Tesla Unfall

Besonders Pech hatte dieser Tesla-Fahrer mit seinem Autopiloten in Kalifornien: Er rammte ein Polizeiauto. © Laguna Beach Police Department

Tesla will verhindern, dass Autokäufer und Angestellte klagen

Pascal Derungs /  Das Kleingedruckte in Kauf- und Arbeitsverträgen schliesst Gerichte aus und schreibt ein von Tesla bezahltes Schiedsverfahren vor.

Streitigkeiten zwischen Käufer und Tesla «werden nicht von einem Richter oder einem Geschworenengericht entschieden, sondern von einem einzelnen Schiedsrichter», so lautet eine Passage im Kleingedruckten des Tesla-Kaufvertrags in den USA. Darauf beruft sich der Elektroauto-Pionier aktuell, um eine hängige Sammelklage vor einem ordentlichen Gericht in Kalifornien abzuwenden und die Kläger einzeln an das Schiedsgericht zu verweisen. 

Teslas Chancen stehen gut, denn das oberste Gericht, der Supreme Court, erlaubt den Unternehmen solche Schiedsregelungen in den meisten Fällen. Wie die New York Times am 20. Dezember 2022 berichtete, vermeidet Tesla damit, dass die Öffentlichkeit neue Details über sein Autopilot-System erfährt, das im Verdacht steht, für schwere Unfälle und Tote verantwortlich zu sein. Denn die Entscheidungen und Argumentationen dieser – von Tesla bezahlten – Schiedsrichter sind nicht öffentlich einsehbar und bleiben damit unter dem Deckel.

Immer mehr Unternehmen setzen auf private Schiedsrichter 

Teslas Schiedsgerichtsregelung im Kleingedruckten reiht sich ein in einen Trend, dem Unternehmen wie besonders Banken, Kabelfirmen und Kinderbetreuungsstätten seit langem folgen, berichtet die New York Times weiter. Im Autogewerbe trat dies bislang jedoch kaum in Erscheinung. Die etablierten Autoproduzenten verkaufen über Händler und haben daher kaum direkte vertragliche Beziehungen zu Käufern und Käuferinnen. Tesla hingegen verkauft über sein Online-Portal direkt an Kunden und kann dadurch seine Schiedsgerichtsstrategie auf breiter Front durchsetzen.

Schiedsgerichtsklauseln kappen die Macht der Konsumenten

Schiedsgerichte werden eingesetzt, um teure Prozesse vor überlasteten Gerichten zu vermeiden. Doch die Schiedsgerichtsbarkeit, in den USA «Arbitration» genannt, hat sich zu einem Instrument entwickelt, das die Unternehmen bevorteilt und die Klagemöglichkeiten der Konsumenten beschränkt. Rechtsprofessorin Cynthia Estlund von der New York University nennt Arbitration «ein schwarzes Loch», weil es den Firmen erlaubt, Beschwerden und Klagen «verschwinden zu lassen». Denn Schiedsrichter, oft pensionierte ehemalige Richter, verhandeln und entscheiden privat, nicht öffentlich wie ordentliche Gerichte. Zudem verhindern Schiedsklauseln, dass sich Kläger zusammentun, um mit einer Sammelklage die Kosten für Anwälte und Expertengutachten zu teilen. Jeder muss individuell vorgehen, auch wenn Hunderte andere denselben Schaden geltend machen.

«Meistens», schreibt die New York Times, «übersteigen die Kosten eines Schiedsverfahrens den möglichen Nutzen, was viele Beschwerdeführende von vorneherein entmutigt».


Produktemängel sollen geheim bleiben

«Schiedsgerichtsbarkeit verhindert, dass die Öffentlichkeit erfährt, bei welchen Fahrzeugmodellen Qualitätsprobleme bestehen», sagt Gretchen Freeman Cappio, eine Anwältin, die schon viele Klagen gegen Autobauer führte:  «Da fragt man sich schon, vor welchen Veröffentlichungen die Produzenten sich fürchten.» 

