Sperberauge
Russland heisst uns willkommen
Es geschehen Zeichen und Wunder. Für einmal war David Nauer, Russlandkorrespondent von Radio SRF, bereit, im «Echo der Zeit» Positives zu vermelden: Ab 2021 soll die Einreise nach Russland für Touristen deutlich einfacher werden, wenn auch noch nicht ganz ohne Visum.
Was das «Echo» allerdings über die jetzigen Einreisebestimmungen sagte, war ziemlich weltfremd und deutlich negativer, als es in der Realität ist. Da wurde von «einiges an Bürokratie» gesprochen, es sei «kompliziert und zeitaufwendig» und es brauche eine «Vielzahl von Dokumenten».
Wer in den letzten Jahren in Russland war, hat hingegen etwas Anderes erlebt: Er geht zu einem Reisebüro, das für die Ausstellung von Visa für Russland spezialisiert ist, und schon braucht es keine Einladung aus Russland, wie im «Echo» behauptet wurde. Einziger kleiner Zusatzaufwand: Man muss von der Krankenkasse eine Bestätigung haben, dass sie zahlt, wenn der Reisende in Russland krank werden oder verunfallen sollte. So eine Bescheinigung ist bei der Krankenkasse per Email zu erhalten. Nix von einer «Einladung aus Moskau», nix von einer «Vielzahl von Dokumenten», nix von «Bürokratie». Dass man allerdings dem Reisebüro für die Besorgung des Visums etwas zahlen muss, ist selbstverständlich.
Nett im «Echo der Zeit» war immerhin, dass David Nauer die Schönheit vieler russischer Städte bestätigte und sogar die Freundlichkeit der Russen erwähnte, indirekt Reisen nach Russland also sogar empfahl. Beizufügen wäre, dass wegen des Wechselkurses Franken/Rubel das Reisen in Russland auch durchaus preiswert ist. Wer etwa am kommenden Wochenende nach Moskau fliegt, zahlt im neuen Hotel Novotel am Airport Scheremetjewo für ein Doppelzimmer gerade mal 82 Euros.
Die Vereinfachung der Visa-Vergabe sei, so David Nauer, für russische Verhältnisse geradezu «eine Revolution». Warum auf diese «Revolution» warten und nicht schon dieses Jahr hinfliegen?
Zur 5-Minuten-Sendung zu diesem Thema im «Echo der Zeit» hier anklicken.
Für Visa aus der Schweiz nach Russland spezialisiert sind zum Beispiel Sibiriak oder visarussland.ch
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Nachtrag vom 21. Februar um 15 Uhr von Christian Müller:
Ich habe dieses Sperberauges wegen bereits intern und extern ausgiebig Prügel erhalten. Das sei ein unverantwortlicher Werbespot. Die einen erinnern daran, dass Infosperber des Klimaproblems wegen etliche Beiträge gegen das touristische Fliegen gebracht und vom Fliegen abgeraten habe. Man solle wenn immer möglich die Eisenbahn benützen, statt zu fliegen. Oder auch das Fahrrrad. Für die anderen ist mein Sperberauge einfach zu billige Werbung für Russland.
Ich stecke die Kritik ein und streue Asche auf mein Haupt. Ich bleibe aber bei meiner Meinung, dass wir in der heutigen globalisierten Welt voller höchst gefährlicher Konflikte mehr Verständnis für andere Kulturen aufbringen sollten, um eben solche kriegerische Konflikte zu vermeiden. Ich war viele Male in den USA. Und was weiss man dort von der Welt? Man kann dort nicht einmal die Schweiz von Schweden unterscheiden, und 1999, als in Serbien bombardiert wurde, sahen sich die US-amerikanischen Reisebüros veranlasst, eine landesweite Informationskampagne über Europa zu lancieren, weil Tausende von US-Bürgern wegen der Bomben in Belgrad sogar ihre Reisen nach Frankreich oder Norwegen stornierten.
