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Beppe Grillo an einer Wahlveranstaltung des M5S © lineapress

«Mit Beppe Grillo wird weiter zu rechnen sein»

Red. /  Von einer Basisbewegung sei «Cinque Stelle» zu einer Einmann-Partei mit Machtgelüsten geworden, erklärt Professor Paolo Becchi.

upg. Welche Rolle spielt das Movimento Cinque Stelle (M5S) bei kommenden nationalen Wahlen in Italien? Wofür steht die Bewegung heute? Paolo Becchi, Professor für Rechts- und Staatsphilosophie an den Universitäten Luzern und Genua, verfolgt das M5S seit Beginn. Er hat Beiträge verfasst für die Blogs von Beppe Grillo und Gianroberto Casaleggio, den beiden führenden Köpfen der Cinque Stelle Bewegung. Das M5S habe seine ursprünglichen Ideale verraten, sagt Becchi heute. Die enttäuschenden Wahlen vom 6. Juni hätten gezeigt, dass das M5S an Glaubwürdigkeit verliere. Trotzdem sei das traditionelle Parteiengefüge keine Alternative. Der Luzerner Kulturwissenschaftler und Historiker Felix Kaufmann hat mit ihm gesprochen.
Kaufmann: Mauerfall, Globalisierung und Finanzkrise haben die traditionellen Parteien nicht nur in Italien unter Druck gesetzt. Nördlich der Alpen kamen eher nationalkonservative Strömungen auf, die sich vom Euro und von der EU lösen wollen und als gemeinsames Merkmal oft Themen wie Überfremdung oder Islamisierung bewirtschaften. Im Süden Europas hingegen finden wir mehr Bewegungen, die ihr grundsätzliches Misstrauen in das Politestablishment zum Ausdruck bringen, mit Parolen wie «tutti a casa» zum Beispiel. Wo steht das M5S?
Paolo Becchi: Man könnte das M5S wohl am ehesten mit der allerdings in kurzer Zeit gescheiterten Piratenpartei vergleichen. Das gemeinsame Merkmal war das Internet, das Netz. Das M5S fing mit einem Blog von Beppe Grillo an. Grillo ist einer der bekanntesten Blogger der Welt! Der Blog wurde als eine Art Gegeninformation zu den etablierten Medien gesehen. Von Anfang war dieser Blog aber auch ein Sprachrohr von Gianroberto Casaleggio. Er war eindeutig der Kopf der Bewegung, ist aber leider letztes Jahr gestorben.
Wie konnte etwas, das im Internet geboren wurde, zur grössten oppositionellen Kraft in Italien werden? Das haben die Piraten in Deutschland und Schweden nie geschafft. Grillo und Casaleggio stellten den Unmut gegen die politische und wirtschaftlich verflochtene Kaste in den Vordergrund, also den Unmut gegen Korruption, Bürokratie, Filz und die überrissenen Gehälter der gewählten Politiker. Das unterscheidet das M5S von den Piratenparteien, die sich primär um den freien Zugang zum Netz kümmerten.
Democrazia senza partiti
Der Schlüssel zum Erfolg war, dass auf dem Netz alle eine Stimme haben, nicht wie in der repräsentativen Demokratie, sondern im direkt-demokratischen Sinne. Wir brauchen mehr direkte Demokratie. Dies war einer der wichtigsten Punkte der Bewegung: die totale Transparenz über alle Themen, alle Meinungen, alle Abstimmungen, mit Streaming von Debatten im Internet. Dies brachte der Bewegung den enorm grossen Zulauf. Es formierte sich eine Bewegung, die nicht auf Ideologien oder Parteiprogrammen basierte, sondern mehr im Sinne von Stéphane Hessels Indignez-vous! oder Empört euch! entstand, als eigentliche Protestbewegung.
