Raymond Barre’s Schweizer Bankkonto: Ermittlung gegen Söhne
Gegen Olivier und Nicolas Barre, die beiden Söhne des ehemaligen französischen Premierministers Raymond Barre, ist in Frankreich ein Verfahren wegen «Geldwäsche im Zusammenhang mit Steuerhinterziehung» eingeleitet worden. Die beiden Angeklagten fechten die erhobenen Vorwürfe an, es gilt die Unschuldsvermutung.
Das Verfahren steht im Zusammenhang mit einem nicht deklarierten Konto des ehemaligen französischen Premierministers, der bei der «Credit Suisse» in Basel rund elf Millionen Francs vor den Steuerbehörden versteckt hatte.
Das Schwarzgeld des «besten Ökonoms von Frankreich»
Der Name «Barre» hat in Frankreich grosse Bedeutung: Der 2007 verstorbene Raymond Barre amtete zwischen 1976 und 1981 als französischer Premierminister und von 1995 bis 2001 als Bürgermeister von Lyon. Er galt nicht nur als Verfechter von Sparsamkeit und Budget-Disziplin, sondern auch als einer der grössten Persönlichkeiten der Fünften Republik.
Der ehemalige französische Präsident Valéry Giscard d’Estaing (1974 – 1981) bezeichnete den 2007 verstorbenen Barre gar als «besten Ökonom Frankreichs». In seiner allgemeinen politischen Rede erklärte Raymond Barre 1976, dass seine Regierung beabsichtigt, «die Franzosen mit der Steuer zu versöhnen». «In diesem Sinne», so der damalige Premierminister, zeige er «keine Schwäche gegenüber denen, die versuchen, die Franzosen gegen die Steuerkontrolle auszuspielen».
Herkunft der Gelder unbekannt
Allerdings war Raymond Barre selber kein Unschuldslamm. Im Jahr 2019 veröffentlichte das satirische Wochenblatt «Le Canard enchaîné», das immer wieder Recherchen zu Steuerhinterziehungen und Geldwäsche veröffentlicht, dass der ehemalige Premierminister von Frankreich 11 Millionen Francs vor den Steuerbehörden versteckt hatte. Raymond Barre besass ein nicht deklariertes Konto bei der «Credit Suisse» in Basel.
Der Fall begann im Jahr 2013 mit der Übermittlung eines Screenshots des internen Netzwerks der «Credit Suisse», den ein Informant an die Steuerbehörden übermittelt hatte. Darin stand auch der Name «Raymond Barre» und zwei handschriftliche Erwähnungen – eine Kontonummer und ein Betrag von 11 Millionen Francs. Diese Hinweise wurden anschliessend von den Ermittlern bestätigt.
Die Herkunft der Gelder, aus denen das Schweizer Konto von Raymond Barre gespeist wurde, ist bis heute unbekannt. «Le Canard enchaîné» erinnerte in einem Artikel aber an die fast 12 Millionen Francs, die nach dem Wahlsieg des ehemaligen französischen Präsidenten François Mitterrand im Jahr 1981 plötzlich verschwanden. Dabei handelte es sich um geheime Gelder, die für die Boni der Ministerkabinette bestimmt waren und die in den Tresoren der Banque de France aufbewahrt wurden.
2020: Villa beschlagnahmt
Um Licht auf die von Raymond Barre in der Schweiz versteckten Gelder zu werfen, eröffnete die Nationale Finanzstaatsanwaltschaft (PNF) nach einer zweijährigen Voruntersuchung im April 2016 eine gerichtliche Untersuchung. Wie französische Medien nun berichten, ist im Zuge der Ermittlungen auch ein Verfahren gegen die beiden in der Schweiz lebenden Söhne von Raymond Barre eingeleitet worden. Der Vorwurf: «Geldwäsche im Zusammenhang mit Steuerhinterziehung».
So sei eine Villa, die Raymond Barre 1979 an der Côte d’Azur gekauft hatte, im März 2020 von den Gerichten beschlagnahmt worden. Gemäss der Zeitung «Var Matin» sei die Residenz im Jahr 2013 für 14 Millionen Euro von der Firma «Les Dauphins» mit Sitz im französischen Villeurbanne gekauft worden. «Les Dauphins» befindet sich im Besitz der Holdinggesellschaft ONB Invest, die wiederum den beiden Söhnen des ehemaligen französischen Premierministers gehört.
Um den Erwerb des Grundstücks teilweise zu finanzieren, gewährte ONB Invest dem Unternehmen «Les Dauphins» ein erstes Darlehen von mehr als 7,5 Millionen Euro. Dieses Darlehen wurde dann schrittweise bis zum 31. Dezember 2019 auf mehr als 11 Millionen Euro erhöht, wie aus den von «mediapart» konsultierten Jahresabschlüssen des Unternehmens hervorgeht.
«Steuerliche Situation ist regularisiert»
Der Steueranwalt der beiden Barre-Söhne, Jean-Louis Renaud, erklärte gegenüber «mediapart», dass die steuerliche Situation seiner Mandanten bereits vor der Eröffnung der Untersuchungen «regularisiert» worden sei. In der Tat warteten die Erben bis 2013, um das Vermögen bei den französischen Steuerbehörden zu regularisieren. Die Söhne von Raymond Barre haben bisher angeblich rund eine Million Euro für Korrekturen, Strafen und Verzugszinsen gezahlt.
«Die Steuerbehörden stellten dann eine neue These auf, während der Fall beigelegt wurde», sagt Renaud. Die Anwältin Marie-Alix Canu-Bernard, die Olivier Barre vor Gericht verteidigt, wollte in den französischen Medien kein Kommentar abgeben – sie bestätigte einzig, dass ihr Mandant die Anklage und die Beschlagnahmung der Villa rechtlich anfechten werde. Der Anwalt von Nicolas Barre, Jean-Sylvain Thinat, war nicht erreichbar.
Kein Einzelfall
Die Tatsache, dass führende französische Politiker möglicherweise nicht deklarierte Konten in der Schweiz hatten, die durch das bis 2017 geltende Bankgeheimnis gut geschützt sind, ist kein Knüller. Einer der berüchtigtsten Fälle ist der des Schweizer Kontos des ehemaligen sozialistischen Haushaltsministers Jérôme Cahuzac, der im Mai 2018 in der Berufung zu vier Jahren Gefängnis verurteilt wurde, weil er unter anderem den Steuerbehörden die Existenz von rund 600’000 Euro zunächst bei der UBS, dann bei der Genfer Bank Reyl & Cie und danach in Singapur bei der Bank Julius Bär, verschwiegen hatte.
Nachdem der Bundesrat im März 2009 beschlossen hatte, das Bankgeheimnis aufzugeben, hat der Bund seit 2017 den automatischen Informationsaustausch mit Frankreich und anderen OECD-Ländern eingeführt.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine
Was nun? 11 Millionen französische Francs oder 11 Millionen Schweizer Franken? Die FF waren damals immerhin zweieinhalb mal weniger wert als CHF. Das entschuldigt Raymond Barres Steuerhinterziehung keineswegs, wirft aber ein schlechtes Licht auf den Autor des Artikels.
Ich bin sicher, dass auch Adam und Eva solche Konten hatten, falls es damals schon Schweizer Banken gab.
Diese Art der «Vergangenheitsbewältigung» ist widerlich. «Retroaktive» Justiz ist das «Ding» heutiger Medien. Der Begriff der «Erbschuld», bzw. der «Erbsünde» wird hier in einer neuen Form aufgewärmt.
In einer auf «Rationalität» aufbauenden Gesellschaft, sollten diese Begriffe im Museum deponiert werden.