Evangelische Extremisten bedrohen Schwule
Chantal Lanz, Kirchgemeindepräsidentin in Melchnau (BE), hat schon 2017 die Pfarrerin daselbst per Brief vor der Wahl eines schwulen Gemeindemitgliedes in den Kirchgemeinderat gewarnt. Lanz in dem Brief wörtlich: «Homosexualität hat in der Gemeindeleitung keinen Platz.» Denn wie der Mann (mit seinem Freund) lebe, entspreche nicht «Gottes Wille». Und das sei «Sünde». Die Kirchenpräsidentin beruft sich in dem Schreiben auf die Bibel. Diese sei da sehr klar.
Der schwule Christ wurde dann dennoch einstimmig in den Melchnauer Kirchgemeinderat gewählt – und dort seither von Evangelikalen (extremistischen Protestanten, welche die Bibel als «heilige Schrift» wörtlich nehmen und befolgen) derart gemobbt, dass er den Ratssitzungen schliesslich krankheitshalber fern blieb.
Berner Zeitungen verschweigen biblische Todesdrohungen
Jetzt haben einige Medien über den Fall berichtet – vorab der «Bund» und die «Berner Zeitung». (Zum Artikel im «Bund» hier anklicken; der Artikel ist aber kostenpflichtig.)
Verschwiegen haben sie dabei jedoch, wo und wie denn die «Klarheit» in Sachen Homosexualität genau in der Bibel steht, auf die sich Kirchenpräsidentin Chantal Lanz in ihrer Warnung vor Homosexualität ebenso beruft wie die Evangelikalen immer wieder in ihrer Hetze gegen Schwule. Das sei hier nachgeholt.
Es ist der Brief des Apostels Paulus an die Römer. Doch da steht nichts von «kein Platz für Homosexualität in der Gemeindeleitung», wie Frau Lanz fälschlich behauptet. Die Bibel ist in puncto Homosexualität viel «klarer» und brutaler, als Frau Lanz vorgibt. Und zwar so: «Denn ihre Weiber haben verwandelt den natürlichen Brauch in den unnatürlichen», schreibt Paulus (gemäss Luthers Übersetzung) in Kapitel 1 seines Briefes, Vers 26. Und weiter in Vers 27: «Desgleichen auch die Männer haben verlassen den natürlichen Brauch des Weibes und sind aneinander erhitzt in ihren Lüsten und haben Mann mit Mann Schande getrieben (…).» Und weiter unten dann in Vers 32 lesen wir wörtlich: «Sie wissen Gottes Gerechtigkeit, dass, die solches tun, des Todes würdig sind (…).»
Todesdrohungen sind strafbar
«Des Todes würdig.» Dieser fatale und verantwortungslose Unfug in einem Buch, das später von religiösen Schwärmern als «heilig» (und damit gegen jegliche rationale Kritik immun) erklärt wurde, hat über Jahrhunderte viel zur Verfolgung und Gewalt gegen Homosexuelle beigetragen. Radikale Katholiken und Protestanten etwa in Afrika gehen bis heute gestützt auf diese Bibelstelle diskriminierend bis gewalttätig gegen Schwule vor. Dass sich Kirchenpräsidentin Lanz darauf beruft, ist hierzulande aber strafrechtlich gesehen keine Bagatelle.
In ihrer Agitation gegen das gewählte, schwule Ratsmitglied hat Präsidentin Lanz offenbar auch dessen Chefin am Arbeitsplatz kontaktiert. Auf telefonische Anfrage von «Infosperber», ob sie denn die Drohungen gegen Homosexuelle im Paulus-Brief genau kenne und sich mit ihrer «Klarheit» der Bibel darauf berufe, reagierte Frau Lanz bisher nicht. Dem «Bund» gegenüber räumte sie nur ein, es habe im Rat «Unstimmigkeiten» gegeben. Martina Anliker, in der Kirchgemeinde Melchnau für «Öffentlichkeitsarbeit» zuständig, verwies am Telefon wiederum auf Präsidentin Lanz.