Am Anfang war es auch klar, dass man keine Partei sein wollte. Das war ganz im Sinne von Casaleggio, der sich in seinem Denken auf die Ideen von Adriano Olivetti berief. Dessen einflussreiches Buch von 1949 hiess «Democrazia senza partiti» (Demokratie ohne Parteien). Man kann dieses schmale Büchlein als die theoretische Wurzel des M5S bezeichnen.
Es war anfänglich schlicht unerwünscht, dass Aktivisten des M5S in den mehrheitlich von Berlusconi kontrollierten Medien, auch in der staatliche RAI, auftraten. Das Internet sollte die Stimme der Bewegung sein.
Die Tsunami-Tour
Eine Wende in der Entwicklung erfuhr das M5S mit Beppe Grillos Tsunami-Tour vor den Wahlen von 2013; einer einmonatigen Tour, die durch grosse und kleine Städte ganz Italiens führte. Mit dieser Tour gelang es, die Bewegung, die bisher ja nur im Netz existierte, auf die Strasse zu bringen. An der Abschlussveranstaltung in Rom versammelte sich rund eine Million Menschen auf der Piazza San Giovanni; ich war auch dabei und spürte, dass hier etwas Neues im Entstehen ist. Die ganze Tour brachte über zwei Millionen Italiener und Italienerinnen auf die Strasse. Sie wurde von Casaleggio inszeniert und organisiert, nur war er nicht der Mann für öffentliche Auftritte; er war eher scheu und wirkte darum im Hintergrund.
So wurde Beppe Grillo das populäre Gesicht dieser Tour. Grillo war während eines Monats mit seinem Wohnmobil unterwegs und trat jeden Tag zwei oder drei Mal an Kundgebungen auf. Aber dies waren nicht einfach übliche Kundgebungen, sondern spektakuläre Inszenierungen mit Musikgruppen und Auftritten von bekannten Künstlern und Persönlichkeiten wie zum Beispiel Dario Fo.
Am Anfang gab es kaum Medienberichte darüber, diese schwollen dann parallel mit der Teilnehmerzahl an. Schliesslich begleiteten nicht nur italienische Medien die Tour, sondern auch Fernsehcrews aus der ganzen Welt. Daher die Anspielung auf einen Tsunami.
Grillo gab keine Interviews und war trotzdem jeden Tag in den Medien. Die bewegungseigene Berichterstattung lief über Streaming, man konnte alles live mitsehen und mithören.
Kaufmann: Das M5S ist ausserhalb von Italien unter anderem für seine Verbindung zur britischen UKIP bekannt. Wieso hat man damals entschieden, im Europaparlament mit der rechtspopulistischen UKIP zusammenzuspannen?
Becchi: Ich war damals auch dafür. Denn ganz allein als Bewegung im Europaparlament hätten wir wenig bewirken können. UKIP stand für mehr Autonomie und für den Austritt aus der EU. Wir wollten uns UKIP anschliessen, um mehr Gehör zu erhalten. Wir hatten keine Alternative: Die Grünen wollten uns nicht, Le Pen und die Front National waren zu rechts. Auch Casaleggio war für eine Allianz mit UKIP, war aber bereit, ein anderes Resultat der Abstimmung im Netz zu akzeptieren.
Kaufmann: Ich kann nachvollziehen, dass das M5S aus dem Euro austreten möchte. Aber warum mit fremden- oder auch islamfeindlichen Parteien wie AfD, Front National beziehungsweise Geer Wilders Partei oder eben mit der UKIP zusammengehen?

