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Laut der argentinischen Staatsanwaltschaft ist Leihmutterschaft ein Geschäftsmodell, das verarmte Frauen ausbeutet und Kinder kommerzialisiert. © Av

Seltener Einblick in das Geschäftsmodell Leihmutterschaft

Barbara Marti /  Menschenhändler und Kliniken machen fette Gewinne auf dem Buckel verarmter Frauen. Dies zeigt ein aktueller Fall.

Argentinien hinderte letzten Herbst zwei Italiener mit einem Baby an der Ausreise. Eine Frau hatte das Kind gegen Bezahlung von 5500 Euro ausgetragen. Die Italiener hatten das Baby in Argentinien gekauft, weil Leihmutterschaft in Italien verboten ist. In Argentinien ist sie nicht geregelt. Grund für das Ausreiseverbot waren laut den argentinischen Behörden Ermittlungen gegen einen international tätigen Leihmutterschaftsring, der Frauen in prekären Situationen ausnutzt, berichtete der «Guardian». Diese Ermittlungen ermöglichen einen seltenen Einblick in das Milliardengeschäft mit der Leihmutterschaft.

«Versklavung von Frauen»
Razzien in argentinischen Kliniken, Notariaten und Anwaltskanzleien offenbarten, wie die Fortpflanzungsindustrie fette Gewinne auf dem Buckel verarmter Frauen macht. Laut der Staatsanwaltschaft hat ein Leihmutterschaftsring die Frauen ausgebeutet und Kinder kommerzialisiert. Menschenhändler hätten «schutzbedürftige Frauen in wirtschaftlich schlechten Verhältnissen» über soziale Medien angeworben. Den Frauen wurden 10’000 US-Dollar versprochen, mit einem Bonus von 1000 bis 2000 US-Dollar, wenn sie per Kaiserschnitt entbinden.

Kaufeltern mussten rund 50’000 US-Dollar zahlen. Im Falle eines Abbruchs der Schwangerschaft, beispielsweise durch eine Fehlgeburt, gingen die Leihmütter praktisch leer aus. Die finanzielle und gesundheitliche Ausbeutung der Frauen sei mit einer «Versklavung» vergleichbar, so die argentinische Staatsanwaltschaft. Argentinien ist zurzeit in einer der schwersten Wirtschaftskrisen seit Jahrzehnten. Die Mehrheit der Bevölkerung lebt in Armut.

Geschäftsmodell Leihmutterschaft
Die argentinischen Behörden ermittelten monatelang in fast 50 Fällen. Es gehe nicht um Einzelfälle, sagte Staatsanwältin María Alejandra Mángano:  «Wir konnten aufdecken, dass es sich um ein Geschäftsmodell auf nationaler und internationaler Ebene handelt.»

Einblicke in das Milliardengeschäft mit der Leihmutterschaft sind selten. Zuletzt zeigte die Razzia in einer «Kinderwunschklinik» in Griechenland, wie Menschenhändler junge Osteuropäerinnen mit falschen Versprechen nach Kreta lockten. In Unkenntnis der erheblichen gesundheitlichen Risiken mussten sie Babys für Kaufeltern austragen und Eizellen «spenden». Für die Kaufeltern kostete ein Baby laut der griechischen Polizei 70’000 bis 100’000 Euro. Den Reingewinn für die Klinik bezifferte sie auf etwa 70 Prozent. Das sind 49’000 bis 70’000 Euro pro Baby.

Ausbeutung von Frauen ist kein Thema
Es ist eine Ironie des Schicksals, dass vom Ausreiseverbot in Argentinien zwei Italiener betroffen waren. Kurz zuvor hatte das Parlament in Italien beschlossen, dass Italiener nicht mehr im Ausland ein Baby kaufen dürfen. Grund für dieses Verbot ist allerdings nicht der Schutz von Frauen, sondern der Schutz eines «traditionellen Familienbildes». Entsprechend lauteten die Schlagzeilen, dass man Homosexuelle daran hindere, eine Familie zu gründen. Dass ein solches Verbot Frauen vor finanzieller und körperlicher Ausbeutung schützen kann, war kein Thema.

