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Menschen in Syrien sterben nicht nur durch Bomben, viele werden in Foltergefängnissen umgebracht © Syria Comment

Syrien: Tausende Gefangene systematisch getötet

Andreas Zumach /  Alle Akteure im syrischen Bürgerkrieg haben Gefangene grausam gefoltert und ermordet. Das geht aus einem neuen Uno-Bericht hervor.

Im Syrienkonflikt haben die Regierungstruppen, mit ihnen verbündete Milizen sowie die vier Geheimdienste und die Polizeikräfte seit März 2011 in Gefängnissen und anderen Hafteinrichtungen zahlreiche Menschen ermordet, zu Tode gefoltert, verhungern lassen oder bei Massenerschiessungen hingerichtet. In deutlich geringerem Ausmass wurden derartige Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit auch von bewaffneten Rebellengruppen verübt sowie vom syrischen Al-Kaida-Ableger Al-Nusra-Front und vom sogenannten «Islamische Staat». Zu diesem Ergebnis kommt die «Unabhängige internationale Untersuchungskommission zu Syrien» des Uno-Menschenrechtsrates in einem am Montag in Genf veröffentlichten Bericht.
Zeugen schildern grausame Details
Der Bericht umfasst Ereignisse im Zeitraum vom 10. März 2011 bis zum 30. November 2013. Er basiert auf 621 Interviews, die die Kommission unter Vorsitz des Brasilianers Paulo Sérgio Pinheiro geführt hat sowie auf schriftlichen Beweisdokumenten. Unter den Interviewten waren mehr als 500 Überlebende aus Hafteinrichtungen, die Folter, sexualisierte Gewalt und andere Formen unmenschlicher Behandlung von Mitgefangenen bezeugten. Über 200 dieser Zeugen erlebten die Ermordung von Mitgefangenen oder ihren qualvollen Tod in Folge von Folter oder Hunger und Durst. Zudem stützt sich der Bericht auf Aussagen von Familienangehörigen, denen die Regierungsbehörden mitteilten, ihre Verwandte seien «eines natürlichen Todes gestorben».
Häftlinge verschwanden spurlos
Die Regierung Assad hat dem Uno- Untersuchungsausschuss seit seiner Etablierung im August 2011 stets die Einreise nach Syrien verweigert. Daher konnte der Ausschuss sich kein umfassendes Bild der Lage machen und «die vollständige Zahl der Todesopfer in Hafteinrichtungen nicht ermitteln». Der Ausschuss geht auf Grund seiner Ermittlungen aber davon aus, dass «zu jedem Zeitpunkt seit März 2011 Zehntausende Personen in Einrichtungen der Regierung inhaftiert waren».
Der Ausschuss sieht es als erwiesen an, dass die syrische Regierung und ihr Sicherheitsapparat in «systematischer Weise» Menschen willkürlich verhaften, verschwinden, sowie in Hafteinrichtungen foltern und ermorden liess. Zum Teil geschahen diese Verbrechen auch in Militärhospitälern. Über die Toten und die Umstände ihres Ablebens würden «akribische Berichte» angelegt für die Befehlshaber in Militär, Polizei und Geheimdiensten sowie die politisch Verantwortlichen in der Regierung. Der Bericht enthält detaillierte Zeugenbeschreibungen grausamer Foltermethoden sowie die Lagekarten und Namen auch bislang geheimer Haft-und Foltereinrichtungen.
Auch Rebellengruppen sind Täter
Die Milizen des «Islamischen Staats» haben laut dem Bericht ähnliche Verbrechen gegen Zivilisten in den von ihm kontrollierten Gebieten begangen sowie Kriegsverbrechen zum Beispiel durch die Massenerschiessung von gefangen genommenen Regierungssoldaten oder von Kämpfern diverser Rebellengruppen. Den Rebellengruppen sowie der Al-Nusra-Front, dem syrischen Ableger des Al-Kaida-Netzwerkes, hält der Bericht ebenfalls die Ermordung oder andere Kriegsverbrechen gegen inhaftierte Regierungssoldaten oder Kämpfer konkurrierender Rebellengruppen vor.
Der Uno-Ausschuss empfiehlt dem Uno-Sicherheitsrat, den Internationalen Strafgerichtshof «oder eine andere Justizinstanz» mit der strafrechtlichen Verfolgung der im Bericht dokumentierten Verbrechen zu beauftragen. Der unabhängigen Untersuchungskommission des Uno-Menschenrechtsrates zur Lage in Syrien gehören neben dem Vorsitzenden Paulo Sérgio Pinheiro aus Brasilien die US-Amerikanerin Karen Koning AbuZay sowie Carla del Ponte aus der Schweiz und der Thailänder Vitit Muntarbhorn an.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Andreas Zumach ist spezialisiert auf Völkerrecht, Menschenrechtspolitik, Sicherheitspolitik, Rüstungskontrolle und internationale Organisationen. Er arbeitet am europäischen Hauptsitz der Uno in Genf als Korrespondent für Printmedien, wie beispielsweise die tageszeitung (taz), Die Presse (Wien), die WoZ und das St. Galler Tagblatt, sowie für deutschsprachige Radiostationen und das Schweizer Fernsehen SRF. Bekannt wurde Zumach 2003 als Kritiker des dritten Golfkrieges. Im Jahr 2009 wurde ihm der Göttinger Friedenspreis verliehen.

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