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Familie Munoz: Frau Marlise wurde für hirntot erklärt, durfte aber doch nicht sterben. © Facebook

Gericht entscheidet, dass Hirntote sterben darf

Barbara Marti /  Gegen ihren Willen haben Ärzte eine 33-Jährige künstlich am Leben gehalten, weil sie schwanger ist. Jetzt darf sie sterben.

NACHTRAG RED: Nach einem langen Kampf um ihren selbstbestimmten Tod haben die Ärzte am 26. Januar 2014 die künstliche Beatmung der Hirntoten abgestellt.

Der Fall bewegte die USA. Es geht um Hirntod, Sterbehilfe und Schwangerschaft. Ärzte stützten sich auf ein texanisches Gesetz, das verlange, «Schwangeren keine lebensunterstützenden Massnahmen vorenthalten» zu dürfen – auch gegen den erklärten Willen der Frau und des Vaters. Nun hat ein Gericht angeordnet, die Maschinen abzuschalten. Das berichtet heute die New York Times.


Der Bericht auf Infosperber vom 9.1.2014: Fall in Texas: Der Hirntod ist doch kein Tod
Eine 33-Jährige, die für hirntot erklärt wurde, halten Ärzte gegen ihren Willen künstlich am Leben, weil sie schwanger ist.
Bereits seit dem 26. November 2013 liegt Marlise Munoz als Hirntote im Spital und wird an Schläuchen am Leben erhalten, weil sie in der 14. Woche schwanger war, als sie eine Lungenembolie erlitt. Sie hatte keinen Puls mehr und atmete nicht mehr, bekam für einige Zeit also keinen Sauerstoff mehr.
Ihr Gatte und ihre Eltern bezeugen übereinstimmend, dass Marlise Munoz keine lebensverlängernden Massnahmen wollte, berichten die «Dalles News». Munoz arbeitete wie auch ihr Ehemann in einem Spital und hatte über lebensverlängernde Massnahmen eine klare Meinung.
Doch die Ärzte sagen, sie seien verpflichtet, das Leben des Fötus zu erhalten, selbst wenn dieser durch die unterbrochene Sauerstoffzufuhr Schaden erlitten haben sollte – so lange das Herz des Fötus noch schlage. Das verlange das texanische Gesetz, nach dem «Schwangeren keine lebensunterstützenden Massnahmen vorenthalten» werden dürfen. Drei texanische Experten widersprechen und sagen, die Ärzte würden dieses Gesetz falsch interpretieren und anwenden.
Wenn es darum geht, Toten Organe zu entnehmen, gelten Hirntote als definitiv tot. Lebensverlängernde Massnahmen werden spätestens nach der Organentnahme gestoppt.

Abtreibungsdebatte angeheizt
In den USA hat dieser Fall Abtreibungsgegner und -befürworter auf den Plan gerufen, die sich in Zeitungen und Social Media hitzige Wortgefechte liefern. Dem Vater wird unterschoben, er wolle das Baby los werden. Einige behaupten sogar, Marlise könnte doch noch erwachen, und das Baby trotz dem zeitweisen Sauerstoffentzug eventuell trotzdem noch gesund auf die Welt kommen.
Die «Dallas Morning News» kritisierten, Munoz› Körper werde «als Brutkasten missbraucht». Die Vereinigung «Pro Choice America» forderte die Justizbehörden auf, die Wünsche der Patientin und ihrer Angehörigen zu respektieren.
Marlises Vater Ernest Machado appellierte an Ärzte und Öffentlichkeit, den Willen der Tochter zu respektieren: «Wir wollen, dass Mutter und Kind in Frieden ruhen können.»

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Die Autorin ist Redaktorin und Herausgeberin der Zeitschrift «FrauenSicht».

Zum Infosperber-Dossier:

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10 Meinungen

  • am 10.01.2014 um 12:51 Uhr
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    Das Kind hat ein Recht auf Leben, auch wenn es erst ein kleines Zellhäuflein ist. Es sind schon Hirntote wieder aufgewacht, das Leben ist heilig. Es gibt hier nichts zu diskutieren, für mich ist der Fall klar. Wenn der Körper der Frau sterben muss, wenn ihre Zeit gekommen ist, kann er dies auch tun trotz Beatmung und Reanimation. Ich finde es nicht gut, wie verschiedene Gruppierungen nun diese Gelegenheit nutzen, um sich auf Kosten eines schweren Schicksalsweges zu profilieren.

  • am 10.01.2014 um 13:46 Uhr
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    Ich meinerseits finde es nicht gut, dass die Aerzte einen 14 Wochen alten Fötus als Labortier missbrauchen.
    Dabei sagt ihnen die gleiche Kunst, die es gestattet, den Körper der Mutter gegen ihren Willen am Funktionieren zu halten, dass der Fötus nicht gesund, möglicherweise nicht lebensfähig zur Welt kommen wird!
    Der Verdacht ist gross, dass die Aerzte diese Gesetzesauslegung vorschieben und sich über den klaren WIllen einer Toten und ihrer Angehörigen hinwegsetzen, um (ich muss zugeben, an sich wertvolle) Forschungseinsichten zu erhalten.
    Wozu habe ich eine Patientenverfügung unterschrieben?
    Vor Jahren schon habe ich mich sehr geärgert über einen Fall, den mir ein im Sterben liegender amerikanischer Freund berichtet hat über einen Anwalt, den die Aerzte erfolgreich daran hinderten seinen Vater, der nach Hause wollte, aus einem Spital mit nach Hause zu nehmen.

