Hängeschlaufe Todesurteil.Depositphotos

Schlaufe zum Erhängen. Auf welche Art die 81 Gefangenen getötet wurde, gab die Regierung nicht bekannt. © Depositphotos

Saudi-Arabien: 81 Hinrichtungen an einem einzigen Tag

Helmut Ortner /  Es war die grösste Massenhinrichtung seit Langem. Ein Blogger, der wegen «Beleidigung des Islams» im Gefängnis sass, kam frei.

Seit Jahren beklagen Menschenrechtler immer wieder die hohe Zahl an Exekutionen in Saudi-Arabien. Das Land gehört zu den Ländern mit den meisten Hinrichtungen weltweit. 2019 waren nach Recherchen von Amnesty International 184 Menschen – teils auch öffentlich – exekutiert worden, was international grosse Empörung ausgelöst hatte. Dem Königreich wurde damals vorgeworfen, dass die die meisten der Männer keine fairen Prozesse bekommen hätten und Geständnisse auch durch Folter erzwungen worden seien. Der Grossteil der Hingerichteten gehörte der schiitischen Minderheit an. Im folgenden Jahr 2020, als die Saudis den G20-Vorsitz übernommen hatten, sei – so Amnesty ­–­ lediglich eine „kurze Atempause der Repression“ im Golfstaat gewesen. Danach wurden wieder mehr Menschen hingerichtet, allein zwischen Januar und Juli 2021 gab es 40 Exekutionen.

Nun hat Saudi-Arabien nach eigenen Angaben an einem einzigen Tag 81 Menschen exekutiert. Ein barbarischer Rekord: Beobachter sprechen von der grössten Massenhinrichtung in der jüngeren Geschichte des Königreichs. Die Hinrichtungen wurden am 12. März vollstreckt, nachdem die Todesurteile durch Dekrete des Königshauses bestätigt worden waren. Die Zahl der Exekutierten lag höher als bei einer Massenhinrichtung Anfang 1980 von mutmasslichen Teilnehmern des Sturms auf die Grosse Moschee in Mekka. Damals waren 63 Personen geköpft worden.

(Red. Im Verhältnis zur Einwohnerzahl vollstreckt Saudi-Arabien mit Abstand am meisten Todesurteile. Das geht aus der Statistik des Death Penalty Information Center hervor.)


Über 3000 politische Häftlinge

Die jetzt Hingerichteten seien wegen unterschiedlicher Verbrechen verurteilt worden, liess das saudische Innenministerium über die staatliche saudische Nachrichtenagentur SPA verlautbaren. Wie die Männer diesmal getötet wurden, wurde nicht mitgeteilt. Menschenrechtsgruppen werfen Saudi-Arabien, wo Kronprinz Mohammed bin Salman mit aller Härte gegen unliebsame politische und religiöse Meinungsäusserungen vorgeht, eklatante und permanente Menschenrechtsverletzungen vor. Mindestens 3’000 politische Inhaftierte sitzen in Saudi-Arabien nach Schätzungen von Amnesty International in Gefängnissen. Erst vor wenigen Tagen war der Blogger Raif Badawi nach Jahren aus einem Gefängnis freigekommen. Der Gründer eines Online-Forums war 2012 wegen «Beleidigung des Islams» angeklagt und später zu 10 Jahren Haft und 1000 Peitschenhieben verurteilt worden. 50 der Peitschenhiebe hatte er 2015 erhalten. Trotz seiner Freilassung darf er die nächsten zehn Jahre das Land nicht verlassen (um endlich seine Frau und seine Kinder wiederzusehen, die mittlerweile in Kanada im Exil leben). Auch ist es ihm verboten, in dieser Zeit Online-Medien nutzen. Das totalitäre Königreich erklärt, es schütze mit Strafen und Repressionen wie im Fall Badawi seine nationale Sicherheit gemäss seinen Gesetzen.

NZZ und SRF-Tagesschau informierten nicht

Während die Tamedia-Zeitungen über die 81 Hinrichtungen in Saudi-Arabien berichteten, informierten weder die NZZ noch die SRF-Tagesschau darüber. Die NZZ meldete lediglich: «Saudiarabischer Blogger kommt frei».

Dieser Beitrag erschien zuerst auf pressenza.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Der Autor (1950) ist Journalist und Buchautor. Er hat zahlreiche Bücher veröffentlicht, die in über 14 Sprachen erschienen sind. Zuletzt: «Ohne Gnade – Eine Geschichte der Todesstrafe», mit einem Nachwort von Bundesrichter a. D. Prof. Dr. Thomas Fischer, Nomen Verlag Frankfurt.
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

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6 Meinungen

  • am 15.03.2022 um 13:09 Uhr
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    Dass die NZZ nicht das SRF nicht darüber berichten erstaunt mich gar nicht. Sobald es um die wirtschaftlichen und politischen Interessen der Schweiz im Ausland geht, verstummen unsere Medien ganz schnell…

  • am 15.03.2022 um 22:40 Uhr
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    Und wo bleibt hier der grosse Aufschrei vom Westen? Ach ja, die Abschlachterei in gewissen afrikanischen Ländern regt uns auch nicht besonders auf.

  • am 16.03.2022 um 08:18 Uhr
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    Und wo sind die Kundgebungen «WE STAND WITH SAUDI ARABIAN PEOPLE»?
    Wenn die Interessen der USA betroffen sind, haben die Massenmedien zu schweigen.
    Für Menschenrechte wird nur in jenen Ländern Stimmung gemacht, in denen die USA noch keine Kontrolle darüber haben. Es ist also im Westen immer eine geopolitische Frage, ob und wo Menschenrechte etwas gelten oder nicht.

    • am 16.03.2022 um 20:32 Uhr
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      Nicht nur die Massenmedien schweigen, auch die offizielle Schweiz. Es zeigt wieder mal die Amerika Hörigkeit vom Schweizer Staat. Und das immer mehr. Stichwort F35. Die Abhängigkeit wird immer grösser.

  • am 16.03.2022 um 14:09 Uhr
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    Gewalttäter auf höchster Ebene. Nach dem Motto, töte wenige, Erziehe viele. Grauenhaft, niemand hat das Recht, menschliches Leben zu beenden. Menschen dessen Verhalten eine reale Gefahr darstellt, müssen notwendigerweise daran gehindert werden, dafür gibt es humane Möglichkeiten. Das Leben selbst, welches vom Menschen selber nicht mal Erschaffen werden kann, muss unantastbar bleiben. Die Gewalt gegen Menschen welche jenseits von Notwehr stattfindet, ist das Grundübel der Welt. Da sind Gewalttäter nicht besser als Raubtiere.

    • am 17.03.2022 um 23:36 Uhr
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      Lieber Herr Gubler,
      Raubtiere sind nicht bösartig. Sie töten zum Zweck der Selbst- u. Arterhaltung, nicht um zu strafen. Und ist ein Löwe satt, so kann eine fette Antilope vor seiner Nase herumspazieren – er wird sie höchstens fürs nächste Abendessen vormerken. Deshalb finde ich auch den Begriff vom «Raubtier-Kapitalismus» eine Beleidigung des Tieres.

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