Strafanzeige gegen Melchnau eingereicht
Inzwischen hat Gérard Wettstein, Mitglied eines anderen Kirchgemeinderates in Bern, den Kirchgemeinderat Melchnau beim Regierungsstatthalter aufsichtsrechtlich angezeigt. Wettstein sagte gegenüber dem «Bund»: «Dieser Umgang mit einem offiziell gewählten Behördenmitglied ist jenseits von Gut und Böse.» Das findet auch die oberste Spitze der reformierten Kirche: Deren Präsident Gottfried Locher meint gar, Homosexualität entspreche «Gottes Schöpfungswillen». Und die Delegiertenversammlung des Kirchenbundes hat im vergangenen Juni per Resolution beschlossen: «Wir sind von Gott gewollt, so wie wir geschaffen sind. Unsere sexuelle Orientierung können wir uns nicht aussuchen.»
Das werden die schwulen Christen gerne hören und lesen. In der Bibel werden sie jedoch weiterhin als «des Todes würdig» bedroht. Und diese Schrift ist für Christen «heilig» – die Resolutionen des Kirchenbundes sind dies nicht.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine. Der Autor gehört keiner Kirche oder Sekte an.
Irgendwo in der Bibel steht doch auch, dass wer Garnelen isst, des Todes würdig ist!
(leider fehlt mir die genaue Referenz)
Luc
@Luc Farinelli kann schon sein oder auch nicht. Was in der Bibel sicher steht: «Nichts, was von außen in den Menschen hineinkommt, kann ihn unrein machen, sondern was aus dem Menschen herauskommt, das macht ihn unrein.» (Markus 7,15)
Ich teile die Kritik an den Machenschaften in Melchnau und überall sonst, wo die Bibel zur Diskriminierung von Schwulen missbraucht wird und bin dankbar für die mediale Aufmerksamkeit. Die Art und der Ton mit der in diesem Artikel über die Bibel gesprochen wird, ist allerdings unangemessen, unaufgeklärt und teilweise falsch. Die Bibel ist NICHT eindeutig. Es gibt Passagen, die von einer homoerotischen Beziehung zwischen David und Jonathan sprechen (1Sam 20; 2Sam 1,26) und somit die Anerkennung einer Kultur, die von homophoben legislatorischen Idealen abweicht. Die Bibel war NICHT nur für Schwärmer und Sektierer heilig, sondern über Jahrhunderte hinweg für die ganzen christlichen Gesellschaften Europas, was immer das im Detail hieß.
Die Bibel ist für einen aufgeklärten Christen längst kein sakrosanktes Buch mehr und die römisch-katholische Lehre verlangt von den TheologInnen sogar eine historisch-kritische Auseinandersetzung mit der Schrift, aber auch die Aufklärung selber sollte sich in Anspruch und Ton hüten, sich selber für heilig und unfehlbar zu erklären. Zu Handen des sogenannt aufgeklärten Bibellesers sei vermerkt, dass die deutschen Nationalsozialisten im 20. Jh. Homosexuelle aufgrund eines naturwissenschaftlich begründeten Rassengesetzes systematisch verfolgten und umbrachten. Dieselbe “aufgeklärte” Logik stand auch hinter den fürsorgerischen Zwangsmaßnahmen gegen Fahrende in der Schweiz.
@ Luc Farinelli: Meinten Sie Levitikus 11: 9 – 12? (Dass des Todes würdig sei, wer gegen dieses Gebot verstosse, kann dem Text – meiner Meinung nach – allerdings nicht entnommen werden.)
Achje, dies Zitieren und Gegenzitieren von Bibelstellen bringt nichts. Die Bibel ist kein Ethik-Buch. Sie ist eine Sammlung von Büchern über göttliche, über Geisterfahrungen. Die so nach unserm Geist fragt. (Auch den Kirchgemeinderat von Melchnau.) Es gibt «den guten, heiligen Geist, der allen Menschen geschenkt ist. Dieser Geist ist Gott selbst. Er begegnet uns als positive Kraft, als schöpferische Energie und als unendlich liebevolles Du.» So der Schweiz. Evangelische Kirchenbund zu Pfingsten 2019. Von daher auch dessen Stellungnahme für – für! – die Ehe von Gleichgeschlechtlichen. Und daher sollen wir der Bibel und einzelnen Sätzen nicht unterwürfig gehorchen, sondern sie vom genannten Geist her eigenständig und selbstverantworlich verstehen.