Becchi: Die Bewegung ist widersprüchlich. Die meisten gewählten Abgeordneten des M5S sind eher links orientiert und unterstützen politisch eine soziale Immigrationspolitik. Aber in Beppe Grillos Blog tönt es anders. Zum Beispiel will er den Dublin-Vertrag auflösen. Solche Strömungen sind in der Bewegung durchaus vorhanden. In einer kürzlichen Netzdebatte über die aussenpolitische Position des M5S dominieren Themen wie Autonomie, Selbstbestimmung und der Ausstieg aus dem Euro, aber auch die Immigration, die legale wie die illegale. Und es gibt Stimmen, die sagen, dass es zu viele sind.
Um an die Macht zu kommen, bespielt man eben auch diese Themen. Die ursprüngliche Anti-System-Bewegung existiert so nicht mehr. Das M5S ist eine Partei geworden.

Kaufmann: Das M5S gab sich ja mit einem 120-Punkte-Programm von 2013 so etwas wie eine inhaltliche Ausrichtung. Alles Forderungen, die sehr fortschrittlich tönen und praktisch sämtliche Bereiche des Lebens ansprechen: Bildung, Gesundheit, Umwelt, Energie. Man forderte transparentere, einfachere Strukturen, kleinere Gehälter für die gewählten Politiker, das Abschaffen der Präfekturen und der Präfekte. Das sind doch alles sehr lohneswerte Ziele?

Becchi: Nun ja, aber diese Punkte sind im Moment nicht viel mehr als Papier und dienen vor allem für die anstehenden Wahlen. Von diesem Programm wurde noch kein einziger Punkt umgesetzt. Manchmal können auch Oppositionsparteien etwas erreichen. Das M5S hat bis heute nichts erreicht. So auch bei der Forderung nach einem Grundeinkommen für alle (Reddito di cittadinanza), da ist nichts passiert, obwohl diese Frage täglich diskutiert wird.
Dies führt zu einem gewissen Vertrauensverlust. Was dies für die nächsten Wahlen bedeutet, werden wir sehen. Momentan ist das M5S daran, die Programmpunkte zu überarbeiten, man kann den aktuellen Stand über Netz verfolgen. Aber auch andere Themen wie die Beziehungen zu Russland, die für den Aussenhandel Italiens eminent wichtig sind, aber von der EU praktisch unterbunden wurden, kommen nicht voran.
Es gibt keine klaren Vorstellungen, was geschehen soll, wenn das M5S einmal an der Macht sein sollte. In Italien genügt es bekanntlich, mit einem Gesetz solche Inhalte umzusetzen, es braucht den Gang über ein Referendum nicht, sondern eine Mehrheit im Parlament.

Kaufmann: Wo steht das M5S bei den heikleren Themen wie Steuern oder Immigration?

Becchi: Bei den Steuern steht die Abschaffung der verhassten Equitalia im Vordergrund (staatliche Inkasso- Behörde). Das ist eine politische Forderung, weil die Tätigkeit die Equitalia von den kleinen Leuten als Schikane empfunden wird: Diese Umtriebe mit den Kaufquittungen überall und die unsinnigen Kontrollen wegen ein paar Euro, wo doch alle wissen, dass der wirkliche Steuerbetrug anderswo und in viel grösseren Dimensionen stattfindet.

Kaufmann: Mit dem Tod von Gianroberto Casaleggio hat das M5S ihren politischen Kopf verloren. Wie sehr fehlt Casaleggio?

Becchi: Ja, nun ist alles in den Händen von Grillo. Trotz vieler Diskussionen trifft er grosse Entscheidungen allein. Im Vorfeld der Kommunalwahlen in Genua vom 11. Juni hatte sich Grillo nicht an die Prinzipien der Netzdemokratie gehalten. Er annullierte die Vorwahl einer Kandidatin für das Bürgermeisteramt, eine Art Internet- Primaries des M5S, eigenmächtig und setzte einen eigenen Kandidaten durch. Dieser verlor die Wahl deutlich.
Jetzt gibt es ein juristisches Nachspiel, die Kandidatin verklagt Grillo, weil er die Satzung des M5S verletzt habe. Solche Auseinandersetzungen kommen bei der Basis schlecht an.

Kaufmann: Die Bürgermeisterin in Rom verletzte ebenfalls einige Prinzipien des M5S. Doch Grillo steht weiter hinter Virginia Raggi.

Becchi: Raggi geniesst den Schutz von Grillo; er hat die internen Regeln für sie geändert, sonst hätte sie eigentlich von ihrem Amt zurücktreten müssen. Sie war nicht vorbereitet und neun Monate nach ihrer Wahl ist ihr Kabinett immer noch nicht vollständig besetzt. Aber Grillo hält zu ihr, weil er es sich nicht leisten kann, Rom bei den nächsten Wahlen zu verlieren. Das würde die Glaubwürdigkeit der ganzen Bewegung untergraben. Die Leute würden zweifeln, ob das M5S eine Regierungspartei sein könnte.

