Sperberauge
Von der Diskriminierung zum «Vorteil»
«Diplomatische Erfahrung hat der 41-jährige Betriebswirt keine – dafür ein paar andere Vorteile.» Dieser Satz steht über einem 7000 Zeichen langen Artikel über den von US-Präsident Joe Biden nominierten Scott Miller zum neuen US-Botschafter in der Schweiz in der NZZ am Sonntag. Dann folgen exakte Informationen über den grossen monetären Reichtum von Scott Millers 27 Jahre älterem Ehemann Tim Gill. Und dann informiert die NZZ am Sonntag darüber, dass die beiden im Jahr 2009, also vor zwölf Jahren, als erst in vier US-Staaten die Ehe für Schwule erlaubt war, in Boston geheiratet haben und dass Tim Gill als LGBTQ-Aktivist schon 500 Millionen Dollar für die Anliegen von Schwulen und anderen LGBTQ-Menschen gespendet hat. Und darüber hinaus auch mindestens 3,6 Millionen Dollar zugunsten von Joe Biden als Präsidentschaftskandidat.
Das Ende des Artikels in der NZZ am Sonntag:
«Es ist in den USA keine Seltenheit, dass Botschaftsposten als Dankeschön vergeben werden. Unter Donald Trump wurden 44 Prozent der Diplomaten so nominiert, und auch bei Barack Obama waren es 31 Prozent. Joe Biden will diese Quote angeblich unter 30 Prozent halten. Vielleicht könnte der Posten in der Schweiz der Anfang von Scott Millers politischer Karriere sein. Autor Sasha Issenberg [der Informant der NZZaS, Red.] sieht den LGBTQ-Philanthropen auch als Senator oder gar Gouverneur. Über die nötigen Verbindungen und Finanzen verfügt Miller jedenfalls jetzt schon.»
Was die NZZ am Sonntag offenlässt: Ist es die persönliche Meinung des Autors dieses NZZ-Artikels, Michael Radunski, dass «reich und schwul» ein «Vorteil» ist? Oder ist der Autor – aufgrund seiner Beobachtungen – der Meinung, dass es heute, in Zeiten des neoliberalen Wirtschaftsdenkens und im Zeitalter der in US-nahen Staaten zunehmenden LGBTQ-Entdiskriminierungspropaganda, für eine politische Karriere bereits ein Vorteil ist, nicht nur reich, sondern auch schwul zu sein?
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Die Schweiz gilt international (manche mag das erstaunen) immer noch als neutrales Land, das oft genug die Umgebung für Verhandlungen in scheinbar aussichtslose internationalen Konflikten bietet. Ihre diplomatische Bedeutung dürfte als weit über der seiner Fläche und seiner Einwohnerzahl liegen – wenn auch vermutlich nicht über der wirtschaftlichen Bedeutung als Bankenstandort. Aber auch diese ist ja gerade nicht zu vernachlässigen in internationalen Beziehungen.
Was sagt es dann wohl über die Wertschätzung Bidens für die Schweiz aus, wenn er hier einen «absolute beginner», ein «greenhorn» – mutmaßlich aufgrund der Spendentätigkeit aus der Familie – zum Botschafter macht …? Darf man das als Korruption und Vetternwirtschaft bezeichnen, die sich um die politische Bedeutung eines politischen Amtes nicht schert und das Gastland damit sogar düpiert?
Es zeigt, wie Präsident Biden seine Diplomaten auswählt und es zeigt auch, wie wichtig ihm die Schweiz ist, den Botschafterposten mit diesem Scott Miller zu besetzen, der keine diplomatischen Errungenschaften und keine politische Laufbahn aufweisen kann. In einer UBS-Filiale in Denver auf einem ersten Managementlevel tätig gewesen zu sein, ist auch nicht das beste Sprungbrett für diesen Schoggi-Job.
Was würde dies wohl für die Politik bedeuten, wenn es für eine politische Karriere Sachkompetenz bräuchte?
Soll er schwul und quer und sein 70jähriger Partner steinreich sein! Problematisch wirds erst, wenn sich unsere Bundesräte, National- und Ständeräte und Wirtschaftsleute von einem jungen Amerikaner ohne jegliche diplomatische Erfahrung blenden lassen. Und das werden sich viele!
Ein 29-jähriger Betriebswirt und ein 56-jähriger Milliardär … Wenn das im Jahr 2009 nicht die reinste Liebes-Heirat war, … ja … was dann?