser sind auch im Westen bekannt. Umso unverständlicher ist das nur zögerliche Verurteilen, die fehlende Empathie, die eindimensionale Kontextualisierung des Konfliktes, das immer wieder und wieder verwendete – im wahrsten Sinne des Wortes – Tot-Schlag-Argument «Antisemitismus». Ein Trauerspiel der westlich neoliberalen Welt.

  • am 16.12.2024 um 17:59 Uhr
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    Ganz herzlichen Dank, Herr Gasche, für diesen Artikel. Er ist ein Licht in der medialen Finsternis. Ich bin seit Monaten entsetzt, was Politik und Medien alles verschweigen. Es ist ein politischer Skandal, es ist ein Medienskandal. Menschen, die sich selber vermutlich als aufgeklärt und humanistisch betrachten, die den Holocaust verurteilen und stets auf der richtigen Seite der Geschichte stehen wollen, ignorieren das unglaublich Böse, welchem die Menschen in Gaza seit Monaten ausgesetzt sind. Dieses Böse an sich und die Bösartigkeit, es zu ignorieren und zu verschweigen, machen fassungslos und machen Angst. Man kann Medien wie Infosperber und Menschen wie diesen Ärzten, die so viel Mut beweisen und Herz haben, gar nicht genug danken, für das Licht, das sie in die momentan vorherrschende Finsternis bringen.

  • am 16.12.2024 um 20:46 Uhr
    Permalink

    Wer diese Zustände im Gaza durch Israel kritisiert, benennen eine Mehrzahl der Tagesmedien als «Israelhasser».

  • am 16.12.2024 um 21:47 Uhr
    Permalink

    Deutsches Ärzteblatt 2003; 100(8): A-462 / B-404 / C-381 Angelika Claußen: «Inzwischen zählt der Irak zu den fünf ärmsten Ländern der Welt, während er vor 1980 zu den am besten entwickelten Ländern des Nahen Ostens gehörte. Jedes achte irakische Kind stirbt, bevor es das fünfte Lebensjahr erreicht, zum größten Teil an Diarrhö oder Atemwegserkrankungen. Rund 960 000 Kinder (32 Prozent) sind chronisch unterernährt.» und DW Matthias von Hein: «Irak-Krieg: Am Anfang stand die Lüge»
    Es lässt sich die Frage stellen, ob die Nahost-Politik der beiden Bush Präsidenten mit saudischer Unterstützung den Nahen Osten in einen gigantischen Schlachthof verwandelt haben, damit die Rüstungskonzerne grosse Gewinne erzielen können und die saudischen Prinzen uneingeschränkte Handlungsfreiheit haben, den Wahhabismus weltweit zu installieren. Das Resultat der Gaza-Krieg und Kinder werden zu opfern. Meine Meinung Café Philo mit Horst-Eberhard Richter Minute ab 6.30 und ab 29.35
    Gunther Kropp, Basel

  • am 16.12.2024 um 22:05 Uhr
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    Nicht nur der Tages Anzeiger macht sich in der Schweiz an Genozid in Gaza mitschuldig…
    Danke für den Artikel.

  • am 16.12.2024 um 23:10 Uhr
    Permalink

    Irgendwie geben wir alle vor diesem Grauen auf. Es entsteht so was wie die Normalität des Grauens – ausserhalb Reichweite der Hoffnung. Wie können wir als Gemeinschaft so etwas zulassen? Wie können unsere Politiker so was zulassen? Wieso Ignorieren unsere Medien diese Barbarei, wo doch jeder Einzelfall zum Drama hochstilisiert wird? Wieso erfolgt kein Aufschreien einer Gemeinschaft, die sonst vorschnell bei jede Banalität mitmacht. Wieso????

  • am 17.12.2024 um 02:23 Uhr
    Permalink

    Dass Israel gezielt Kindern in den Kopf schiesst, lese ich oft in der Palestine Chronicle, genauso werden auch Aerzte umgebracht. Der noch einzige orthopädische Chirurg von Gaza wurde vor einigen Tagen, kurz vor seiner Ankunft ins Spital, erschossen. Es geht tatsächlich darum, Frauen und Kinder, Spitäler und Aerzte, Journalisten und Hilfswerke auszulöschen. Palästinenser dürfen sich nicht mehr reproduzieren und sollen ausgerottet werden. Darf man immer noch nicht von Genozid sprechen? Ausserdem haben 45 dieser amerikanischen Aerzte einen sehr ergreifenden Brief an Biden geschrieben, in dem sie verschiedene Gräueltaten von Israelis aufzählten und die Unterstützung Bidens verurteilten. Aber am nächsten Tag schickte Biden weiterhin Bomben und Geld nach Israel! Das «Nie wieder» von 1945 hat der Westen vergessen!

  • am 17.12.2024 um 19:10 Uhr
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    Seit Jahrzehnten geht es vor allem um Landnahme in Palästina durch Israel. Jedes getötete palästinensische Kind erleichtert diese. All dies vor allem mit von den USA
    und Deutschland gelieferten Waffen.

  • am 18.12.2024 um 07:37 Uhr
    Permalink

    Werden jetzt endlich die Kriegsmaterialexporte in Schweiz nach den Staaten eingestallt die Israel Waffen liefern, den USA. Deutschland usw.? Unser Land ist, wie es heisst, der Humanität und dem Frieden verpflichtet. Durch die Waffenlieferungen an Israel sind die USA, Deutschland usw. in einen bewaffneten Konflikt verwickelt. Werden Investitionen in Rüstungskonzerne in der Schweiz gestoppt, die mit all den Kriege das grosse Geschäft machen?
    Waffen dürften laut dem Kriegsmaterialgesetz der Schweiz nicht an Staaten geliefert werden, die in einen bewaffneten Konflikt verwickelt sind.
    Werden die Verantwortlichen für Waffenexporte an kriegführende Staaten in der Schweiz einmal belangt, für Rüstungslieferungen an Nato-Staaten, Saudiarabien, die Türkei usw. die immer wieder Kriege führten? – Sicher nicht!
    Für Kriegsmateriallieferungen ist das Strafrecht nicht einfach ausser Kraft gesetzt. Es gibt keinen strafrechtlichen Freipass für Fabrikanten und Politiker die Rüstungsgüter liefern lassen,

  • am 18.12.2024 um 12:39 Uhr
    Permalink

    Aus sicherer Entfernung Kinder abknallen und dann den Eltern untersagen, sich rächen zu wollen. So geht das! Und alle, die Medien, die Politiker:innen, die Universitätsleitungen etc., plappern wissentlich die Geschichte vom bedrohten jüdischen Staat und den blutdrünstigen Palästinenser nach.

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