Kaufmann: Sie sind von der Bewegung desillusioniert; der Traum von der Nuova Democrazia ist geplatzt. Was jetzt?

Becchi: Für die nationalen Wahlen wird es darauf ankommen, ob es der Lega Nord unter Matteo Salvini gelingt, eine nationale Partei zu werden. Zusammen mit der Lega Nord könnte eine mehrheitsfähige Alternative für die nächsten nationalen Parlamentswahlen zustande kommen. Die Lega Nord ist eine regionale Partei mit Hochburgen in der Lombardei und dem Veneto. Entscheidend wird sein, ob es Salvini gelingt, die Einwanderungsdebatte mit den wichtigen, nationalen Fragen wie Arbeitslosigkeit, Mitgliedschaft in der Eurozone etc. zu verknüpfen. Wenn das gelingt, könnte die Lega in ganz Italien Fuss fassen. Die italienische Bevölkerung ist in den letzten Jahren immer EU skeptischer geworden.

Kaufmann: Welche Wählerinnen und Wähler spricht denn das M5S an? Was weiss man über sie?

Becchi: Junge wählen in grosser Mehrheit M5S, der Rest geht querbeet durch die ganze Bevölkerung, Frauen, Männer allen Alters wie auch aller Schichten. Das können ehemalige WählerInnen von rechten oder auch von linken Parteien sein. Die Arbeitslosigkeitsquote von 40 Prozent unter jungen Erwachsenen führt dazu, dass viele gar nicht mehr wählen gehen – oder dann wählen sie klar das M5S. Und dies, obwohl das M5S nirgends Erfolge aufweisen kann. Aber das M5S kann Protestwählende mobilisieren.
Als die Bewegung in 2012 begann, war sie für mich das Modell für eine politische Alternative; der Gedanke der Basisbewegung, die direkte Demokratie über das Netz und auch die Inhalte waren etwas völlig Neues und Unverbrauchtes. Meine Hoffnungen gingen sogar soweit, dass ich mir vorstellen konnte, dass das Modell M5S auf ganz Europa übergreifen könnte. Es bestanden auch Kontakte zu ähnlichen Bewegungen in Spanien, Deutschland, Frankreich usw.
Nun ist aus der Bewegung eine Partei geworden, die an die Macht will, und ihr Programm ist noch sehr wacklig. Für die italienische Bevölkerung sind die Immigrationspolitik oder die Zugehörigkeit zur Euro-Zone grosse Themen. Sie erwartet Lösungen. Die vielen Flüchtlinge werden als billige Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt gesehen, das führt unweigerlich zu Spannungen. Das M5S ist darum auch für die Kündigung des Dublin-Abkommens.
Aber das sind im Moment alles nur einzelne Punkte eines möglichen Regierungsprogramms. Auch die Forderung, mit Russland wieder normale Handelsbeziehungen zu pflegen, weil Russland ein wichtiger Absatzmarkt für italienische Landwirtschaftprodukte ist. Wenn das M5S allerdings zu einer Organisation wird, die nur noch von einer Person geführt wird, dann ist das M5S noch weniger demokratisch als die traditionellen Parteien.

Kaufmann: Die Erfahrung Europas im 20. Jahrhundert hat uns doch gelehrt, wohin Nationalismus führt.

Becchi: Das Wiedererwachen nationalistischer Tendenzen in Europa ist eine Absage an das Europa der Banken, zentraler Macht und Bürokratie. Der italienische Geschichtsphilosoph Giambattista Vico sprach von Corsi e Ricorsi der Weltgeschichte. Auf den Corso, der Vorwärtsbewegung der Globalisierung, folgt nun ein Ricorso, eine Gegenbewegung. Folgt man diesen Gedanken, können wir eine solche Entwicklung auch annehmen, ohne befürchten zu müssen, dass die Geschichte sich wiederholen wird.

Kaufmann: Aber bei Gert Wilders oder der AFD ist doch die Rhetorik ziemlich explizit?

