Her Story x

Wang Tiemei (Song Jia) und Xiao Ye (Zhong Chuxi) emanzipieren sich. Der chinesische Kinoerfolg «Her Story» transportiert Feminismus und Zensurkritik als leichtverdauliche Komödie. © Asian Movie Trailer

Feministische Komödie wurde in China ein Kassenschlager

Pascal Derungs /  «Her Story» behandelt die Ungleichheit der Geschlechter. Der humorvolle Ansatz kann geholfen haben, die Zensur zu vermeiden.

Der Film erreicht auf der chinesischen Filmbewertungsseite Douban 9,1 von 10 Punkten. Es wird erwartet, dass er im Land mit 1,4 Milliarden Einwohnern zu einem der 15 erfolgreichsten Filme des Jahres 2024 wird. Und dies, obwohl er erst im November Premiere hatte. Das berichtete Vivian Wang aus China am 11. Dezember in der «New York Times».

«Her Story» handelt von zwei Frauen in Schanghai, die zufällig Nachbarinnen werden: Xiao Ye, eine unabhängige, aber sensible Sängerin, und Wang Tiemei, eine bodenständige Ex-Journalistin, die eine 9-jährige Tochter alleine aufzieht. Leichtfüssig zeichnet der Film nach, wie sich eine Freundschaft zwischen den beiden Frauen entwickelt, wie sie sich gegenseitig zur Unabhängigkeit ermutigen und über Verehrer amüsieren, die sie mit feministischen Ansichten zu beeindrucken versuchen.

Der jüngste chinesische Kinohit prangert unterschwellig Vorurteile gegen weibliche Sexualität und Stereotypen über alleinerziehende Mütter an. Er thematisiert häusliche Gewalt und kritisiert die chinesische Zensur.

Fraueninteressen können nicht länger ignoriert werden  

Der Film ist in gewisser Weise aufmüpfig. Denn die Regierung geht vielerorts gegen feministischen Aktivismus vor und schränkt die unabhängige Meinungsäusserung ein. Sie ermahnt die Frauen, zu heiraten und Kinder zu kriegen.

Auch Kritik an der Zensur wird in der Regel nicht geduldet. Doch die zensurkritischen Szenen des Films sind zurückhaltend. Sie zielen primär auf Menschen, die Anschuldigungen politischer Illoyalität erheben, um persönliche Vorteile zu erreichen.

Für viele überraschend gab die Zensur den Film frei. Die staatlichen Regulierungsbehörden gaben wohl dem wachsende Verlangen nach frauenzentrierten Geschichten nach.

Wirtschaftliche Prioritäten verlagern politische Strategie

Das weibliche Publikum repräsentiert einen zunehmend wichtigen Konsumfaktor, es sollte angesichts der herrschenden Wirtschaftsflaute wohl nicht verprellt werden – meint die Korrespondentin der «New York Times». Nicht wenige der kürzlichen Kinoerfolge in China wurden von Frauen inszeniert und gespielt, einschliesslich des erfolgreichsten Films des Jahres, «YOLO». Solange keine Forderungen nach Rechten erhoben würden, seien Diskussionen und Filme über Frauenthemen nicht länger generell verboten, schreibt Vivian Wang.

Laut Xiaoning Lu, einer Wissenschaftlerin für chinesisches Kino an der «SOAS University of London», liessen die chinesischen Behörden oft Raum, damit Menschen ihren Frust ablassen könnten, solange sie keine politischen Grenzen überschritten. Der Staat sei nicht generell allergisch gegen frauenzentriertes Geschichtenerzählen: «Es gibt viele Gesichter des Feminismus in China», so Lu, «es liegt am Künstler oder Regisseur, eine Balance zu finden. Wo ist die Grenze? Wie weit kann man die Grenzen ausloten?»

Dosis und Verpackung der Kritik machen den Unterschied

«Her Story» verpackt seine soziale Kritik mit viel Witz und Humor. Die Regisseurin Yihui Shao hat bei öffentlichen Auftritten denn auch betont, dass sie nicht mit «Geschlechterantagonismus» provozieren wolle. Diesen Vorwurf erheben offizielle Medien immer wieder gegen Feministinnen.

Doch Yihui Shao verteidigt auch sogenannte «extreme Feministinnen». In einer Podiumsdiskussion sagte sie, dass sie nur nicht so mutig sei wie andere, die sich pointierter äusserten: «Nur dank extremer Stimmen schenken uns die Menschen Aufmerksamkeit», sagte sie, «wenn die Stimme aller sehr mild wäre, wäre es so, als hätte man keine Stimme.»

Die «Volkszeitung», das Sprachrohr der regierenden Kommunistischen Partei, lobte den Film «Her Story» sogar ausdrücklich. Nicht wegen der Frauenthemen zwar, aber immerhin wegen der Darstellung «humorvoller und absurder» Aspekte des täglichen Lebens. Es sei wichtig, dass Regisseurinnen wie Yihui Shao das reflektierten, was das Publikum interessiere. Und das Publikumsinteresse für «Her Story» ist sehr gross, besonders bei jungen Frauen. Viele drücken ihre Begeisterung mit Memes, Podcast-Episoden und T-Shirts aus.


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