Sperberauge

Kulanz bei den SBB (2)

Martina Frei © zvg

Martina Frei /  Wegen eines defekten Automaten soll die Kundin 90 Franken Busse zahlen. Nach einigem Hin und Her stornieren die SBB die Busse.

Der Fahrkartenentwerter funktionierte nicht, ich stieg trotzdem in den Zug, zückte sofort einen Kugelschreiber, füllte das Feld der Mehrfahrtenkarte von Hand aus und riss die kleine Papierecke ab. Damit war das Feld entwertet.

15 Minuten später büsste mich der Kontrolleur wegen Fahrens mit nicht entwertetem Fahrausweis. Auf meine Reklamation hin reagierten die SBB nicht. Und der Ombudsmann konnte nicht tätig werden, weil ihm erst etwas Schriftliches von den SBB vorliegen muss. Das war die Ausgangslage, die ich auf Infosperber schilderte.

«Nicht nachgeben!», riet eine Leserin. Nun denn. 

Also nochmals eine E-Mail an den Ombudsmann, es ist inzwischen die vierte. Daraufhin nimmt er mit den SBB Kontakt auf. Seine Antwort: Der SBB würden erstens keine Meldungen vorliegen, derzufolge am besagten Tag und Bahnhof ein Stempelautomat defekt gewesen sei. Zweitens würden die SBB unter meiner E-Mailadresse keine Kundenkorrespondenz finden. «Es kam somit in den letzten Wochen möglicherweise keine Antwort des SBB-Kundendienstes, weil sie von Ihnen gar nichts empfangen haben», schreibt der Ombudsmann und wiederholt: Er könne erst tätig werden, wenn eine schriftliche Korrespondenz mit den SBB vorliege. 

Also reklamiere ich bei den SBB erneut online und mache nun extra einen Screenshot, damit ich es später beweisen kann. Es ist mir ein Rätsel, weshalb meine frühere Reklamation dort nicht eingegangen sein soll.

Tags darauf antwortet eine freundliche Dame des «Spezialistenteam Beschwerdemanagement» der SBB: Man kläre es ab, die Zahlung sei bis zum Entscheid sistiert. 

Am Folgetag trifft die frohe Botschaft ein: «Der Entscheid zu Ihren Gunsten ist gefällt. Sie erhalten separat Post vom Servicecenter Einnahmen.» Diese trifft postwendend ein – und siehe da: Unten dran hängt eine Kopie meiner ersten Reklamation, die angeblich gar nie bei den SBB eingetroffen ist. 

Ich brauche die Busse nicht zu bezahlen, wird mir beschieden. Bloss: Nach der Betreibungsandrohung hatte ich das Geld schon vor über einem Monat online überwiesen. Die SBB bestätigten damals den Zahlungseingang. 

SBB Zahlungsbestätigung
Später stellt sich heraus: Diese Zahlungsbestätigung war fake.

Es sei aber kein Geld verbucht worden, heisst es nun von den SBB. Ich möge bitte meine Bankauszüge prüfen. Tatsächlich: Die 90 Franken wurden nicht abgebucht. 

So hat der defekte Fahrkartenentwerter erst den Kontrolleur im Zug beschäftigt, dann eine SBB-Mitarbeiterin am Zielbahnhof, danach das «Servicecenter Einnahmen» der SBB, folgend mehrmals den Ombudsmann, schliesslich das «Spezialistenteam Beschwerdemanagement» und zuletzt wiederum das «Servicecenter Einnahmen». Für mich bedeutete der defekte Entwerter alles in allem rund zwei Stunden Aufwand.

Und das alles wegen einer Fahrkarte, die von Hand längst entwertet war. 


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Die Autorin findet die Busse, die ihr auferlegt wurde, ungerecht. 
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Weiterführende Informationen

Zum Infosperber-Dossier:

Tasche_Hintergrund

Konsumentenschutz

Einseitige Vertragsklauseln. Täuschungen. Umweltschädlich. Hungerlöhne. Erschwerte Klagemöglichkeiten.

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3 Meinungen

  • am 10.05.2023 um 12:11 Uhr
    Permalink

    Der öffentliche Verkehr in der Schweiz wird zu kleinkariert kontrolliert. Alle Reisende stehen unter Generalverdacht, schwarz zu fahren.

    Dazu eine Geschichte: Unser jüngerer Sohn hat eine Behinderung. Seine Sonderschule braucht die Begleiterkarte. Früher gab es ein grünes Heftchen, jetzt hat er eine SwissCard. Seine Lehrerin hat die Begleiterkarte kopiert, damit wir ihm die Karte nicht immer mitgeben müssen. Sie hat für uns auch eine Kopie gemacht, damit meine Frau und ich abwechselnd mit ihm reisen können, ohne ständig die Karte hin- und her zu reichen. Leider war es nicht möglich, die Begleiterkarte auf dem Swisspass der Eltern zu laden. Die Juniorkarte unseren ältereren Sohns kann man laden, aber die Begleiterkarte nicht!

    So weit, so schlecht. Bei einer Kontrolle wurden wir sehr unfreundlich angeschnauzt, dass eine Kopie nicht zulässig sei, und dass wir noch von der SBB hören werden. Passiert ist nichts.

  • billo
    am 10.05.2023 um 14:09 Uhr
    Permalink

    Proscht Nägeli!
    Das ist genau die schöne neue Zukunft, die uns blüht bzw. uns bereits den Alltag vermiest. Die Fliessbandproduktion von Ford-T-Modellen und die daraus entstandene Automation bei der Herstellung von Geräten aller Art ist eben nicht das Gleiche wie die Automatisierung von Dienstleistungen zwischen Menschen.
    Mit dem rasch zunehmenden Einsatz künstlicher «Intelligenz» anstelle von vernünftig ausgebildeten Menschen wird solche Ärger exponentiell zunehmen, mitsamt den brutalen Folgen, wenn die Programme im Einzelfall versagen oder im Regelfall immer öfter für die Kontrolle über Einlass oder Ausschluss von Menschen entscheiden.

  • am 12.05.2023 um 13:49 Uhr
    Permalink

    Mir ist vor einigen Jahren genau das analoge geschehen wie der Bericht aufzeigt. Auch ich hatte ein MehrfahrtkartenTicket und die Entwertungsautomaten im Zürich HB waren alle zugedeckt. Kein ZugKontrolleur sichtbar, und weil es schon 22h war wollte ich den Zug nach Basel nicht verpassen. Also schrieb ich von Hand das Datum auf das Ticket und wartete im fahrenden Zug auf den Kontrolleur. Der kam und sagte mir: Handentwerten ist seit 2 Jahren verboten (ich sah NIE eine solche Vorgabe) deshalb müssen Sie eine Busse (90.– Fr) bezahlen. Die SBB sandte mir die Bussen-Rechnung zu und ich schrieb denen, dass ich ein Ticket hatte, ALLE Automaten wegen Baustelle im HB ZH waren zugedeckt. Aber die SBB blieb kundenUNfreundlich, reduzierte die Busse ein wenig, aber liess nicht locker Busse zu zahlen. Also bin ich seit dem nie mehr SBB gefahren, sondern benütze mein Auto. Die SBB verhält sich n m E immer mehr Kunden-UN-freundlich.

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