«Ohne Frauen müssen wir das Kinderspital in Kabul schliessen»
upg. Der französische Arzt Eric Cheysson ist Direktor der Organisation La Chaîne de l’Espoir, die sich in Frankreich und im Ausland insbesondere um Kinder kümmert, die aufgrund fehlender Einrichtungen nicht behandelt werden können. Er ist Mitverfasser des Buches «Afghanistan, la spirale infernale» (Afghanistan, die Höllenspirale) und schlägt Alarm, um das französische Krankenhaus in Kabul zu retten, das er mit der Chaîne de l’Espoir vor etwa zwanzig Jahren aufbaute. Das Spital hat Tausenden von Kindern das Leben gerettet, indem es ihnen kostenlosen Zugang zu einer Medizin und Chirurgie verschaffte, die den höchsten internationalen Standards entsprechen.
Das Taliban-Regime und seine Politik, Frauen «ins Visier» zu nehmen, würden diese vorbildliche Einrichtung bedrohen. Die Taliban seien geradezu «besessen» darauf, die Frauen aus der Öffentlichkeit zum Verschwinden zu bringen. Cheysson spricht von einer «Apartheid» und einem «sozialen Frauenmord». Letzten Dezember verboten die Taliban Frauen per Dekret, in NGOs zu arbeiten (NGO=Nicht-Regierungsorganisationen). Ein weiteres Dekret verbot den Frauen, in UN-Organisationen tätig zu sein. Es folgte das Verbot, Mittelschulen zu besuchen. Jederzeit könne ein weiteres Dekret den Frauen verbieten, in Spitälern zu arbeiten.
Gegenwärtig sind im Kinderspital von 950 Beschäftigten 250 Frauen. «Ohne Frauen kann das Spital nicht betrieben werden», sagt Cheysson. Erschwerend komme hinzu, dass einheimische Ärzte und qualifizierte Fachpersonen mit ihren Familien ins Ausland geflüchtet seien, weil ihre Töchter in Afghanistan keine Zukunft mehr haben.
Interview mit Chefarzt Eric Cheysson vom 12. April auf France24
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.