Becchi: Auch diese Bewegungen darf man nicht einfach mit dem Nationalsozialismus gleichstellen. Die AFD fordert zum Beispiel ebenfalls den Austritt aus der Eurozone und vielleicht auch aus der Europäischen Union, aber man muss auch hier genauer hinschauen, was diese Bewegungen wollen, und sich nicht nur von den Medien leiten lassen. Eine Sache scheint mir aber klar. Die Wahlen in Holland habe es gezeigt: Eine Politik, die nur auf Polemik gegen den Islam und Ausländer setzt, wie Wilders sie vertritt, funktioniert nicht.

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7 Meinungen

  • billo
    am 7.07.2017 um 18:54 Uhr
    Permalink

    Ich verfolge dise Geschichte seit fünf Jahren vor Ort in Italien und kann über dieses naive Interview nur den Kopf schütteln. Becchi war selber Mitglied von Beppe Grillos Pseudo-Bewegung. Er war naiv genug, nicht frühzeitig genug zu merken, dass die «Cinque Stelle» eine präpotente Veranstaltung des Internet-Anbieters Casaleggio waren, dem es gelungen war, den Genueser Kabarettisten Grillo vor sein Geschäftsmodell zu spannen. Demokratie von unten hat es in dieser Veranstaltung nie gegeben, sie war von allem Anfang an von Casaleggio und Grillo straff gelenkt, aber so dargestellt, als hätten die lokalen Zirkel und «das Netz» (Online-Stimmen der eingeschriebenen Mitglieder) echt etwas zu sagen. Tatsache ist, dass nicht einmal die unter Grillos Flagge gewählten Abgeordneten und Senator/innen etwas zu sagen haben; auch sie mussten und müssen sich dem Diktat vin Casaleggio und Grillo fügen – oder werden exkommuniziert. Apropos Casaleggio: Es bestimmt nicht mehr der Gründer, der letztes Jahr gestorben ist, sondern mit aller Selbstverständlichkeit dessen Sohn. Denn es geht wie gesagt weder um Politik noch um eine demokratische Partei – es geht einzig um das Geschäft einer Internetfirma, und da ist es ja üblich, dass der Sohn übernimmt, wenn der Vater abgibt.
    Dass diese ganze üble Veranstaltung überhaupt möglich wurde, liegt nicht zuletzt daran, dass eigentlich kluge Menschen wie Becchi und noch Klügere dem heiseren Schreitheater Grillos auf den Leim gekrochen sind.

  • billo
    am 7.07.2017 um 19:01 Uhr
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    Wenn sich nun Becchi im Nachhinein darüber beklagt, dass Grillo seine eigenen Ziele verraten habe, unterstreicht er nur die Naivität, mit der er hinter dem Theater mehr gesehen hat als ein raffiniertes Geschäftsmodell. Traurig genug, dass noch immer viele (wenn auch deutlich weniger) Menschen diesem Rattenfänger von Genua hinterherlaufen, der bei den nationalen Wahlen 2013 einen Drittel aller Stimmen errang, aber seither rein gar nichts bewirkt hat in der italienischen Politik, die das so bitter nötig hätte.

  • am 8.07.2017 um 12:19 Uhr
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    Lieber Heinzpeter Studer,
    wer in Italien eine ganze Legislatur schafft,erhält lebenslänglich eine Rente in der Höhe von 30 Praktikantenlöhne, wie er für viele in der Forschung üblich ist.Für die Grillini die im Parlament der Order ihres Duces folgend,zu jeder Reform NEIN sagen,winkt zumindest ein goldiger Lebensabend.Wenn Italien Schulden macht,so wie jetzt für die Bankenreform,dient das Geld in erster Linie dazu,möglichst viele Leute ( die in ihren überflüssigen Büros Däumchen drehten) zu pensionieren.

  • Marco_Morosini
    am 8.07.2017 um 15:05 Uhr
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    Lieber Prof. Becchi, vielen Dank für diese Stellungnahme.
    Wenn Sie es mir erlauben, möchte ich ihre Informationen ergänzen.