Reisen, nur um die Sonne und das Meer noch an einem dritten oder fünften Ort zu geniessen, ist heutzutage tatsächlich mehr als problematisch. Wer aber reist, um ein anderes Land, eine andere Kultur verstehen zu lernen, in den Iran zum Beispiel, oder eben auch nach Russland, das kann sehr wohl Sinn machen. Was wüsste ich zum Beispiel über die Krim und ihre Einwohner, wenn ich nicht selber dort gewesen wäre?
Christian Müller
Siehe zu dieser Thematik auch
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine.
Hallo Christian
So einfach ist es doch nicht wie Du schreibst, denn das spezialisierte Büro z. Bps. Bornpower (https://cibtvisas.ch/) übernimmt alle die Dokumente, die David Nauer erwähnt hat. Willst Du unabhängig von diesem Servicebüro zum russ. Visumsdienst eilen, so wird es das reinste Spiessrutenlaufen. Nicht zu sprechen von der 2maligen Reise nach Bern, denn der Visumsdienst der russ. Föderation verschickt keine Pässe.
In meinem Fall benötige ich ein Businessvisum, damit kann ich mehrmals pro Jahr und länger las die normalen 30 Tage in Russland sein. Max. 180 Tage/pro Jahr und 90 innerhalb von 180 Tagen.
Für ein solches Visum bezahle ich rund 400.-/Jahr. Dieses Visum entspricht dem Schengenvisum, für welches die Russen rund 30 € bezahlen.
Auch ich freue mich auf diese gemeldeten Reiseerleichterungen. Es sind aber nicht die Ersten, es wurde schon so viel versprochen, was nicht eingehalten wurde. Darum bleibe ich vorsichtig optimistisch für die Zukunft.
Zur Erinnerung: Schengen führt Visa-Erleichterungen für russische Bürger bereits 2020 ein. Vermutlich ist das die russische Reaktion auf die Ankündigungen von Schengen mit dem einzigen Unterschied, dass Schengen dies bis jetzt nicht an die grosse Glocke gehängt hat. Die Schweiz wird, sofern der Zeitpunkt eingehalten wird, Ende Februar ähnliche Erleichterungen einführen wie Schengen.
Anmerkung:
Allerdings muss gesagt werden, dass die Schweiz. Vertretung in Moskau strengere Visa-Kriterien als die EU-Staaten anwendet.
Zuerst dachte ich, der Titel sei ironisch gemeint.
Jetzt macht Christian Müller auch noch den Tourismus-Ratgeber. Mini Güeti, sagt mein Müeti!
Klar erreicht man Moskau und St.Petersburg bequem mit dem Zug und/oder stilvoll und erholsam von Stockholm über Helsinki mit der Fähre. So bekommt man auch gleich viel mit von der Landschaft. Und wenn wir schon Werbung machen: unser Reisebüro ist EOL (ex oriente lux) aus Berlin, das unkompliziert und preiswert geführte Zugreisen nach Osteuropa organsiert, samt interessanten Kontakten zu NGOs und andern Landesbewohnern, die von ihrem Alltag und der aktuellen politischen Situation erzählen. Wir können EOL nur empfehlen.
Anne-Käthi Zweidler, Twann
Ich kann Christian Müllers Ermutigung nur unterstützen, möchte sie allerdings ergänzen:
Wenn man seinen ganz bescheidenen Beitrag geben will zur Stärkung seines Immunsystems gegen Propaganda, sei es westliche oder russische, ermutige ich ebenso dazu, die Ukraine persönlich kennen zu lernen, wenn möglich in beiden Ländern nicht nur an den Touristen-Hotspots. Dazu ist nicht einmal ein Visum notwendig. Die Zugfahrt über Budapest ist spannend. Jeder von Grossmächten instrumentalisierte Konflikt ruft nach Menschen, die sich mit Menschen auf BEIDEN Seiten menschlich, nicht politisch, verbinden.
