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Presserat: Keusch gegen Infosperber unentschieden

Red. /  Zu Recht hat Infosperber eine Meinung von Andreas Keusch gelöscht, doch seinen generellen Zugang zu Unrecht gesperrt.

Andreas Keusch, der sich selbst als «Patientenschützer» bezeichnet und in vielen Zeitungen und Online-Medien mit Leserbriefen seine Meinung verbreitet, hatte Infosperber-Redaktor Urs P. Gasche vorgeworfen, er würde im Gesundheitswesen «Schmier und Bestechungsgelder befürworten». Als Infosperber diesen Meinungseintrag löschte und nach einem Mail-Wechsel mit Keusch diesen von den Meinungsschreibenden auf Infosperber ausschloss, beschwerte sich dieser beim Schweizerischen Presserat. Infosperber würde «die öffentliche Meinungsbildung willkürlich manipulieren». Mit seiner «Zensur» wolle Gasche «möglicherweise Kritik an den herrschenden Missständen bei Medikamentenpreisen zum Schweigen bringen». So seine Argumentation.
In einem am 12. Januar veröffentlichten Entscheid stellt der Presserat fest, dass Keusch «die Belege für seine heftigen Angriffe schuldig bleibt». Deshalb wies der Presserat die Beschwerde in diesem Punkt ab: «Die Redaktion hat mit der Löschung eines Onlinekommentars, der unbelegte schwere Vorwürfe enthielt, die Erklärung [der Pflichten der Journalistinnen und Journalisten] nicht verletzt.»

Unverhältnismässig

Dagegen habe Infosperber die «Freiheit der Information» verletzt, weil die Internet-Zeitung Keusch von allen weiteren Meinungseinträgen ausschloss. Infosperber hätte sich auf ein «temporäres Time-out» beschränken können, meint der Presserat. Den Zugang zu den Meinungsspalten «generell zu verweigern», sei «unverhältnismässig», denn damit würde einer Person «ihr Recht auf freie Meinungsäusserung in einer grundsätzlichen und systematischen Art eingeschränkt». Deshalb habe die «vollständige Löschung» eines Leserkontos «gegen die Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verstossen.

Der Presserat räumt ein, dass die Online-Zeitung Infosperber aus finanziellen Gründen nicht in der Lage sei, Anwälte zu beschäftigen oder vor Gericht zu gehen. Bei Infosperber könne auch «jedermann oder jedefrau einen Beitrag posten. Eine Kontrolle durch die Redaktion erfolge erst nachträglich». Diese Praxis sei «kaum mit der Berufsethik vereinbar», so der Presserat. Er empfiehlt Infosperber, «diese Praxis im Lichte dieses Entscheids zu überdenken».
Mit andern Worten, Leserinnen und Leser von Infosperber sollen ihre Meinungsbeiträge vorerst der Redaktion unterbreiten, welche dann über eine Veröffentlichung entscheidet. In einem solchen Fall hätte Infosperber, meint der Presserat, «Keusch von Anfang an auffordern können, den Artikel umzuformulieren und die Vorwürfe gegen Gasche zu belegen».
Ausschluss eines Drittels aller Meinungsbeiträge
Tatsächlich stellen grössere Internet-Zeitungen wie «20Minuten» oder «Watson» rund einen Drittel aller eingehenden Meinungen schon gar nicht online. Für die Vorselektion haben diese Zeitungen extra Personal angestellt. Diese Redaktionsmitglieder kürzen, nehmen Textanpassungen vor oder versenken die Meinungsbeiträge im Papierkorb, ohne die Schreibenden zu fragen. Nur in seltenen Ausnahmefällen wird korrespondiert.
Die NZZ online hat die Meinungsspalten unter den Artikeln ganz abgeschafft.
Gedruckte Zeitungen veröffentlichten wegen des beschränkten Platzes schon immer nur einen Teil aller eingehenden Leserbriefe. Über deren Ablehnung wird keine Korrespondenz geführt.

Kein Recht auf Veröffentlichung von Meinungsbeiträgen
Infosperber hatte vor dem Presserat geltend gemacht, dass die Meinungs- und Informationsfreiheit «keinen rechtlichen Anspruch für Leserinnen und Leser beinhaltet, ihre Meinungen in irgendeiner Zeitung veröffentlichen zu können». Darauf geht der Presserat in seiner Stellungnahme nicht ein.
Auf Rückfrage bestätigt Presserat-Geschäftsführerin Ursina Wey, dass es keinen Anspruch auf Veröffentlichung von Lesermeinungen gibt. Redaktionen hätten die Freiheit, Leserbriefe nicht zu veröffentlichen. Wer sich gegen eine Nicht-Veröffentlichung von Leserbriefen beim Presserat beschwert, habe keine Chance. Da gehe die «Freiheit der Redaktion» vor.
In einer Stellungnahme aus dem Jahr 2016 stellte der Presserat fest, dass seine Richtlinien «allenfalls» verletzt würden, wenn ein Leser systematisch, über lange Zeit und aus journalistisch nicht zu rechtfertigenden Gründen gesperrt würde. Der Presserat hat indessen noch nie eine Zeitung gerügt, weil sie Leserbriefe eines bestimmten Schreibenden nicht veröffentlichte.
Im konkreten Fall hätte Infosperber – bei einer Vorkontrolle der eingehenden Meinungen – sämtliche Leserbriefe von Andreas Keusch in den Papierkorb legen können. «Dagegen hätte der Presserat nichts eingewendet», meint Wey. Die Sperrung eines Kontos dagegen – als Voraussetzung zum direkten Online-Platzieren von Leserbriefen – sei zu weit gegangen.
Der Presserat übersieht allerdings, dass die Methode des Kontolöschens zum gleichen Resultat führt wie die Methode Papierkorb bei einer – vom Presserat empfohlenen – Vorselektion.