Lobby für Leihmutterschaft
Leihmutterschaft ist in den deutschsprachigen Ländern verboten. Seit Jahren versucht deshalb die Fortpflanzungsindustrie, dieses lukrative Geschäft akzeptabel zu machen. Mit zunehmendem Erfolg: Immer mehr Länder, die Leihmutterschaft verbieten, anerkennen im Ausland geborene Kinder von Leihmüttern und höhlen damit das heimische Verbot aus. Die Medien spielen das Spiel der Lobby mit und porträtieren regelmässig glückliche Paare und Prominente, die dank einer Leihmutter im Ausland ihren Kinderwunsch erfüllen konnten. Kritische Fragen zu den gesundheitlichen Risiken für die Frauen werden nicht gestellt. 
Und wenn Behörden wie Argentinien und Griechenland die finanzielle und gesundheitliche Ausbeutung von Frauen aufdecken, sorgt dies meist nicht für Schlagzeilen. Viel öfter verbreitet die Berichterstattung die Forderung vom Recht auf ein Kind.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Dieser Artikel ist zuerst auf frauensicht.ch erschienen.
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4 Meinungen

  • am 28.02.2025 um 10:12 Uhr
    Permalink

    Danke Barbara Marti für diesen informativen und wichtigen Bericht.

  • am 1.03.2025 um 13:46 Uhr
    Permalink

    «Die Medien spielen das Spiel der Lobby mit und porträtieren regelmässig glückliche Paare und Prominente, die dank einer Leihmutter im Ausland ihren Kinderwunsch erfüllen konnten.» Wie richtig Frau Marti, vielen Dank.
    Darf man in diesem Zusammenhang auf einen aus meiner Sicht besonders stossenden Fall aufmerksam machen, der auf Bluewin.ch (das Abschreibeportal von Swisscom) für Klicks zu sorgen hat? Es geht um einen Mann, der sich als Sportreporter keinen Namen macht, dafür sich als Homosexueller geoutet hat und nun, zusammen mit seinem Mann, das in den USA gepostete Leihmutterbaby, herumzeigt. Herzig. Und ein Skandal, der wie kaum eine andere «Promi»-Story den Niedergang der Konsumgesellschaft aufzeigt. Alles ist käuflich geworden. Wirklich alles. Also gibt es dafür auch Angebote, die man gelegentlich durch plumpe Propaganda etwas fördern muss. Ethik, Moral, Respekt, Humanismus? Schnee von gestern.

  • am 1.03.2025 um 15:39 Uhr
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    Ich finde das unverantwortlich. Nicht nur die Ausbeutung der Frauen sondern auch des kommenden Unheils wegens , was solch3 Praktiken – mangels Kontrollen – mit sich bringt. Niemand wird wissen in welcher Industrie diese Kinder wirklich landen. Denn niemand wird sie vermissen und somit wird es auch niemand kümmern.
    Ob in Forschungslaboren oder im Ersatzteillager , in Pädophilenringen , Arbeitsmarkten oder was auch immer Geld bringt. Wieso sollte jeder das Recht auf ein Kind haben. Es gäbe übrigens genügend Kinder die jemanden gebrauchen könnten hier bei uns. Alle die tausenden toten Kinder im Gaza. Die Mehrheiz verschwendet keinen bewussten Gedanken daran. Es sei halt nun due Konsequenz . So etwas höre ich von studierten Menschen in einer Selbstverständlichkeit wo es mir schlecht wird dabei. …Tut mir Leid. Ich kann damit nicht gut umgehen.

  • am 1.03.2025 um 16:31 Uhr
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    Während Zehntausende Menschen im Krieg sterben, werden in der Ukraine Hunderte Babys von Leihmüttern geboren. Frauen, denen befruchtete Eizellen eingesetzt werden, um Kinder auszutragen für Paare, die selbst nicht Eltern werden können. Die Ukraine ist eines der wichtigsten Länder in dem Geschäft. Dieses nicht erst seit dem Krieg!

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