    Laut drei Umfragen von Demos in Februar-Mai 2017 (3039 Befragte),
    M5S wollen Männer mehr als Frauen wählen: 32% gegen 23%,
    Junge mehr als Alte: 18-44 J 35%, 45-54 J 32%, 55-64 J 26%, mehr als 65 J 11%.
    Berufsgruppen, sehr unterschiedlich:
    43% KMU und Selbständige
    35% Studenten, Einfache Arbeiter, Angestellete, Lehrer, Beamte
    26% gehobene Selbständige
    16% Hausfrauen, Rentner

    M5S Wähler wollen lieber mit Legisten und Post-faschisten koalieren, als mit dem Partito Democratico (Sozialdemokratie):
    M5S-Lega Nord-Fratelli d’Italia: 47% der M5S Wähler (24% von allen Wähler)
    M5S-Partito Democratico: 41% der M5S Wähler (28 % von allen Wähler)

    Putin, Trump und Le Pen gefallen überdurchscnittlich den
    M5S Wähler (verglichen mit allen Wähler):
    Putin 42% (35%)
    Trump 34% (26%)
    Le Pen 33% (21%)

    Macron und Merkel, unterdurchschnittlich:
    Macron: 35% (40%)
    Merkel 30% (46%)

    Beste Grüsse – Marco Morosini, Dozent ETH Zürich, marcomorosini.eu
    https://www.infosperber.ch/FreiheitRecht/Italien-leidet-unter-seiner-Gerontokratie

  • billo
    am 8.07.2017 um 20:11 Uhr
    Permalink

    Lieber Andreas Willy Rothenbühler: So ist es, leider! Selbst in der relativ unverdächtigen autonomen Region Friuli Venezia Giulia, wo ich lebe, geht etwa die Hälfte der Ausgaben für das Regionalparlament für Pensionen an ehemalige Abgeordnete weg. Viel schlimmer allerdings sind die Ausgaben für eine immense Bürokratie auf allen Ebenen, die nicht nur viel Geld kostet, sondern zudem viel Geld vernichtet, indem sie das Geschäft kleiner und mittlerer Unternehmen (Bauern inklusive) behindert bis zur Verhinderung. Den Politikern, welche die oft unsinnigen Gesetze und Verordnungen erlassen, und den Beamten, die sie anwenden, kann’s egal sein, die kriegen ihren Lohn und ihre Pension so oder so… Mich erstaunt eigentlich nur, dass die Italiener/innen, die gern und oft darüber schimpfen, am Ende doch nichts daran ändern – vielleicht, weil sie eingesehen haben, dass doch nichts verändert werden kann, weder durch Grossmaul Renzi, der mit dem Versprechen antrat, alles zu verändern, aber im Kern alle Steine aufeinander beliess, noch durch Schreihals Grillo, der eine saubere Politik versprach, aber nichts anderes tut, als den diktatorischen Grundton, der aus der italienischen Politik nie ganz verschwunden ist, noch zu betonen…

  • am 14.07.2017 um 10:14 Uhr
    Permalink

    Vielen Dank, Marco Morosini, für ihren wertvollen Hinweis auf http://www.sondaggipoliticoelettorali.it/.

    Interessant ist, dass die Wahlschlappe des M5S vom Juni in den Regional- und Kommunalwahlen gemäss der jüngsten Umfrageergebnisse vom 13.7.17 scheinbar kaum Einfluss auf die kommenden nationalen Wahlen haben wird, denn die Frage «Se ci si recasse oggi alle urne per le Elezioni Politiche, quale lista lei voterebbe per la Camera dei Deputati?» ergibt folgendes Resultat:
    M5S: 27%
    PD: 26,2%
    Lega Nord: 14%
    Forza Italia: 13,7%
    FdI: 4,8%
    Art. 1-MDP: 3,9%
    Alternativa Popolare: 3%
    Sinistra Italiana: 2,6%
    Altre liste sotto il 2%

    Indecisi: 16%
    Affluenza alle urne: 62%

    Quelle: http://www.sondaggipoliticoelettorali.it/GestioneDomande.aspx

    Mit freundlichen Grüssen, Felix Kaufmann

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