Ich wünschte mir, Adam sei homosexuell gewesen. Warum stellt die Gesellschaft und die Homosexuellen diese unnatürliche Gleichgeschlechtlichkeit auf ein Podest und zieht im wilden Lust-Rusch durch die Straßen? Gehören nicht andere Werte und Tugenden auf das Podest?
@Thomas Staubli > Die Bibel ist NICHT eindeutig…
Doch, es gibt sogar klare medizinische Aussagen gegen Homosexualität, „ … und den verdienten Lohn ihrer Verirrung an sich selbst empfangen.“
Vielleicht haben sich die Wissenschaftler auch in diesem Punkt geirrt, denn die Liste der Irrtümer ist lang. Die Welt wäre sonst nicht in diesem Zustand.
Es zeigt sich einmal mehr, dass evangelikale Christen etwa gleich ticken wie die Taliban in Afghanistan oder die islamistischen Kopfabschneider in Saudiarabien. Gemeinsames Kennzeichen ist extreme Intoleranz und der Anspruch, über die einzig gültige «Wahrheit» zu verfügen. Evangelikale «Christen» stehen zudem politisch meist weit rechts, siehe Brasilien, wo der Faschist Bolsonaro bei seiner Wahl auf die tatkräftige Unterstützung der Evangelikalen zählen konnte.
@Rainer Fabel
Du hast anscheinen keine Ahnung von der Realität. Es gibt über 1000 Tierarten, die Homosexualität kennen. Es gibt plausible Hypothesen, warum Homosexualität für eine Population ein evolutionärer Vorteil ist. Bevor Du also solche Behauptungen in die Welt setzt, solltest Du Dich mit der Realität auseinandersetzen, auch wenn sie Deinen Wunschvorstellungen widerspricht. Ich stimme Dir sogar zu, dass die Welt in einem traurigen Zustand ist: wir haben viel zu viele Leute wie Dich, die die Realität nicht akzeptieren können und versuchen, ihre hirnrissigen Wunschvorstellungen dem vernünftigen Teil der Bevölkerung aufzuzwingen.
@Andreas Müller
Ich habe immer Verständnis dafür gehabt, das es bei nicht denkenden Individuen Probleme mit geschlechtlicher Zuordnung gibt. Aber nicht normal ist, Ihre Reaktion. Sie verrät ihre Unsicherheit, die als Betroffener aber verständlich erscheint. Ihre Phantasie ist bewundernswert Herr Müller. Ich hingegen habe nur eine Frage und ein einfaches Argument in den Raum gestellt! Sarkasmus ist erlaubt, aber bitte versuchen Sie dabei nicht beleidigend zu werden. Auch wenn Ihr Gott den Namen Darwin trägt.
@ Alois Amrein
Taliban und Christen in einen Topf werfen, ist eine abartige Leistung. Sie haben soeben zwei Drittel der Menschheit beleidigt! Der Rest hat auch nichts mit Ihrer „Wahrheit“ zu tun. Sie haben sich dadurch auch als kein Diskussionspartner qualifiziert.
Antwort2 @Andreas Müller
> evolutionärer Vorteil
?
Darwinisch:
Welcher Vorteil auch immer es sei, die Spermien werden an der Ziellinie den Verrat bemerken, der eben nicht zu einem Selektionsvorteil führt; ja, ja, hier stirbt das schwache Glied, wegen dem Verrat an sich selbst.
Christlich:
s. o.
Die Bibel sagt nichts über Tötungen! «Des Todes würdig» meint ganz klar: Getrennt sein von Gott. Jesus sagt auch klar, dass Er die Sünde hasst, aber den Sünder liebt! (wenn er denn auch umkehrt vom gottlosen Weg). Journalisten sind auch nur Menschen… nur sollten sie seriöser recherchieren.