Exekutionsraum in einem US-Gefängnis

Exekutionsraum in einem US-Gefängnis. © cc-by-nc-sa Josh Rushing / flickr.com

43 US-Häftlinge «wählen» Stickstoff als Hinrichtungsmethode

Martina Frei /  Die Methode sei bewährt, schnell und schmerzlos, behaupten Befürworter in den USA. Das sei völlig haltlos, kontern Ärzte.

Am 25. Januar 2024 wurde im US-Bundesstaat Alabama erstmals ein Mensch mit Stickstoff hingerichtet. Die Henker fixierten ihn auf einer Liege und stülpten ihm eine Atemschutzmaske über den Kopf, in die das Gas eingeblasen wurde. 

Um 19:56 Uhr Ortszeit begann das Gas einzuströmen. Etwa eine Minute später habe der 58-Jährige heftig gewürgt, gehustet, gekeucht, gezuckt und Krämpfe bekommen, berichteten Zeugen. Das hielt minutenlang an, bis schliesslich die Todesatmung einsetzte. Etwa um 20:07 Uhr stoppte die Atmung ganz. Um 20:23 Uhr wurde Kenneth Smith für tot erklärt. 

Ein Augenzeuge beschrieb es als «das Schrecklichste, das ich je gesehen habe». Smith habe sich aufgebäumt, nach Luft gejapst und gekrampft.

Eigentlich müssten diese Schilderungen genügen, um weitere solche Exekutionen zu unterlassen.

Staatsanwälte preisen die Methode

Doch der Generalstaatsanwalt von Alabama pries diese weltweit zum ersten Mal eingesetzte Hinrichtungsart als Erfolg: Sie sei «nicht länger eine ungeprüfte Methode. Es ist ein bewährtes Verfahren», verkündete er. Bereits im Vorfeld der Exekution hatte ein anderer Staatsanwalt sie als «schmerzloseste und humanste Exekutionsmethode» bezeichnet, die bekannt sei.

Exekutionen mit der Giftspritze ziehen sich immer wieder lange hin. So auch bei Kenneth Smith, der ursprünglich im Jahr 2022 mit Gift hätte hingerichtet werden sollen. Seinen Henkern gelang es damals jedoch über Stunden nicht, eine Vene so zu punktieren, dass sie das Gift hätten spritzen können. Die US-Standesvertretung hat Ärzten und Pflegepersonal untersagt, bei Hinrichtungen mitzuhelfen. 

Dazu kamen Lieferengpässe beim Gift. Verschiedene Pharmaunternehmen lieferten seit 2009 die Wirkstoffe nicht mehr, so dass die Henker auf andere Substanzen zurückgriffen. Das erhöhte die Komplikationsrate bei Hinrichtungen. Vor diesem Hintergrund entschieden sich die Verantwortlichen in Alabama für das Ersticken des zum Tode Verurteilten. 

Gericht verlangt schnelle und nicht-grausame Hinrichtung

Schnell, berechenbar und schmerzlos sei die Todesstrafe durch Ersticken mit Stickstoff, behaupten die Befürworter dieser Hinrichtungsmethode in den USA. Aufgrund des auch von Politikern postulierten «Erfolgs» hätten sich Berichten zufolge inzwischen 43 US-Häftlinge für Stickstoff als Hinrichtungsmethode entschieden – nicht ahnend, wie grausam und lange dieses Sterben sein könne. Das berichten zwei Ärzte im Fachblatt «Jama».

Die wissenschaftliche Beweislage spreche klar gegen den Einsatz von Stickstoff als Mittel zur Hinrichtung, argumentieren sie. Dessen ungeachtet, arbeiteten mehrere weitere US-Bundesstaaten daran, diese Methode ebenfalls einzuführen. (In der Schweiz wurde Stickstoff 2021 als Methode beim assistierten Suizid angepriesen.)

Nur sehr wenige Ärzte oder Politiker wüssten jedoch, was es bedeute, Menschen absichtlich einem Sauerstoffmangel auszusetzen, kritisieren die beiden Mediziner, die am «Hypoxie Forschungslabor» an der Universität von Kalifornien in San Francisco arbeiten. Sie erforschen dort die Wirkung von Sauerstoffmangel.

Das Ersticken mittels Stickstoff sei unmenschlich und grausam. Dafür gebe es auch – bereits seit rund 50 Jahren – viele wissenschaftliche Belege. Folglich sei diese Hinrichtungsmethode nicht mit einem Entscheid des obersten US-Gerichts zu vereinbaren: Es verlangte, dass keine Hinrichtung zu einem grausamen und sich hinziehenden Sterben führen dürfe.  

Bei Hunden und Mäusen nicht erlaubt

Bei einer Blut-Sauerstoffkonzentration von weniger als 60 Prozent sei die Mehrheit der Personen noch nicht bewusstlos und berichte von erheblichen Stressgefühlen und Kurzatmigkeit. «Dieses Gefühl von extremem Stress ist ein wichtiger Grund, warum es unethisch ist, die Wirkung sehr niedriger Sauerstoffkonzentration an Menschen zu untersuchen», schreiben die beiden Mediziner. In ihrem Labor hätten sie solche Experimente gestoppt. 

Die US-amerikanische Vereinigung der Tierärzte hat Stickstoff zum Einschläfern für Schweine erlaubt, aber bei Hunden und den meisten anderen Tieren «wegen der unvorhersehbaren und stressigen Reaktionen verboten», geben sie weiter zu bedenken. «Stickstoff wird als zu unmenschlich für die Euthanasie von Mäusen oder Hunden erachtet, aber einige schlecht informierte Politiker, Generalstaatsanwälte und unerfahrene Mediziner in den USA unterstützen den Einsatz dieser grausamen Methode.»


