Gret Haller mahnt: «Freiheitsrechte nicht einschränken»
Gret Haller, 74, die sich im Europarat in Strassburg und im Balkan für die Menschenrechte einsetzte, nimmt in einem NZZ-Interview kein Blatt vor den Mund: Die körperliche Integrität sei ein fundamentales, bedingungsloses freiheitliches Grundrecht. Wenn man sich aber aktiv anmelden muss, damit dieses Grundrecht respektiert wird – wie es das Widerspruchsmodell bei der Organspende vorsieht –, verstosse der Staat gegen dieses Grundrecht. Haller wörtlich:
«Wenn der Staat sagt, er schütze körperliche Integrität nur dann, wenn dies vorher ausdrücklich gewünscht worden ist, verletzt er damit die Freiheitsrechte. Denn Freiheitsrechte muss man nirgends anmelden.»
Der Staat dürfe die Bürgerinnen und Bürger «nie in die Situation bringen, in der es seine Grundrechte verlangen muss».
«Leben erhalten und retten»
Im Parlament meinte FDP-Nationalrat Kurt Fluri, Befürworter der Widerspruchslösung: «Das Risiko, dass Organe von jemandem entnommen werden, der das möglicherweise nicht gewollt hätte, ist mir weniger wichtig als die Möglichkeit, Leben zu erhalten und Leben zu retten.» Diese Aussage findet Gret Haller haarsträubend:
«Sie reduziert die Grundrechte auf eine Interessenabwägung. Wenn es bei den Grundrechten nur noch um eine Interessenabwägung geht, ist das der Anfang vom Ende.»
Haller erwähnt das Beispiel der Interessenabwägung beim Einsatz der Folter:
«In Guantánamo wurde gefoltert, weil die Amerikaner sagten: ‹Das Interesse der USA, keinen Terrorakten mehr ausgesetzt zu sein, ist so gross, dass wir Leute foltern müssen.› Aber Menschenrechte lassen eine solche Argumentation nicht zu. Auch Terroristen haben Menschenrechte. Im Bereicht der Grundrechte darf es keine Abwägung von Interessen geben.»
Übersetzt auf die Abstimmung bedeute dies:
«Ein neues Herz zu bekommen, ist kein Grundrecht. Körperliche Integrität hingegen sehr wohl. Auch hier muss der Staat meine körperliche Integrität schützen, und er darf nicht von mir verlangen, dass ich diesen Schutz zuerst verlangen muss.»
Parolen der Parteien
Am 15. Mai kann das Volk darüber abstimmen, ob künftig jeder Mensch ein Organspender ist, falls er zu Lebzeiten dagegen keinen Widerspruch eingelegt hat. Der Bundesrat sowie die Parteien FDP, Mitte, Grünliberale, SP und Grüne haben die Ja-Parole herausgegeben. Die SVP und EVP die Nein-Parole.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Zu 100% einverstanden mit der geschätzten Frau Kollegin, vor 50 (!) Jahren Kommilitonin an der UZH. Apropos: Was ist mit all den zahllosen Mitmenschen, die mangels Sprachkenntnissen, Intelligenz, Bildung, politischem Interesse usw. usw. gar nicht mitbekommen, um was es eigentlich geht und was sie konkret unternehmen müssten, um dieser menschenrechtswidrigen „Lösung“ zu entgehen. Wer geht da von Haus zu Haus und klärt – jeweils in der Muttersprache der Betroffenen – auf ? Etwa der Herr Fluri und die anderen Traumtänzer ? Wohl eher kaum.
Beim Geschlechtsverkehr ist nur ein «ja» ein «ja». Bei der Organspende ist nur ein «nein» ein «nein». Das «ja» gilt als Antwort «by default».
Ist das Teil unserer politischen Schizophrenie ?
danke für die klare argumentation.
nur weil etwas medizinisch möglich ist, darf es nicht quasi zur pflicht erhoben werden.
Das ist alles sehr richtig und wichtig, was Frau Haller sagt. Ich staune, dass es die meisten grossen Parteien anders sehen und dem Druck gewichen sind.
Körperliche Integrität wird auch durch eine Impfpflicht verletzt. Sie ist mit den Menschenrechten nicht vereinbar.
Die Tatsache, dass selbst in der Schweiz starker Druck auf die Menschen ausgeübt wird, sich impfen zu lassen, sollte uns deshalb zu denken geben. Es ist ein Beispiel, das nicht Schule machen darf.
Leider hat sich der im Artikel von Gret Haller zitierte Kurt Fluri auch hier zu einer inakzeptablen Äusserung hinreissen lassen: Ungeimpften soll die Versicherungsdeckung für COVID-Erkrankungen entzogen werden.
Wir müssen am 15. Mai der Tendenz entgegentreten, dass der Staat die Verfügungsgewalt über den menschlichen Körper hat.
Bravo Frau Haller, diesmal liegen Sie goldrichtig. Aufgrund Ihrer Stellungnahme müssen Sie nur noch ihr Verhältnis der Schweiz zie EU überdenken, denn Ihr Freiheitsgebot ist mit einer EU-Mitgliedschaft nicht zu erreichen.
Aber danke für Ihr Statement gegen die völlige wirkungslose Widerspruchslösung!
Geht es bei der Organspende nicht darum, klinisch Toten Organe entnehmen zu können? Es ist doch nicht die Rede davon, Lebenden Organe weg zu nehmen, oder habe ich etwas falsch verstanden?
