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Die Ermordung von 43 Studenten in Iguala löste landesweit Proteste aus © ard

Mexiko: Mord und Entführungen an der Tagesordnung

Philipp Gerber, Mexiko /  Lokale Politiker, Polizei und Mafia haben das Massaker an 43 Studenten zu verantworten. Im Bundesstaat Guerrero regiert die Gewalt.

Die mexikanische Regierung verkündet einen Fahndungserfolg im Fall der Angriffe auf Lehramtsstudenten vom 26. September 2014: Am 7. Mai gelang die Verhaftung von Francisco Salgado Valladares, dem ehemaligen Vizedirektor der Polizei von Iguala. Salgado Valladares hatte sich bei Verwandten in einem Luxusappartement in der Stadt Cuernavaca, im benachbarten Bundesstaat Morelos versteckt. Sein Chef und wichtigster Tatverdächtiger im Fall des gewaltsamen Verschwindenlassens der 43 Studenten der Lehramtsschule Ayotzinapa, der damalige Polizeidirektor Felipe Flores Velázquez, ist jedoch nach wie vor auf der Flucht. Gemäss dem jüngst veröffentlichten Untersuchungsbericht der Partei PRD über die Vorkommnisse in Iguala soll der ehemalige Militär Flores Velázquez von einem Oberst der mexikanischen Bundesarmee für das Amt als Polizeichef von Iguala empfohlen worden sein.

Im Prozess gegen die Verantwortlichen der Verbrechen von Iguala beklagen Menschenrechtsorganisationen, dass die Anklagen der Staatsanwaltschaft bisher nicht über die Delikte Entführung, Mord und organisierte Kriminalität hinausgehen. Der ehemalige PRD-Bürgermeister von Iguala, José Luis Abarca Velázquez und weitere Funktionäre wurden nicht der schweren Menschenrechtsverbrechen Folter, extralegale Hinrichtungen und gewaltsames Verschwindenlassen von Personen angeklagt. Sollte die mexikanische Justiz bei diesen Anklagen bleiben, «wird dieser Fall vor den Interamerikanischen Menschenrechts-Gerichtshof gelangen, um den Staat wegen Verbrechen gegen die Menschheit zu verurteilen», meint dazu die Rechtsexpertin Magdalena Gómez.
Belastungszeuge muss untertauchen
Wie schwierig sich die Suche nach Gerechtigkeit gestaltet, zeigt der Fall des wichtigen Zeugen Nicolás Mendoza Villa. Der linke Aktivist wurde zusammen mit fünf weiteren Mitgliedern der sozialen Organisation Unidad Popular im Mai 2013 in Iguala von Polizisten entführt. Gemäss seiner Aussage ermordete der Bürgermeister Abarca persönlich eines der Mitglieder der Unidad Popular, zwei weitere Aktivisten kamen ebenfalls um. Nicolás Mendoza Villa und seine Familie flohen darauf aus Iguala und tauchten unter. Nicolás Mendoza wagte es als einziger Überlebender, die Exekutionen zu denunzieren, doch die Untersuchung verlief im Sande. Erst im Dezember 2014, also nach dem Angriff auf die Studenten, gelang es den Überlebenden der Unidad Popular, Schutzmassnahmen der Interamerikanischen Menschenrechtskommission zu erhalten.
Jüngst gab der wichtige Zeuge der Verbrechen Abarcas bekannt, dass sein Bruder Francisco Mendoza Ende April in seinem Zufluchtsort Chichihualco ermordet wurde. Die Mörder schossen Francisco ins Gesicht und schnitten ihm die Ohren ab. Für die Organisation «Solidarisches Netzwerk gegen die Straflosigkeit» ist dieser Mord ein Zeichen dafür, dass der Staat die Zeugen und ihre Familien unzureichend schützt und möglicherweise José Luis Abarca Velázquez auch aus dem Gefängnis heraus Mordbefehle erteilt. Nicolás Mendoza vertraut den Behörden nicht mehr und ist erneut untergetaucht.
Weiterhin Morde und Entführungen in Iguala
Sieben Monate nach dem Angriff auf die Studenten herrscht in Iguala weiterhin ein Klima der Gewalt. Gemäss der Tageszeitung El Sur wurden trotz der Präsenz der Eliteeinheiten der Gendarmerie in der Stadt im ersten Quartal des Jahres 44 Personen ermordet. Auch die Suche nach den über 400 gewaltsam verschwundenen Personen in Iguala geht weiter. Deren Angehörige, welche seit November 2014 auf eigene Faust in den Hügeln nahe der Stadt nach geheimen Gräbern suchen, konnten am 7. Mai zwei weitere Funde vermelden. Damit lokalisierten sie inzwischen insgesamt 93 Leichen.
Auch Entführungen sind weiterhin an der Tagesordnung: Am 7. Mai entführten Unbekannte den Journalisten Bernardo Javier Cano Torres, Mitarbeiter der Radiostation ABC mit Sitz in Iguala. Das Auto von Cano Torres wurde auf der Strasse Iguala – Teloloapan beim Ort La Loma de los Coyotes gefunden, unweit eines Militärstützpunktes. Vom Reporter und drei weiteren Personen, die ihn begleiteten, fehlt bisher jede Spur.

Dieser Artikel ist im Nachrichtenpool Lateinamerika poonal erschienen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Philipp Gerber ist freischaffender Journalist und Ko-Projektverantwortlicher in Mexiko für «medico international schweiz» in Oaxaca.

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