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Keine
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5 Meinungen

  • am 2.07.2024 um 11:35 Uhr
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    Es ist ja überhaupt grausig und eigentlich müssig über Hinrichtungsmethoden zu debattieren. Die Todesstrafe ist ganz grundsätzlich eine Barbarei und ein Staat, der diese anwendet ist schlicht unzivilisiert. Da befinden sich die USA im selben Boot wie ihre Lieblingsgegner Iran, China etc., oder «Freunde» wie Saudi Arabien.

    Wenns dann aber sein muss: die «humanste» Methode ist die, welche auch beim «humanen» Schlachten von Tieren angewendet wird, der überraschende Genickschuss. Eine Hinrichtung zieht sich ja bei allen üblichen Methoden über lange Zeit hin. Schon das wochen- oder monatelange Warten in der Todeszelle ist absolut unmenschlich. Den Gang zur Exekution stelle ich mir grauenvoll vor.

    Dagegen wurden in einigen Ländern, ich glaube die DDR war darunter, Delinquenten angeblich zu einem «Verhör» geführt und unterwegs durch einen Genickschuss getötet. Dabei wurde sogar darauf geachtet, dass die Waffe den Körper nicht berührt. Aber ist das nun human?

  • am 2.07.2024 um 12:53 Uhr
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    Vorweg:
    1. ich lehne Todesstrafe generell ab. Die Verurteilten haben keine Chance mehr, ihre Tat zu überdenken.
    2. Den «freiwilligen Tod» per Suizid-Assistenz sehe ich als sehr problematisch.
    Nun zu meiner Frage in die Runde:
    Sterbehilfe-Organisationen stellen Natium-Pentobarbital zur Verfügung. Ein mir bekannter Fall lief offenbar ohne Komplikationen ab: Verlust des Bewusstseins – Atemstillstand – Tod.
    Warum «knorzt» man in den USA derart mit dem justiz-induzierten Töten herum??
    Natium-Pentobarbital hat wohl sicher keine «Lieferengpässe» ??

  • am 2.07.2024 um 14:36 Uhr
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    Noch grausamer als die Hinrichtung von US-Häftlingen mit Stickstoff ist die Ermordung von Verdächtigen mit Drohnen. Bei diesen Hinrichtungen der USA und auch von anderen Staaten, kommen auch meist viele Zivilisten ums Leben. Länder die Verdächtige mit Drohnen töten nehmen sich das Recht Menschen zu ermorden, ohne Gerichtsverfahren. Aussergerichtliche Hinrichtungen, wie auch Folterungen, stellen jedoch eine krasse Verletzung der Menschenrechte dar:
    – Jede Person hat bei der Feststellung ihrer Rechte und Pflichten sowie bei einer gegen sie erhobenen strafrechtlichen Beschuldigung in voller Gleichheit Anspruch auf ein gerechtes und öffentliches Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht.
    – Jede Person, die wegen einer strafbaren Handlung beschuldigt wird, hat das Recht, als unschuldig zu gelten, solange ihre Schuld nicht in einem öffentlichen Verfahren, in dem sie alle ihre Verteidigung notwendigen Garantien gehabt hat, gemäss dem Gesetz nachgewiesen ist.

  • am 2.07.2024 um 14:54 Uhr
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    Warum lese ich von x-möglichen Quellen immer nur, was das «Falsche» ist? Warum werden nicht alle Bemühungen zur Vermittlung des Richtigen verwendet? Dass Menschen in der Schweiz (über die Bundesrätin Amherd – hier im Zusammenhang mit der Sportschule Magglingen – sagte: «Ich war schockiert und konnte nicht glauben, dass das in unserem Land möglich ist») sich in Not im Stich gelassen, als Laie zu Selfmadesuizid genötigt sehen können, bezeuge ich. Zudem Zitat Beobachter 31.1.2006: (…) Solch tragische Selbsttötungsversuche finden nur selten den Weg an die Öffentlichkeit. Zwar fehlt eine Statistik über Selbstmordversuche, doch der Bundesrat geht in einer vorsichtigen Annahme von 20’000 bis 67’000 Fällen aus – jedes Jahr. Nach einem missglückten Selbstmord leiden viele Betroffene unter schwer wiegenden körperlichen und geistigen Schäden. Die geschätzten Kosten dafür belaufen sich jährlich auf rund 2,5 Milliarden Franken.

  • am 4.07.2024 um 12:55 Uhr
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    4.7.2024 20min.ch
    Seit Jahren arbeitet Nitschke daran, den Sarco Sterbewilligen in der Schweiz anbieten zu können. «Neue Zürcher Zeitung» berichtet, soll es nun so weit sein: Noch im Juli sei der erste Einsatz der Kapsel angesetzt. Dafür habe er Exit Switzerland gegründet – nicht zu verwechseln mit der etablierten Organisation Exit Schweiz. Die Person, die als weltweit erste mit dem Sarco aus dem Leben scheiden will, sei bereits in die Schweiz eingereist. Allerdings wollte Nitschkes Organisation dies gegenüber der NZZ nicht bestätigen.
    Fest steht: Mit Exit Switzerland ermöglichte der in den Niederlanden lebende Mediziner wegen der liberalen Rechtslage schon einigen Patienten den Freitod in der Schweiz.
    NZZ 19.3.2008 Helium: Oberstaatsanwalt Brunner bezeichnete Natriumpentobarbital (NaP) als geeigneter. Dignitas wolle die Helium-Methode nicht anwenden, betonte Dignitas-Gründer und -Leiter Ludwig A. Minelli, werde durch das Verhalten der Zürcher Behörden aber praktisch dazu gezwungen.

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