Lieber Herr Christian Müller
Nach St. Petersburg können Sie bereits seit letztem Jahr einfach mit einem kostenlosen Online-Visum einreisen.
Ich habe das selbst gemacht und es hat gut geklappt.
Für das Hochladen eines Passphotos habe ich ein paar Versuche benötigt.
https://electronic-visa.kdmid.ru/spb_home_en.html
Für Reisen mit dem Flugzeug geht es, mit dem Zug nicht.
Ergänzung: Flugzeug, Schiff, Auto oder zu Fuss geht, mit der Bahn nicht!
Starting from October 1, 2019, nationals of 53 foreign States may be granted an e-visa to enter the Russian Federation through air, naval, automobile, and pedestrian checkpoints located in the territory of Saint Petersburg and the Leningrad region.
Vielen Dank, Herr Müller, für diesen ur-vernünftigen und wertvollen Artikel. Wenn überhaupt gereist wird, wäre unser großer Nachbar im Osten, gegen den uns die edlen Halter «westlicher Werte» (also der Bodenschatzansprüche auf fremdem Terrain) ständig losschicken wollen und jetzt schon wieder ein Riesenmanöver an der russischen Grenze abfahren, für dessen Ressourcenverschwendung und Umweltbelastung die halbe Schweiz nach Russland reisen könnte, ein äußerst lohnendes Ziel. Auffällig und pathognomonisch übrigens, dass die «Flugscham"-Erfinder, CO2-Wegbläser und Freitags-Laumacher im grünen Lager keinen Pips gegen diesen umweltschädlichen Manöverunsinn von sich geben.
Die Metropolen Moskau und Petersburg würden nicht schon heute von Touristen geflutet, wenn es ein schwer lösbares Visumproblem gäbe. Dessen angebliches Vorhandensein ist vorgeschoben.
Russland steht als Ziel meiner Reise für dieses Jahr auf der Liste und ich bin neugierig, den hiesigen Medienschein und die russische Wirklichkeit vergleichen zu können. Ich bin sicher, dass es zu Überraschungen kommen wird, denn ich werde mich über Internet bei – von Vorbesuchern gut beurteilten – russischen Gastgebern unterbringen, um sie direkt zu befragen.
Dass das Russland-Visum «nix von Bürokratie» habe, entspricht nicht meiner Erfahrung. Ich habe nun schon einige Reisen nach Russland hinter mir, und der Fallen, dass ein Visum wegen eines Formfehlers zurückgewiesen wird, gibt es etliche, vor allem für denjenigen, der noch nie einen Visumantrag ausgefüllt hat. Ohne spezialisiertes Visumbüro hat man wohl kaum eine Chance, beim ersten Mal alles genau richtig zu machen.
Doch auch mit dem Visumbüro braucht es die «Einladung aus Moskau». Diese wird einem dann einfach vom Visumbüro selber ausgestellt, gegen einer Gebühr in der Grössenordnung von 80–100 Franken. (Man kann diese auch über ein Hotel besorgen, wenn man eines gebucht hat; kostet dann nach meiner Erfahrung etwa 30 Franken.)
Nach der Einreise in Russland muss man sich ausserdem innert 7 Tagen bei einer staatlichen Agentur melden. Als Hoteltourist merkt man das überhaupt nicht, weil dies in der Regel das Hotel für einen erledigt. Wer aber zum Beispiel mit dem Auto einreist, muss erst mal herausfinden, wo sich diese Agenturen überhaupt befinden. In meinem Fall war es ein Hinterzimmer eines unscheinbaren Reisebüros in Kaliningrad. Beim Zoll wird einem das nicht gesagt; man wird nicht einmal darauf aufmerksam gemacht, dass es diese Registrierung überhaupt braucht. Aber wehe, man vergisst sie. Die Ausreise dürfte dann zu einem bürokratischen Monster-Hürdenlauf werden, den ich mir gar nicht vorstellen möchte.