Zum ersten Mal nimmt eine Premierministerin Mutterschaftsurlaub
Die unverheiratete Jacinda Ardern steht mit 37 Jahren vor ihrer ersten Geburt. Die Sozialdemokratin will nach der Geburt sechs Wochen Babypause machen. In dieser Zeit übernehme der stellvertretende Premierminister ihren Posten, schrieb sie auf Twitter. Nach ihrer Rückkehr ins Amt werde ihr Partner, der Journalist Clarke Gayford, für das Baby primär zuständig sein. «Wir schliessen uns in diesem Jahr den vielen Eltern an, die zwei Dinge unter einen Hut bringen.» Die Schwangerschaft sei für sie eine «grosse Überraschung». Sie hätten nicht gewusst, ob dies bei ihnen noch klappen werde. Jetzt seien sie beide «richtig glücklich».
«Inspiration für eine ganze Generation»
In Kommentaren erhielten Ardern und Gayford Anerkennung. Die Gesellschaft gehe immer noch davon aus, dass primär Frauen sich um die Kinder kümmern und das mache man ihnen nach wie vor schwer, hiess es im «Guardian». Das neuseeländische Online-Portal «stuff.nz» kommentierte, die 37-Jährige sei eine «Inspiration für eine ganze Generation». Es sei für Frauen immer noch schwierig so zu leben, wie sie gerne möchten. «Es gibt Hindernisse und Erwartungen an das Verhalten, die es für Männer nicht gibt.» Ardern zeige, dass eine Frau Mutter werden und gleichzeitig ihren täglichen Verpflichtungen nachgehen kann. Ihr Partner breche mit veralteten Rollenbildern von Männern und zeige kleinen Jungs, dass es ein anderes Männerbild gebe, heisst es weiter auf «stuff.nz». Mit seinem Entscheid, sich hauptsächlich um das Baby zu kümmern, löse er hoffentlich eine Diskussion über den Elternurlaub aus. In Neuseeland haben Männer keinen Anspruch auf bezahlten Elternurlaub.
Kritik
Andere warfen Ardern vor, ihre Schwangerschaft erst kurz nach Amtsantritt bekanntgegeben zu haben. «Grossartig, lasst uns Sorglosigkeit und Egoismus feiern, dass wir unseren Arbeitgeber übers Ohr hauen und keinerlei Planung für die Gründung einer Familie haben. Wenn sie das nicht planen kann, wie kann sie dann ein Land regieren?», hiess es auf Facebook. Die einflussreichen rechten Blogger hingegen seien bisher ziemlich still, schreibt die britische Wochenzeitung «New Statesman». Sie führt dies auf die Popularität von Ardern zurück. Doch es sei absehbar, dass die Rechte bei den ersten Schwierigkeiten der Regierung diese auf die Mutterschaft der Premierministerin zurückführen werde.
«Das ist es, was Frauen machen»
Ardern war letzten Sommer Vorsitzende der Labour-Partei geworden. Schon damals wurde sie wiederholt gefragt, ob sie Kinder haben möchte. Ardern sorgte mit ihrer Antwort weltweit für Aufsehen: Sie kritisierte, dass Frauen im Beruf heute noch solche Fragen gestellt werden. Das sei «völlig unannehmbar». Ende September gewann sie mit ihrer Labour-Partei die Wahl. Einige Zeit nach der Wahl und kurz vor der Vereidigung als Premierministerin im Oktober habe sie erfahren, dass sie schwanger ist. Auf die Frage, wie sie die Regierungsbildung mit der morgendlichen Übelkeit der ersten Schwangerschaftsmonate vereinbaren konnte, sagte Ardern: «Das ist es, was Frauen machen.»
Die erste Premierministerin, die im Amt Mutter wurde, war Benazir Bhutto in Pakistan. Sie gebar 1990 und damit in ihrer ersten Amtszeit ihr zweites Kind. Einen Mutterschaftsurlaub hatte sie nicht genommen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Barbara Marti ist Redaktorin und Herausgeberin von FrauenSicht.ch
Genial …
Völlig richtig! Bravo!
Gleichberechtigung heisst auch, dass Männer Besonderheiten von Frauen anerkennen und praktizieren. Frauen haben sich lange genug den besonderen Ansprüchen der Männer gebeugt.