Wie sich eine Lüge trotz Dementi rasant verbreitet
Die Falschmeldung: Am Tag nach der Wahl Donald Trumps gingen Demonstranten in Austin nicht etwa spontan auf die Strasse, sondern waren bezahlt und wurden mit Bussen ins Zentrum der Hauptstadt von Texas gefahren.
Diese Meldung wurde auf Twitter 16’000 mal und auf Facebook 350’000 mal geteilt und weiter verbreitet. Zwei Tage später nahm auch der neugewählte Trump die Meldung auf und meldete auf Twitter: «Ich habe gerade eine erfolgreiche Wahl hinter mir. Jetzt protestieren professionelle, von Medien angefeuerte Leute. Sehr unfair!»
Am Anfang stand keine Absicht
Anders als bei den Studenten in Mazedonien, die bewusst erfundene Falschmeldungen ins Netz stellten, um damit Geld zu verdienen (Infosperber vom 7.11.2016: «Falsche Trump-Propaganda als Geschäftsmodell»), begann diesmal alles mit einer kleinen, unbeabsichtigten Nachlässigkeit. Die «New York Times» hat den Fall bis ins Detail recherchiert.
Am Morgen des 9. Novembers sah der 35-jährige Eric Tucker, Mitbegründer einer Marketingfirma, ein paar Busse hintereinander vorbeifahren. Das schien ihm ungewöhnlich, weshalb er sie fotografierte. Als er am Abend vernahm, dass im Zentrum von Austin eine Anti-Trump-Demo stattfand, kam bei ihm der Verdacht auf, die Trump-Gegner könnten organisiert mit Bussen in die Stadt gekommen sein. Zur «Sicherheit» schaute er im Google noch nach, ob an diesem Tag in Austin irgendeine Konferenz stattfand, fand aber keine. So kam der erste Tweet mit dem Bild der Busse am 9. November um 20.00 Uhr ins Netz: «Anti-Trump-Protestierer in Austin sind nicht so spontan wie es scheint. Hier die Busse, mit denen sie in die Stadt kamen.» Als Tucker den Tweet verbreitete, hatte er lediglich 40 Follower.
Eric Tuckers Bild auf Twittter
Was Tucker nicht wusste: Die Busse hatte die Firma «Tableau Software» gemietet, die in Austin eine Konferenz mit 13’000 Personen durchführte.
«Als Geschäftsmann habe ich nicht immer Zeit, alles genau abzuklären, was ich twittere, erklärte Tucker der NYT. «Meine Twitter lesen ja nur wenige.»
Doch am nächsten Tag, dem 12. November um 12.49 Uhr, verbreitete die «Reddit Community» von Donald Trump aufgrund von Tuckers Twitter: «BREAKING: They found the buses! Dozens lined up just blocks away from the Austin protest.» In kurzer Zeit kam es zu über 300 wütenden Kommentaren. Einige orteten den Milliardär George Soros als verdeckten Finanzierer der Proteste.
Am Morgen des 10. Novembers um 9 Uhr verlinkte das konservative Diskussionsforum «Free Republic» Tuckers Twitter-Meldung. Später kamen Facebook-Seiten wie «Robertson Family Value» hinzu. Darauf verlinkten 300’000 Facebook-User auf «Free Republic».
Dementis im Winde verweht
Am Nachmittag des gleichen Tages erfuhr der Manager der betroffenen Bus-Gesellschaft die Gerüchte über seine Busse und dementierte sie sofort. Gegenüber «Fox TV» erklärte er ausdrücklich, dass seine Busse mit den Demonstrationen gegen Trump überhaupt nie etwas zu tun gehabt hätten.
Auf Anfrage von Medien räumte auch Eric Tucker ein, er habe die Protestierenden weder aus den Bussen einsteigen noch aus den Bussen aussteigen gesehen.
Doch sein Twitter verbreitete sich unbesehen weiter.
Am Abend des 10. Novembers um 18.00 Uhr verbreitete der konservative Blog «Gateway Pundit» aufgrund des Tucker-Tweets und des Tucker-Fotos eine Story, die auch George Soros erwähnte. Sie wurde auf Facebook in kurzer Zeit 44’000 Male geteilt. Andere spannen die Story weiter und nannten Tucker einen «Augenzeugen».
