Sexuell belästigte Frauen brechen das Schweigen
Der Haftbefehl gegen Julian Assange, Gründer von Wikileaks, hat in Schweden eine Debatte über sexuelle Belästigung ausgelöst. Frauen und Männer begannen, auf Twitter, im Internet und in den traditionellen Medien ihre bisher verschwiegenen Erlebnisse zu erzählen. Es gehe dabei vor allem um das Unbehagen, etwas hingenommen zu haben, das man so eigentlich nicht hinnehmen wollte, sagt die Journalistin Johanna Koljonen. Sie hat mit «Prataomdet» (sprich darüber) eine Webseite lanciert, auf der Betroffene Übergriffe im öffentlichen und im privaten Raum schildern können. Daraus hat sich eine Kampagne entwickelt, welche die Zeitung «Welt» vergleicht mit dem provozierenden Bekenntnis «Wir haben abgetrieben». Dieses Outing im Jahr 1971 hatte in Deutschland wesentlich zur Legalisierung der Abtreibung beigetragen.
In den USA schon seit sechs Jahren sogar mit Täter-Fotos online
Das Ziel von «Hollaback» (schrei zurück) ist eine weltweite Kampagne gegen sexuelle Belästigung im öffentlichen Raum. Die Idee kommt aus den USA, wie die «New York Times» berichtet. Junge Frauen um die New Yorkerin Emily May lancierten vor sechs Jahren die Plattform «Hollaback».
Wer belästigt worden ist, kann dort den Übergriff und den Weg aus der bedrohlichen Situation schildern. Sogar ein Foto des Täters veröffentlichen die Betreiberinnen. Keiner der Männer, die bisher so an den Pranger gestellt worden sind, habe sich beschwert, sagt Emily May.
Als Belästigung definiert Emily May jedes Verhalten, das Frauen Angst macht. Fast alle Frauen seien einmal von dieser Art der Belästigung betroffen. Sexistische Kommentare, exhibitionistische Handlungen, Berührungen bis zu Übergriffen würden jedoch von der Gesellschaft bagatellisiert und deshalb von den meisten Frauen stillschweigend hingenommen, heisst es auf der Webseite. «Wenn Frauen gar nicht reagieren, machen sie sich zum Opfer. Wenn sie sich wehren, kann die Situation eskalieren. Und die Polizei interessiert sich meist nicht für solche Übergriffe».
Darüber öffentlich zu sprechen, schaffe ein Bewusstsein dafür, dass Belästigung jeder Art Gewalt sei und darum auch als solche behandelt werden müsse, schreiben die US-Aktivistinnen.
Mittlerweile gibt es auch ausserhalb der USA «Hollaback»-Seiten beispielsweise in London, Paris, Prag, Buenos Aires, Mumbai. Vor kurzem schalteten Aktivistinnen aus Berlin und aus Dortmund «Hollaback»-Seiten online. Täter-Fotos sollen dort allerdings nicht veröffentlicht werden. Das sei in Deutschland (wie in der Schweiz) strafbar, schreiben die Berlinerinnen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Redaktorin und Herausgeberin der Zeitschrift «FrauenSicht»