  • am 10.01.2014 um 14:33 Uhr
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    Danke für diese Sichtweise, die sehr beachtenswert ist, und aufzeigt dass jede Situation wieder eine etwas andere sein kann. Auch ich habe eine Patientenverfügung erstellt, aber ob diese eingehalten wird? Und es gibt noch einen anderen Aspekt. Auch Behinderte haben ein Recht auf Leben. Oft sind es auch Behinderte in unserer Gesellschaft, welche den Hochmut der anderen etwas dämpfen. Behinderte gibt es nicht einfach so, sie haben eine wichtige Funktion in unserer menschlichen Entwicklungsgeschichte. Mit freundlichen Grüssen Beatus Gubler Projekte http://www.streetwork.ch Basel

  • am 13.01.2014 um 08:25 Uhr
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    Dieser Fötus wächst in einer Leiche auf, denn die Frau ist von isch aus nicht mehr überlebensfähig. Es passt zu unserer Zeit, den Tod nicht akzeptieren zu wollen und auch nicht akzeptieren zu wollen, dass es der Körper und Wille der Mutter ist, der darüber entscheidet, ob ein Kind heranwachsen soll.

  • am 13.01.2014 um 17:16 Uhr
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    Guten Tag Herr Moser. Nicht alles was Tot scheint ist auch Tot, es sind schon als eindeutig Hirntod festgestellte wieder aufgewacht, nach Jahren. Ich habe keine Probleme den Tod zu akzeptieren, ich stehe selber davor. Aber niemand hat das Recht, über das Leben eines anderen Menschen zu entscheiden, also über diesen Fötus, es sei denn das Leben einer anderen Person sei dadurch bedroht. Wenn sie also dafür sind, diesen Fötus hinzurichten, nur weil ihre Mutter eine Leiche ist, dann gehen sie hin und tun es selbst. Schauen sie dann beim Embryo die Fingerlein an, und das Gesichtlein. Sie werden vielleicht ihr Leben lang davon Alpträume haben. Typisch für unsere Gesellschaft, kein Respekt vor dem Leben wird uns schon in der Schule eingetrichtert, und ohne dass wir es merken, bleiben wir indoktriniert. Tu niemandem das an, was sie nicht an sich getan haben wollen. Kehren sie die Situation um, stellen sie sich vor, sie wären dieser Fötus, was würden sie empfinden? Gruss Beatus Gubler http://www.streetwork.ch

  • am 26.01.2014 um 22:20 Uhr
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    Der Begriff «Hirntod» wurde von Aerzten erfunden, um von Sterbenden die Organe entnehmen zu können, so lange sie noch durchblutet sind. «Hirntote» sehen aus wie Schlafende, sie können schwitzen, die Haut ist rosa … Die Aerzte nehmen an, dass sie keine Schmerzen empfinden, doch wer beweist das? Vor einer Organentnahme gibt es keine Anästhesie.

    Man darf also von «Hirntoten» die Organe entnehmen, anderseits will man hier ein Ungeborenes am Leben erhalten, das keine Mutter mehr hat. Dann schneidet man es raus, so früh es geht, und legt es in einen Brutkasten? Einmal gilt eine «Hirntote» als tot, diesmal als noch lebend. Eine Definition nach Belieben?
    Wo ist es noch möglich, dass Sterbende in Frieden sterben können?

  • am 28.01.2014 um 09:09 Uhr
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    Diese guten und sehr achtsamen Kommentare zeigen eine Menschen-Sicht auf, welchem der Artikel selbst das Wasser nicht zu reichen vermag. Dies wird früher oder später auch die journalistischen Leistungen verfeinern…

  • Portrait.Urs.P.Gasche.2
    am 28.01.2014 um 10:23 Uhr
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    @Lachenmeier. Der Artikel brachte die Fakten über das, was in Texas passiert ist und dort gesagt wurde. Das hat offensichtlich viele Leserinnen und Leser auf dieser Seite und auf Facebook dazu angeregt, sich Gedanken zu machen und Fragen zu stellen. Dieser Austausch von Meinungen und Wertungen ist sehr erfreulich.

  • am 28.01.2014 um 21:25 Uhr
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    @Gasche & Marti. Meine Zustimmung, danke für den Hinweis! Ich war selbst unachtsam, würde nicht mehr so werten. Ich bitte Frau Marti um Entschuldigung.

  • am 28.01.2014 um 21:26 Uhr
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    Ja, zur Sprache bringen, zu Wort bringen, zu Bewusstsein bringen, sind wir doch alle ein Leben lang Lehrlinge. Ich bin dumm, und versuche jeden Tag etwas weniger dumm zu werden, das ist meine, nicht ganz schmerzfreie Devise, aber eine Devise welche noch vor viel üblerem schützt, meinem Hochmut. Bevor sich etwas ändert in der Welt, der Handlung, der Tat, braucht es das Wort. Hier werden Wörter, Texte zu Bewusstsein geboren, und irgendwann und irgendwo wird daran gewachsen. Das ist das Leben, und ein Teil davon die Berufung zum Journalisten. So wird der Journalist zu einem Dichter und Verdichter einer besseren Zukunft, wo durch Erfahrung entstandene Weisheit Leiden reduziert.

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