Sperberauge

Universität Wien verhängt Professor einen Maulkorb zu Corona

Urs P. Gasche © Peter Mosimann

Urs P. Gasche /  Professor Sönnichsen vom Zentrum für Public Health darf über Corona beruflich «nur noch die Meinung der Universität» vertreten.

Der deutsche Professor Andreas Sönnichsen war bis Januar 2021 Vorsitzender des Deutsches Netzwerks Evidenzbasierte Medizin (EbM-Netzwerk). An der Medizinischen Universität Wien lehrt er am Zentrum für Public Health.

Sönnichsen gehört zu jenen Experten, welche die Massnahmen gegen die Verbreitung des Corona-Virus für zu rigide halten. Im Oktober 2020 erklärte er:

«Die Gefährlichkeit von COVID-19 wird aufgrund der Todesopfer, welche die Erkrankung in bestimmten Ländern gefordert hat, massiv überschätzt. Die Todesraten sind auf Lebensumstände, auf Zustand und Ausrichtung des Gesundheitssystems sowie auf die unterschiedliche Zählweise bei Statistiken zurückzuführen. Die Folge waren unverhältnismässige Präventions-Massnahmen, die mehr psychischen, wirtschaftlichen und gesundheitlichen Schaden verursachen als Nutzen. Im Frühjahr 2020 war es ein deklariertes Ziel der Politik, unser Gesundheitssystems vor einer Überlastung zu schützen. Diese Überlastung ist aber nie eingetreten. Die maximale Belegung der Spitalskapazität lag [in Österreich] bei 5 Prozent, diejenige der Intensivbetten bei 26 Prozent. Die vorhergesagten zehntausende Todesfälle sind nie eingetreten.» 

Mit der Heftigkeit einer zweiten Welle hat Sönnichsen Anfang Oktober wie einige andere Experten offensichtlich nicht gerechnet. Heute aber darf Sönnichsen als Professor nicht einmal mehr Statistiken zur Sterblichkeit kommentieren. Mit dieser Begründung erteilte er einer Anfrage von Medien eine Absage.

Tatsächlich hat die Universität Wien dem Professor mit einer Weisung verboten, bei Äusserungen über Corona die «Medizinische Fakultät Universität Wien» zu erwähnen. Er müsse seine Aussagen als «Privatmeinung» deklarieren. Sönnichsen bezeichnet dies als «absurd», weil er nicht als Privatperson auftrete, sondern wissenschaftlich begründete Aussagen mache.

Unter anderem auf Twitter verbreitete die medizinische Fakultät der Universität Wien:

«Andreas Sönnichsen vom Zentrum für Public Health vertritt zum Thema ‹Corona-Infektion› persönliche Ansichten und tätigt Aussagen, von denen sich die Medizinische Universität Wien bereits mehrfach ausdrücklich distanziert hat und sich auch weiterhin distanziert.»

In Deutschland heftig diskutiert wurde eine Kritik der Pandemie-Massnahmen, die der Verband «Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin» EbM veröffentlichte.

Darauf platzierte eine Vereinigung von Gegnern der Corona-Massnahmen, die sich Ausserparlamentarischer Corona-Untersuchungsausschuss Austria (ACU) nennt, in österreichischen Tageszeitungen wie dem «Kurier» und «Österreich» einen offenen Brief.

Sönnichsen wurde beschuldigt, zum Inhalt dieses offenen Briefes des ACU beigetragen zu haben. Doch Sönnichsen distanzierte sich:

«Der als Anzeige publizierte Text des ACU-Austria wurde von mir in der vorliegenden Form weder verfasst noch freigegeben. Ich erachte ihn als plakativ und wissenschaftlich nicht fundiert. Eine wissenschaftsbasierte Debatte über die Public Health Massnahmen – die Wirksamkeit von Alltagsmasken und PCR-Tests als Massentest bei asymptomatischen Personen oder die Unsicherheiten zur Wirksamkeit und Sicherheit der vorliegenden Impfungen – muss möglich sein und ist geboten. Die Anzeige von ACU-Austria schadet den Interessen eines wissenschaftsbasierten gesellschaftlichen Diskurses.»