Nach 21.00 Uhr landete die unwahre Geschichte bei Donald Trump, der twitterte oder in seinem Namen twittern liess: «Just had a very successful presidential election. Now professional protesters, incited by the media, are protesting. Very unfair!»
Am nächsten Tag erklärte die Sprecherin der Firma «Tableau Software», Doreen Jarman, in einer lokalen Fernsehstation, dass die Busse Teilnehmende an ihre Konferenz befördert haben. Um 14.00 Uhr gab Tucker per Twitter bekannt, dass er «wahrscheinlich völlig falsch» lag. Auch die Webseite «Snopes», die den Wahrheitsgehalt von Gerüchten prüft», dementierte den Zusammenhang der Busse mit den Protestierenden.
«Keines dieser Dementis scheint eine grosse Wirkung gehabt zu haben», stellt die NYT fest. Der ursprüngliche Tweet von Tucker wurde noch Tausende Male weiter geteilt und über die Seiten von «Free Republican» und «Right Wing News» und «Joe the Plumber» auf Facebook vieltausendmal verbreitet.
Nach Mitternacht löschte Eric Tucker seinen ursprünglichen Tweet und verbreitete dann ein Bild des Tweets mit einem grossen Stempel «FALSCH». Das Echo blieb mässig.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
Durchaus interessanter Beitrag, nur; – noch sind (teil)falschMeldungen der Leitmedien die real im grossen Umfang gefährliche Folgen haben können. Jugoslawien, Irak, Lybien, … bei all diesen Kriegen haben Leitmedien wie auch die NYT ihre Kernaufgabe «die Macht kritisch zu begleiten/hinterfragen» versagt.
"Es sind die realen News, die überprüft werden müssen."
Gerade im US-Wahlkampf zählte die NYT zu den rund 95% aller Medien, die sich von beginn weg, komme was wolle, auf die Seite von H.Clinton gestellt haben.
Wodurch sie mitgeholfen haben einen B.Sanders zu ignorien/ausbremsen. Einem J.Bush wohl jegliche Chance geraubt haben, indem sie sich bei den Rep. einzig auf «Fehltritte» Trumps fokussiert hatten. Wohl reine Schutzbehauptungen wie «DNC/Podesta-Mails» seinen von RUS gehackt worden, breiten Raum boten. …usw
Kurz; bei ausgewogener Berichterstattung der Leitmedien hätte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bei den Dem. der Kandidat B.Sanders geheißen. Und bei den Rep. Bush oder trotzdem Trump. Daher bleibt stark zu bezweifeln, ob viral gegangene «fake-news» besonders großen Einfluss hatten.
Das Vermischen von Tatsachen & Meinungen ist nichts Neues oder Überraschendes. «Sozial Medien» sind der Humus, auf dem Gerüchte schnell wachsen. Die einen Gerüchte verdorren mangels Zuneigung schnell, die andern wachsen leider dank Facebook Dünger und Twitter Wasser schnell zu grossen falschen Tatsachen oder «Lügen» heran. Als Lügen gehen sie nur durch, wenn sie bewusst konstruiert und vorsätzlich verbreitet werden und einen bestimmten Zweck erfüllen.
Egal, recherchierfaule Journalisten fallen regelmässig auf diese falschen Tatsachen rein. Leser werden verunsichert und lesen deshalb weniger kostenpflichtige Zeitungen der «Lügenpresse», weil sie sich keinen Scheiss auftischen lassen wollen. In Gratiszeitungen oder sogenannt «soziale Medien» spielt das aber keine so grosse Rolle, dort wird eh viel «sozialer» Stuss verbreitet.
Wenn ich im Internet lese, weiß ich, dass dort Gerüchte verbreitet werden, und richte mich darauf ein. Die Leute tun auch gar nicht so, als hätten sie alles gründlich überprüft und nüchtern-unparteilich abgewogen. Das unterscheidet sie so angenehm von den Profi-Journalisten.