Teslakäufer könnten die Schiedsvereinbarung zwar innert 30 Tagen nach dem Autokauf per Brief an die Firma ablehnen und so ihr Recht auf ein ordentliches Gerichtsverfahren behalten, doch die wenigsten seien sich dessen bewusst oder entschieden sich dafür, weiss die Anwältin. 

Eine Anfrage von Infosperber bei der europäischen Pressestelle von Tesla, ob diese Schiedsklausel auch für Schweizer Kunden gelte, blieb unbeantwortet.

Schiedsverfahren ersparen den Firmen Geld

Die US-Organisation, welche im Auftrag von Tesla und auch von Tesla bezahlte Schiedsrichter aufbietet, verweist darauf, dass die Fälle dreimal schneller behandelt würden als Verfahren vor Bundesgerichten. 21 Klagen von Konsumenten seien seit 2017 verhandelt worden. Dabei seien 280’000 Dollar an Schadenersatz gutgeheissen worden. Doch um welche Schäden und Mängel es dabei ging, bleibt unter Verschluss. 

Im Vergleich dazu: Die Ford Motor Company musste 2019 im Rahmen einer Sammelklage 17 Millionen Schadenersatz zahlen wegen Mängeln am Entertainment-System. 

Diese Zahlen liessen sich nicht direkt vergleichen, schreibt die New York Times, doch es sei naheliegend, dass Tesla dank der Schiedsklausel eine Menge Geld für Schadenersatz einsparen könne.

Schiedsklauseln richten sich auch gegen Arbeitnehmerrechte

Die Schiedsgerichtsklausel findet sich auch in den Arbeitsverträgen von Tesla. Ein texanischer Bundesrichter hat gestützt darauf im Oktober eine Sammelklage von Tesla-Angestellten wegen missbräuchlicher Kündigung abgewiesen und die Kläger je einzeln an den vertraglichen Schiedsrichter verwiesen. Nur wenn es um sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz geht, soll die Schiedsklausel ungültig sein, entschied dieses Jahr der US-Kongress.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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4 Meinungen

  • am 4.01.2023 um 16:26 Uhr
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    Nun das sind die USA, aber was ist mit Europa und der Schweiz? Gibt es da auch diese Klausel? Hätte diese auch eine Wirkung bei uns? Hier fehlt in meinen Augen eine Bearbeitung des Artikels durch den Journalisten. Da steht etwas was uns fremd vorkommt, wie Vieles was heute in den USA abgeht, aber der Bezug zu uns als Konsumenten fehlt völlig. Darf man bitten, dass das korrigiert wird, sonst ist der Artikel für uns wertlos.

  • am 4.01.2023 um 17:07 Uhr
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    Ich befürchte, dass solche Rechtsverhaeltnisse durch Freihandelsabkommen mit den USA auch in Europa etabliert werden könnten, wenn man als EU-Bürger ein Produkt eines US-Konzerns kaufte. Leider aber waren die deutschen PKW-Hersteller ab 2015 genausowenig gewillt, eine Produkthaftung für ihre Diesel-PKW mit defeat device anzuerkennen.

    Noch krasser allerdings sind die EU-Vertraege mit den US-Impfstoffherstellern, die Letztere von jeglicher Haftung freistellen, da kommt nicht einmal mehr ein Schiedsgericht ins Spiel.

    Der Kampf um die Verbraucherrechte faengt gerade erst richtig an …

    • am 5.01.2023 um 13:04 Uhr
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      Liebe Dagmar Brandt, ich habe den Beitrag in erster Linie als Schweizer geschrieben. Was ist D abgeht ist für uns relativ unwichtig, wenn auch zum Teil skandalös (VW Konzern). Natürlich ist dem Einhalt zu bieten, aber tut die EU und wie steht es um die Schweiz, das war vor allem mein Beitrag und meine Kritik am Artikel.

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