Aus dem Vorstand des EbM-Netzwerks trat Sönnichsen darauf im Januar 2021 zurück, «um weiteren Schaden vom EbM-Netzwerk abzuwenden».

In Wien hat ihm die Universität jetzt einen Maulkorb verpasst.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine.

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5 Meinungen

  • am 12.02.2021 um 11:31 Uhr
    Permalink

    Es gibt nichts Unwissenschaftlicheres, als Denkverbote und Meinungszensur. Mir scheint, die Politik sei, ähnlich wie beim Klimanotstand, glücklich darüber, Symbol- und Angstpolitik betreiben zu können. Aktionismus verdrängt Pragmatismus, wer nicht der verordneten Meinung folgt, wird als Corona- oder Klimalügner gebrandmarkt und marginalisiert. Der Unterschied zwischen Klima- und Coronapolitik besteht darin, dass bezüglich Corona jetzt gehandelt, organisiert, funktioniert und geleistet werden muss. In der weitaus bequemeren Klimapolitik reicht es, Prognosen zu dogmatisieren und Massnahmen für die Zukunft festzulegen. Ob die funktionieren können oder werden, wird sich zeigen, nachdem das politische Mandat abgelaufen ist. In der weit weniger komfortablen Coronapolitik muss gehandelt werden und die Auswirkungen, Indiziertheit und Richtigkeit der getroffenen Entscheide zeigt sich innert Wochen oder Monaten. Und was stellt man fest? Politversagen so ziemlich auf der ganzen Linie! Keine Pandemievorsorge trotz Pandemieplan, Sommerferien und -schlaf statt Vorsorge hinsichtlich der zweiten Welle, mit der Giesskanne Steuergelder an Zombiefirmen verteilt, Konzeptlosigkeit und Ratlosigkeit. Eine Schande.

  • am 12.02.2021 um 17:59 Uhr
    Permalink

    Es ist ein Armutszeugnis, wenn man Vertretern einer anderen Meinung ein Redeverbot erteilt (oder auch nur erteilen will). Wer so handelt, dokumentiert vor allem, dass er seinen eigenen Argumenten nicht traut. Leider ist das kein Einzelfall, siehe auch Rauswurf von Christoph Lütge aus dem Bayrischen Ethikrat.

  • am 12.02.2021 um 19:19 Uhr
    Permalink

    Business as usual

    Wissenschaftsbasierte Debatte über die Public Health Massnahmen ist unmöglich.
    … die Stimmen werden seit Februar 2020 nicht gehört. Ja sogar konsequent diffarmiert.

  • am 13.02.2021 um 09:02 Uhr
    Permalink

    Ich bin derselben Meinung wie Gamspichler, Heierli und Marchand. Da gibt es nur wenig hinzuzufügen danke.

  • am 13.02.2021 um 11:49 Uhr
    Permalink

    Ich meine, feststellen zu können

    1. Meinungs-Freiheiten gehören weiträumigst der Vergangenheit an

    2. Demokratien werden immer diktatorischer

    3. Professoren sind nun mal Beamte und haben ihrem «Dienst-Herrn»
    zu gehorchen

    4. Regierungen haben seit «Ur»zeiten (beispielsweise schon im «alten Ägypten»)
    Abteilungen, die zweckgerichtete Lügen-Propaganda
    entwickeln und verbreiten

    5. Wer die MissStände von Regierungs-Handlungen öffentlich macht,
    dem wird oft übel mitgespielt:
    Rede-Verbot und Üble Nachrede sind dabei noch milde Reaktionen.

    6. «Im Zusammenhang mit Corona» lässt sich Position 1 – 5
    bestens nach-vollziehen.

    Alles Gute – und freundliche Grüsse !
    Wolfgang Gerlach, Ingenieur

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