In diesem Artikel wird dieser wichtige Umstand nicht geklärt. Den Vergleich mit Guantanamo empfinde ich als geschmacklos und irreführend.
Die Diskussion kann allenfalls religiös geführt werden. Wir haben z.B. im Gegensatz zu islamischen oder christlich orthodoxen Vorstellungen kein Problem damit, unsere Toten zu verbrennen. Werden bei uns damit Menschenrechte eingeschränkt? Wohl nicht!
Die Rettung von Menschenleben zu verhindern mit einer solch hinkendnen quasireligösen Argumentation ist m.E. ethisch nicht haltbar. Die Rechte lebender Menschen steht über den Rechten toter Körper.
Die Frage ist berechtigt und kreist um die Frage, wie wir Tod definieren. Nach traditioneller Definition heisst Tod dass das Herz stillsteht.
Leben beginnt, wenn ein Herz zu schlagen beginnt und der Tod ist da, wenn das Herz zu schlagen aufhört. In diesem Moment verlässt nach christlichem Verständnis die Seele den Körper.
Im Zusammenhang mit der Organentnahme wurde aber die Bedeutung des Wortes verändert «Tot» ist jetzt ein Mensch schon vom Moment an, wo das Hirn irreperabel geschädigt ist. Das Herz funktioniert noch. Das heisst: Nach neuer Regelung werden dann Körper «ausgeweidet», bei denen das Herz noch funktioniert und die nach christlichem Glauben noch eine Seele haben. Vielen Befürwortern der Widerspruchslösunung ist das wohl nicht klar.
Das ist ein völlig inakzeptabler Übergriff des Staates auf den menschlichen Körper und deshalb abzulehnen.
Macht das Beispiel Schule, dürfte es bald andere Übergriffe des Staates auf den menschlichen Körper geben.
Niemand kann nachkontrollieren, ob die Organe gegen den Willen der verstorbenen Person entnommen wurden. Organspende braucht die ausdrückliche Zusage jeder Person. Ich bin entsetzt, dass der Gesamtbundesrat für eine allgemeine Pflicht zur Organspende ist. Das ist Diebstahl, ohne den ausdrücklichen Willen der sterbenden Person.
Ich glaube, in D und Ö ist es leider längst so, dass ohne eine Patientenverfügung (Widerspruch) Organe entnommen werden können.
Grundrechte werden einfach zu verhandelbaren Rechtsgütern erklärt, die scheinbar ständig abgewogen werden müssten. Tausche Äpfel gegen Tomaten. Mittlerweile hat sich dieses Mißverständnis tief in die Köpfe gefressen und wird für bare Münze genommen. Jeder Politiker darf sich hier reichlich bedienen und nach Belieben Einschränkungen fordern; es gilt ja immer einen scheinbar größeren Wert zu bewahren; und das ließe sich nur durch Opfer an Grundrechten bewerkstelligen.
Fr. Haller hat eine klare kompromißlose Haltung, wie es sich für eine Verteidigung von Grundrechten gehört. Solche Stimmen hört man viel zu selten.
Leider befassen sich die Menschen nicht rechtzeitig mit dem Sichersten, dem Tod. Der Tod ist bei uns unsichtbar, verdrängt. Schade, ich bin der Ansicht, wer sich mit seinem Tod auseinandergesetzt und alles geregelt hat, der lebt freier, das «ich sollte» ist Vergangenheit. Wir können über Militärflugzeuge, Atomkraftwerke und weiss ich was abstimmen, aber es ist zu viel verlangt ein paar Sekunden aufzuwenden um sich dagegen zu entscheiden – man kann sich ja immer noch später dazu Gedanken machen, oder auch nicht. Ich kenne einige jungen Menschen, welche dank einer Transplantation ein gutes Leben haben. Vielleicht sollten alle Nein-Sager und Unentschiedenen einmal mit einem Transplantierten sprechen und sich fragen, ob sie immer noch dagegen wären, wenn es um einen Familienangehörigen oder sich selber geht.
Habe während meiner Arbeit auf der Intensivstation einige Patienten zur Organentmahme in den OP begleitet.Dass der Staat und die Profiteure der Organentnahmelobby sich anstatt auf Aufklärung zu setzen, diese Bubentrickli anwenden um zu mehr Organen zu kommen, macht mich nachdenklich! Aushebeln der Grundrechte und dass für dumm verkaufen mündiger Bürger wird auf der politischen Bühne offenbar von den vorallem bürgerlichen Parteien goutiert und gefördert! Nein, es sind keine Toten denen man die Organe entnimmt, die Patienten haben ein schlagendes Herz und einen Kreislauf.Leider haben dass viele Mitwähler bis heute nicht verstanden.Wer sich im vollen Wissen um die Dinge aktiv für eine Organentnahme entscheidet,ohne Druck von Aussen oder die Lösung aus der staatlichen Trickkiste, der weiss auch warum er sich für diese Lösung entschieden hat.Auch hier gilt was bei anderen Entscheidungen dass Mass der Dinge ist, des Menschen Wille ist sein Himmelreich!
Logischerweise haben die Organspender einen Kreislauf, der Körper muss ja «frisch» bleiben. Dass das Herz noch schlägt dürfte kaum der Fall sein. Falls es stimmen sollte, was Sie schreiben, müssten Sie eine Strafklage einreichen.