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Die Redaktion Infosperber kann aus finanziellen Gründen niemanden anstellen, der die täglich eingehenden Meinungsbeiträge kontrolliert und aussondert. Die Stiftung SSUI, welche Infosperber mit Spenden finanziert, wird deshalb darüber befinden müssen, ob angesichts dieses Entscheids des Presserats die Meinungsspalten auf Infosperber abzuschaffen sind.
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  • Zum vollständigen Entscheid des Presserats (in nicht anonymisierter Form; der Presserat hat den Namen von Keusch anonymisiert).

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  • Bestehende Regeln zum Verbreiten von Meinungen auf Infosperber.

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Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Infosperber war in diesem Verfahren vor dem Presserat angeklagte Partei.

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8 Meinungen

  • am 12.01.2018 um 13:14 Uhr
    Permalink

    Ich finde das Infosperber-System (Anmeldung mit richtigem Namen, sofortige Publikation) vorbildlich. Es ist schade, dass der Presserat hier so strikt ist. Die Kommentare sind meistens eine wertvolle Ergänzung zu den Artikeln. Die Abschaltung wäre sehr schade und würde das Wesen des Infosperbers hart treffen.

  • am 12.01.2018 um 14:19 Uhr
    Permalink

    Liebe Redaktion,
    Bitte behaltet die Meinungsfunktion bei.
    Die allermeisten Artikel auf Infosperber sind ein Mix von Sachverhalten und der eigenen Meinung des Autors. Könnten die Leser darauf nicht mehr mit einer Duplik oder Replik reagieren, verlöre die Plattform den wichtigen(sten) Zweck: den Diskurs. Infosperber als Megaphon für Journalisten im Unruhestand. Auch diese sehr geschätzten und gescheiten compatriotes können vom Blick in den Spiegel des Lesers profitieren; so hoffe ich.

  • am 12.01.2018 um 14:22 Uhr
    Permalink

    PS: Der unvollständige Satz lautet:
    Infosperber als Megaphon für Journalisten im Unruhestand wäre dann einfach mehr vom Gleichen (anderen outlets).

  • am 12.01.2018 um 15:09 Uhr
    Permalink

    Das Problem der Hassmails und Fakenews liegt zu einem Teil in der Anonymität der Schreibenden begründet. Infosperber setzt hier einen Kontrapunkt und liegt damit – so meine ich – ganz in der Richtung vom «Facebook-Gesetz», allerdings viel einfacher in der Durchführung. Dieses Infosperber-Model sollte weiterhin gefördert werden.

  • am 13.01.2018 um 09:49 Uhr
    Permalink

    Wenn die Diskursspalte nicht mehr zu Infosperber gehört, interssiert mich der sonstige Inhalt etwa um 50% weniger. Tatsächlich ging ich vorallem dann auf nfosperber, wenn eine neue Meinung in der Kommentarspalte angekündigt werden konnte.

  • am 13.01.2018 um 10:18 Uhr
    Permalink

    Bitte Meinungen weiterhin drin lassen.
    Presserat sollte befriedigt werden können, indem bestimmte Autoren in einen «Ordner» umgeleitet werden zur Prüfung. Dann – wie Spam – rassig manuell durchgesiebt, das sollte wohl nicht so viel Arbeit sein. Der Presserat empfiehlt ja die Verzögerung selbst. (Habe zurzeit einen Freund der bei Swisscom immer im Spam landet und suche deshalb Spam täglich durch. Er ist auf hispeed.)

  • am 15.01.2018 um 17:31 Uhr
    Permalink

    Zensur heisst jetzt «Freiheit der Redaktion». Originalzitat Presserat.

  • am 28.02.2018 um 12:36 Uhr
    Permalink

    Ich würde eine Rückkehr zum alten System (direkte Aufschaltung, natürlich mit registriertem korrektem Namen) bevorzugen.

    Das ist immer noch viel besser als in allen anderen Medien und trägt zu einem freien Diskurs und zum Selberdenken bei. (Wie viele Leute haben sich wohl das Selbstdenken schon abgewöhnt, da dies ja die Redaktionen von SRF, NZZ etc. – die ja darin eh viel kompetenter sind – für die Leser erledigen?!)

    Freundliche Grüsse

    PS: Ich schreibe kaum mehr Leserbriefe an andere Medien, da ich davon ausgehen muss, dass unliebsame und zu kontroverse Beiträge (u. U. auch aus rechtlichem Eigenschutz) prinzipiell nicht abgedruckt/veröffentlicht werden. Das ist äusserst schade.

    PPS: Man sollte die Kommentatoren vermehrt darauf hinweisen, dass man sich lieber einmal zu oft zurückhalten soll, wenn man nichts Sinnvolles beizusteuern hat. Weniger ist oft mehr.

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